Heute hat die Wehrbeauftragte Dr. Eva Högl ihren Jahresbericht 2024 vorgestellt. Die wichtigsten Punkte:
1. Personal
Die Personalsituation der Bundeswehr bleibt angespannt. Es bestehen weiterhin erhebliche Herausforderungen in der Personalgewinnung, -bindung und der generellen Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft.
Personalmangel und Altersstruktur
- Die Bundeswehr ist dem Personalziel von 203.000 Soldatinnen und Soldaten bis 2031 erneut nicht näher gekommen. Ende 2024 lag die Zahl der aktiven Soldatinnen und Soldaten bei 181.174 – ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr.
- Die Altersstruktur verschlechtert sich weiter: Das Durchschnittsalter der Bundeswehr stieg von 32,4 Jahren (2019) auf 34 Jahre (2024).
Personalgewinnung und -bindung
- Die Bundeswehr konnte zwar die Zahl der Bewerbungen und Neueinstellungen leicht steigern (2024: 20.290 Neueinstellungen, ein Anstieg von 8 %), doch der hohe Anteil an Abbrechern bleibt ein Problem.
- Von den 2023 eingestellten 18.810 Soldatinnen und Soldaten verließen 5.100 (27 %) die Bundeswehr bereits innerhalb der ersten sechs Monate. Ein Großteil nutzte die Möglichkeit, innerhalb der Probezeit ohne große Hürden auszutreten.
- Um dies zu reduzieren, wurde eine neue Regelung eingeführt, die eine Kündigungsfrist von einem Monat während der Probezeit vorsieht. Erste Zahlen zeigen einen leichten Rückgang der Abbruchquote in den ersten drei Monaten.
Probleme mit Beförderungen und Besetzung von Dienstposten
- Trotz bestehender Beförderungsansprüche wurden viele Soldatinnen und Soldaten jahrelang nicht befördert, da Planstellen fehlten. Ende 2024 warteten 4.006 Soldatinnen und Soldaten auf eine längst überfällige Beförderung.
- Unbesetzte Dienstposten sind ein massives Problem:
- 20 % der Dienstposten für Unteroffiziere und Offiziere blieben vakant.
- 28 % der Dienstposten für Mannschaften sind unbesetzt.
- Dies gefährdet nicht nur die Einsatzbereitschaft, sondern belastet auch die verbleibenden Soldatinnen und Soldaten übermäßig.
Reservisten und Wehrpflichtdebatte
- Die Bundeswehr benötigt 90.000 aktive Reservistinnen und Reservisten, doch aktuell stehen nur 16.000 bis 19.000 pro Jahr zur Verfügung.
- Die Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht wurde 2024 erneut intensiv geführt. Es gibt Überlegungen für ein Modell, bei dem Männer eine verpflichtende Musterung durchlaufen, während Frauen freiwillig teilnehmen können. Eine Umsetzung wurde jedoch durch die vorgezogenen Bundestagswahlen verzögert.
2. Material
Die materielle Ausstattung der Bundeswehr bleibt trotz einiger Fortschritte weiterhin ein kritischer Punkt. Die Vollausstattung ist noch lange nicht erreicht, und es bestehen erhebliche Probleme in der Beschaffung sowie in der Instandhaltung von Großgerät.
Ausrüstung der Soldaten
- Es wurden Fortschritte bei der persönlichen Schutzausrüstung erzielt: Schutzwesten, Helme und Kälte-/Nässeschutz stehen mittlerweile in ausreichender Anzahl zur Verfügung.
- Drohnen und Drohnenabwehr gewinnen zunehmend an Bedeutung. Es gibt neue strategische Planungen zur besseren Integration dieser Technologien.
- Trotzdem fehlen weiterhin Fahrzeuge, Waffen und Munition für die Vollausstattung.
Probleme bei Großgerät und Ersatzteilen
- Die Verfügbarkeit von Panzern, Flugzeugen und Schiffen bleibt mangelhaft.
- Der Zulauf von modernen PUMA-Schützenpanzern verzögert sich, während alte Modelle an die Industrie zurückgegeben wurden.
- Ersatzteile sind knapp, was die Einsatzfähigkeit weiter einschränkt.
- Luftfahrzeuge und Schiffe sind häufig nicht einsatzbereit, da Wartungen durch lange Bürokratieprozesse verzögert werden.
Finanzierung
- Der reguläre Verteidigungshaushalt stieg 2024 auf 52 Milliarden Euro, zusätzlich wurden 19,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen bereitgestellt.
- Das Problem bleibt, dass nicht alle zur Verfügung stehenden Mittel ausgegeben werden – 2024 wurden 17,2 von 19,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen tatsächlich genutzt.
- Insgesamt sind 82 % der Mittel aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen bereits verplant.
3. Infrastruktur
Die Infrastruktur der Bundeswehr ist weiterhin in einem schlechten Zustand. Viele Standorte sind marode, und Sanierungen verlaufen schleppend.
Sanierungsstau und Investitionsbedarf
- Der Investitionsbedarf beträgt 67 Milliarden Euro:
- 24 Milliarden Euro für Bauunterhaltung,
- 25 Milliarden Euro für energetische Sanierung,
- 18 Milliarden Euro für neue Bauprojekte.
- Trotz einer Erhöhung der Infrastrukturinvestitionen auf 1,6 Milliarden Euro (2024, im Vorjahr: 1,25 Milliarden) bleiben die Fortschritte zu langsam.
Probleme mit Unterkünften
- Die Wohnsituation für Soldaten ist oft untragbar:
- Viele Kasernen sind baufällig, es fehlt an Wohnraum.
- In einigen Standorten schlafen Soldaten in Hotels oder sogar in Autos, weil keine Unterkünfte verfügbar sind.
- Der Ausbau von Wohnungen für Familienangehörige in Litauen verläuft schleppend.
Maßnahmen zur Beschleunigung
- Um schneller bauen zu können, setzt die Bundeswehr vermehrt auf Generalunternehmer und standardisierte Bauverfahren.
- Die Zusammenarbeit mit den Ländern wurde intensiviert, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Fazit
Die Bundeswehr steht vor erheblichen Herausforderungen: Es sind weitere massive Anstrengungen nötig, um die Bundeswehr zukunftsfähig zu machen. Personalmangel, überalterte Infrastruktur und Materialengpässe gefährden die Einsatzbereitschaft. Trotz Verbesserungen bleibt die Bürokratie ein Hindernis, insbesondere bei Beschaffung und Bauprojekten.
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Der Jahresbericht der Wehrbeauftragten in voller Länge: