Die Zukunft der Heeresaufklärungstruppe – Rüstungsprojekte & Organisation

Die Zukunft der Heeresaufklärungstruppe - Rüstungsprojekte & Organisation
Foto: Bundeswehr/Maximilian Schulz

Die am 6. März 2008 in Dienst gestellte Heeresaufklärungstruppe gehört zu den Einsatz- und Führungsunterstützungstruppen des Heeres. Sie ist der Hauptträger der Aufklärung und Nachrichtengewinnung im Heer und befindet sich gerade, genauso wie der Rest der Bundeswehr, im Prozess der Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung. In diesem Video werfen wir einen Blick auf die damit einhergehenden strukturellen und materiellen Veränderungen derHeeresaufklärungstruppe.

Auftrag

Die Heeresaufklärungstruppe hat den Auftrag, feindliche Kräfte und ihre Technik sowie das Gelände zu erkunden. Auf dieser Grundlage deckt sie mit ihren Mitteln sämtliche Aspekte der taktischen Gefechtsfeldaufklärung und operativen Aufklärung in der Tiefe des Gefechtsraums ab, um den Kommandeuren der Kampftruppen ein möglichst aktuelles und realistisches Lagebild zu liefern. Dabei ist sie in den Verbund des Militärischen Nachrichtenwesens eingebunden und bildet ein wesentliches Element der Nachrichtengewinnung und Aufklärung (NG&A) aller Teilstreitkräfte.

Die NG&A ist eine streitkräftegemeinsame Aufgabe der gesamten Bundeswehr und wird erst im Verbund unterschiedlicher Systeme voll wirksam. So können alle Beteiligten weltweit Informationen und Nachrichten zu Interessen-, Krisen- und Einsatzgebieten sammeln, auswerten und den Entscheidungsträgern bereitstellen. Die Heeresaufklärungstruppe ist dabei speziell darauf ausgerichtet, den Informationsbedarf des Truppenführers im Einsatz zu decken und ein möglichst lückenloses Lagebild zu erzeugen. Darüber hinaus kann sie auch die Ergebnisse anderer Aufklärungsmittel ergänzen, vertiefen oder bestätigen und trägt damit wesentlich zum Schutz der eigenen Kräfte in den Einsatzgebieten bei.

Organisation

Aktuell besteht die Heerausaufklärungstruppe aus sechs Aufklärungsbataillonen und vier selbständigen Aufklärungskompanien sowie einer Fernspähkompanie. Von den sechs Aufklärungsbataillonen unterstehen fünf den schweren und mittleren Brigaden des Heeres. Dabei handelt es sich um die Panzerlehrbrigade 9, die Panzerbrigade 12, die Panzerbrigade 21, die Panzergrenadierbrigade 37 und die Panzergrenadierbrigade 41. Ein Bataillon, das Aufklärungsbataillon 10, gehört zu den Divisionstruppen der 10. Panzerdivision. Ein Aufklärungsbataillon verfügt über eine Versorgungs- und Unterstützungskompanie, eine Spähkompanie, eine leichte Aufklärungskompanie und eine technische Aufklärungskompanie. Die Spähkompanie besteht aus sechs Spähzügen mit je zwei Spähtrupps mit je zwei Spähwagen Fennek. Die leichte Aufklärungskompanie verfügt über einen leichten Spähzug und vier Feldnachrichtenzüge. Und die technische Aufklärungskompanie besteht aus je einem KZO- und LUNA-Zug sowie einem Radarzug.

___STEADY_PAYWALL___

Hinzu kommen die vier selbständigen Aufklärungskompanien. Dabei handelt es sich erstens um die vierte Kompanie des Jägerbataillons 291, welches wiederum der Deutsch-Französischen Brigade untersteht. Eine weitere selbständige Aufklärungskompanie ist die Gebirgsaufklärungskompanie 23 die der Gebirgsjägerbrigade 23 untersteht. Und die beiden Luftlandeaufklärungskompanien 260 und 310 als Teil der Luftlandebrigade 1. Zu guter Letzt die Fernspähkompanie 1 in Schwarzenborn als Teil der Division Schnelle Kräfte.

Das Zielbild Einsatzkräfte Heer sieht insgesamt acht Aufklärungsbataillone, fünf selbständige Aufklärungskompanien und zwei Fernspähkompanien vor. Von den acht Aufklärungsbataillonen sollen drei auf Divisionsebene verankert werden, als Teil der Divisionstruppen der drei deutschen Heeresdivisionen. Für diese Aufklärungsbataillone ist eine Aufklärungstiefe von 100 bis 150 Kilometern und eine Dauer von bis zu sieben Tagen gefordert. Die restlichen fünf Aufklärungsbataillone werden sich auf Brigadeebene befinden, als Teil der gerade eben genannten schweren und mittleren Brigaden. Für die Brigadeebene sind eine Aufklärungstiefe von 70 bis 100 Kilometern und eine Dauer von drei bis fünf Tagen gefordert. Die fünf selbständigen Aufklärungskompanien werden Teil der Panzerbrigade 45, der Deutsch-Französischen Brigade, der Gebirgsjägerbrigade 23, der Luftlandebrigade und des Fallschirmjägerregiments 31 sein. Die beiden Fernspähkompanien werden sich auf Korpsebene wiederfinden und sollen eine Aufklärungstiefe von mindestens 300 Kilometern und eine Dauer von bis zu 15 Tagen gewährleisten.

Um dies zu realisieren, bedarf es eines personellen Aufwuchses der Heeresaufklärungstruppe und auch struktureller Anpassungen der einzelnen Verbände. So sollen bspw. die Aufklärungsbataillone auf Divisions- und Brigadeebene zwar über die gleichen Fähigkeiten verfügen, aber die Ausprägung könnte sich unterscheiden. Denkbar wäre, dass die Aufklärungsbataillone auf Brigadeebene über mehr Spähaufklärung verfügen als die Divisionsbataillone. Umgekehrt könnten die Aufklärungsbataillone auf Divisionsebene über mehr Feldnachrichtenkräfte verfügen als die auf Brigadeebene.

Ausrüstung

Das Hauptwaffensystem der fahrzeuggebundenen Spähaufklärung ist der Spähwagen Fennek. Er ist geländegängig, luftverlegbar und bietet ballistischen sowie ABC-Schutz. Seine Beobachtungs- und Aufklärungsausstattung umfasst ein Wärmebildgerät, einen Laserentfernungsmesser und eine CCD-Kamera, mit denen Ziele auf bis zu zehn Kilometer erkannt und auf zwei Kilometer identifiziert werden können. Ein Spähtrupp besteht aus zwei Spähwagen Fennek mit je drei Soldaten. Diese Spähtrupps haben eine Eindringtiefe von 100 Kilometern und können bis zu drei Tage autark operieren. Aktuell werden 30 Spähwagen und 50 Joint Fire Support Team Fennek mit neuer Beobachtungs- und Aufklärungsausstattung III modernisiert. Das Modernisierungsvorhaben hat ein Kostenvolumen von 86 Millionen Euro und soll bis 2029 abgeschlossen sein. Allerdings soll der Großteil der Fennek-Flotte ab 2027 durch den Korsak ersetzt werden, da der Spähwagen den Anforderungen an Spähaufklärung auf dem Gefechtsfeld der Zukunft nicht mehr gerecht wird. Dazu gleich mehr.

Rüstungsvorhaben im Wert von 600 Mio. Euro für die Bundeswehr genehmigt
Fennek / Foto: KNDS

Für die leichten Spähzüge wird hauptsächlich der TPz Fuchs als Transportmittel verwendet. Dieser soll in nächster Zeit durch den Transportpanzer Neuer Generation ersetzt werden. Auch dazu gleich mehr. Darüber hinaus nutzt die Heeresaufklärungstruppe auch noch die Geschützten Führungs- und Funktionsfahrzeuge Dingo und die Geländewagen Wolf.

TPz Fuchs / Foto: U.S. Army / Spc. Danielle Carver

Und natürlich Aufklärungsdrohnen. Bei den Heeresaufklärern kommen aktuell vier verschiedene Typen zum Einsatz: LUNA, KZO, ALADIN und MIKADO. Von der KZO hat die Bundeswehr insgesamt 39 Stück, das Nutzungsdauerende ist 2026 erreicht. Ersetzt wird die KZO durch die HUSAR. Auch dazu gleich mehr. Von der LUNA hat die Bundeswehr insgesamt 87 Stück. Geplantes Nutzungsdauerende ist das Jahr 2028. Als Ersatz soll ebenfalls die HUSAR dienen. Von der ALADIN werden aktuell 290 Stück genutzt, auch hier ist ein Ersatz geplant. Und von der MIKADO sind aktuell 139 im Dienste der Bundeswehr. Hier läuft die Ergänzungsbeschaffung von weiteren 145 AR100-B.

LUNA / Foto: Rheinmetall AG

Neben Fahrzeugen und Aufklärungsdrohnen nutzt die Heeresaufklärungstruppe noch weitere Sensoren. Wie zum Beispiel das Bodengebundene Aufklärungs- und Raum-Überwachungssystem, kurz BARÜ. Insgesamt 69 Systeme wurden beschafft und sollten mittlerweile auch vollständig an die Truppe ausgeliefert worden sein. BARÜ soll das Panzeraufklärungsradar (PARA), das Artilleriebeobachtungsradar (ABRA), das Leichte Gefechtsfeldaufklärungsradar (LEGAR 1) und das Bodenüberwachungsradargerät 550 (BOR-A 550) ersetzen.

BARÜ / Foto: Elta Systems

Rüstungsprojekte

Womit wir zu den Rüstungsprojekten der Heeresaufklärungstruppe kommen. Das wohl wichtigste Vorhaben für die Heeresaufklärungstruppe ist die Beschaffung des Spähfahrzeugs Next Generation, Bundeswehr-Bezeichnung Korsak. Diese sollen den Spähwagen Fennek langfristig ersetzen, da dieser 2028 sein Nutzungsdauerende erreicht und den Anforderungen an Spähaufklärung auf dem Gefechtsfeld der Zukunft nicht mehr gerecht wird. Der Korsak soll unter anderem über eine Eindringtiefe von bis zu 300 km und eine Durchhaltefähigkeit von bis zu sieben Tagen verfügen. Geplant ist der Abschluss eines Rahmenvertrages über bis zu 252 Korsak. Zunächst sollen allerdings lediglich 92 fest beauftragt werden. Die restlichen 160 Fahrzeuge können optional abgerufen werden. Die ersten beiden Nachweismuster sollen, den Planungen der Bundeswehr zufolge, bereits 2026 zulaufen. Die 90 weiteren festbeauftragten Fahrzeuge sollen dann 2027 und 2028 an die Truppe ausgeliefert werden. Das Kostenvolumen wird auf drei bis vier Milliarden Euro geschätzt. Mittlerweile steht auch schon die Fahrzeugplattform fest, auf der das Spähfahrzeug Next Generation realisiert werden soll. Dabei handelt es sich laut Hartpunkt um den Piranha 6 × 6 von GDELS. Wenn ihr mehr über den Korsak erfahren wollt, schaut euch mal mein Video zu der Thematik an. Ich verlinke euch das auf dem I und in der Videobeschreibung.

Fofo: GDELS

Ein weiteres wichtiges Rüstungsprojekt für die Heeresaufklärungstruppe ist das Vorhaben “Transportpanzer Neue Generation”. Dabei wird es sich um den Patria 6 × 6 handeln, der über das multinationale Common Armoured Vehicle System (CAVS) Programm gemeinsam mit Finnland, Lettland und Schweden beschafft wird. Bei der Heeresaufklärungstruppe soll der Patria 6 × 6 als Transportfahrzeug für die leichten Spähtrupps zum Einsatz kommen. Der Gesamtbedarf der Bundeswehr beträgt laut BMVg rund 1.000 Fahrzeuge. Zunächst sollen aber wohl nur 300 Fahrzeuge beschafft werden. Die Bundeswehr hat Patria diesbezüglich bereits Ende letzten Jahres zur Abgabe eines verbindlichen Angebots aufgefordert, so berichtet es Hartpunkt. Am 30., Januar 2025 ist Deutschland dann der Rahmenvereinbarung über das multinationale Common Armoured Vehicle System (CAVS) offiziell beigetreten. Eine Beschaffung des Patria 6×6 ist damit nur eine Frage der Zeit und ausreichender Haushaltsmittel. Auch zum Vorhaben „Transportpanzer Neue Generation” habe ich bereits ein Video gemacht. Ich verlinke euch das ebenfalls auf dem I und in der Videobeschreibung.

Deutschland ist dem CAVS-Rahmenabkommen beigetreten
Patria 6×6 / Foto: Patria

Als Ersatz für die Aufklärungsdrohnen KZO und LUNA läuft die Beschaffung der HUSAR. HUSAR steht für „Hocheffizientes Unbemanntes System zur Aufklärung mittlerer Reichweite”. Die neue Aufklärungsdrohne verfügt über eine Reichweite von bis zu 150 Kilometern und eine Einsatzdauer von bis zu 12 Stunden. Bisher wurden 13 Systeme bestellt, davon ein Ausbildungssystem. Ein System besteht aus fünf Aufklärungsdrohnen, zwei Bodenkontrollstationen, zwei Startfahrzeugen, drei Transportplattformen, zwei Antennenmasten sowie einer Werkstattausstattung. Das Beschaffungsvolumen beläuft sich auf 290,9 Millionen Euro, finanziert über den regulären Verteidigungshaushalt. Bis 2028 sollen die 13 Systeme an die Truppe ausgeliefert werden.

HUSAR / Foto: Rheinmetall AG

Mit der angestrebten Reichweitensteigerung der Artillerie und der wachsenden Bedeutung der Korps-Ebene steigt der Bedarf an Aufklärungsfähigkeiten über große Distanzen. Zugleich erschweren gegnerische A2/AD-Fähigkeiten (Anti-Access/Area Denial) die Gewinnung und Übertragung von Aufklärungsergebnissen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde das Projekt „UAS Intruder 300 km+“ initiiert. Es soll ein unbemanntes Aufklärungssystem mit einer Reichweite von über 300 Kilometern entwickeln, das in gegnerisch kontrollierten Luftraum eindringen und durch Lage-, Ziel- und Wirkungsaufklärung sowie Zielortung ein umfassendes Lagebild bereitstellen kann.

Für die Gebirgs- und Luftlandeaufklärungskompanien läuft die Beschaffung der Aufklärungsdrohne FALKE. FALKE steht für „ferngeführtes Aufklärungssystem, luftgestützt, kurze Entfernung“ und soll die Fähigkeitslücke in der Domäne Aufklärung zwischen kurzer Reichweite (ALADIN) und mittlerer Reichweite (LUNA) schließen. Zunächst wurden lediglich 14 Stück für das KSK bestellt. Laut Florian Seibel, CEO von Quantum-Systems, wurde die Bestellung mittlerweile auf 60 Stück erweitert. Der Zulauf der Aufklärungsdrohnen für die Heeresaufklärungstruppe ist ab dem zweiten Quartal 2025 geplant. Laut dem Magazin .loyal plant, die Bundeswehr, die Division Schnelle Kräfte umfassend mit FALKE auszustatten. Die dafür erforderlichen Stückzahlen sind bisher nicht bekannt.

FALKE / Foto: Quantum-Systems GmbH

Auch die seit 2005 eingesetzte Aufklärungsdrohne ALADIN soll demnächst ersetzt werden. Das Beschaffungsamt der Bundeswehr hat dafür ein entsprechendes Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb eröffnet. Laut der TED-Mitteilung plant die Bundeswehr eine Rahmenvereinbarung über die Beschaffung von 147 neuen Aufklärungsdrohnen, mit einer Option auf 600 weitere.

Fazit

Die Heeresaufklärungstruppe soll in den nächsten Jahren um zwei Bataillone, eine selbständige Kompanie und eine Fernspähkompanie anwachsen. Damit dieser Aufwuchs nicht nur auf dem Papier vollzogen wird, bedarf es auch eines personellen Aufwuchses dieser Truppengattung. Ob dies bei den Personalproblemen der Bundeswehr gelingt, ist fraglich. Auch im Bereich Material ist noch viel Luft nach oben. Zwei sehr wichtige Vorhaben für die Heeresaufklärungstruppe, der Spähwagen Next Generation und der Transportpanzer Neue Generation, sind bisher noch nicht bestellt. Und die Stückzahlen im Bereich der Aufklärungsdrohnen sind viel zu gering. 2024 verfügte die gesamte Bundeswehr über gerade einmal 618 Drohnen. Die Ukraine verliert täglich 40 bis 45 Aufklärungsdrohnen – mehr als 16.000 im Jahr. Das bedeutet, der Bundeswehr würden nach nur 15 Tagen die Drohnen ausgehen. Der Drohnenbauer Quantum Systems schätzt den Bedarf der Bundeswehr auf 18.000 Aufklärungsdrohnen, um in einem Krieg gegen einen Gegner wie Russland ein Jahr lang bestehen zu können. Diese Schätzung basiert auf den Erfahrungen aus dem Fronteinsatz seiner Systeme im Ukraine-Krieg. Aber ihr kennt das Spielchen ja, für all das fehlt aktuell das nötige Kleingeld. Das Stichwort lautet hier mal wieder: dauerhafte Erhöhung des regulären Verteidigungshaushaltes auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Total
0
Shares
Related Posts
Total
0
Share