Am 23. Februar 2025 steht die nächste Bundestagswahl an. Höchste Zeit für einen Blick in die Wahlprogramme der Parteien und mal zu schauen, was diese sich in Sachen Sicherheits- und Verteidigungspolitik so vorgenommen haben.
CDU/CSU
Ziel der CDU/CSU ist eine moderne, verteidigungsbereite und kampffähige Bundeswehr, die den Bedrohungen des 21. Jahrhunderts die Stirn bietet und unser Land zuverlässig schützen kann. Um dieses Ziel zu realisieren, strebt die Union u. a. eine erneute Reform der militärischen und zivilen Strukturen, eine Modernisierung der Infrastruktur und die Vollausstattung der Bundeswehr an. Auch der Heimatschutz soll ausgebaut und die Reserve strukturell neu gestellt sowie möglichst auf vergleichbarem Niveau ausgebildet und ausgestattet sein wie die aktive Truppe. Zudem will die Union Deutschland zur führenden europäischen Militärmacht in den Bereichen Weltraum, Drohnen und Cybersicherheit machen. Da das alles viel Geld kostet, versteht die CDU/CSU das Zwei-Prozent-Ziel der NATO als Untergrenze und will dies dauerhaft erfüllen. Dr. Johann David Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, hält sogar 3 % vom BIP in der nächsten Legislaturperiode für erforderlich. Darüber hinaus setzt man sich für die Schaffung eines Planungsgesetzes ein, um die langfristige Finanzierung von Großprojekten sicherzustellen. Um dies zu finanzieren, will die Union das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Prioritäten im Haushalt setzen. So denkt man bspw. darüber nach, am Bürgergeld und am Heizungsgesetz den Rotstift anzusetzen. Aber auch ein neues Sondervermögen, also neue Schulden, werden nicht vollständig ausgeschlossen. Man will die Erhöhung der Verteidigungsausgaben jedoch vor allem über den Kernhaushalt abbilden. Zur Bewältigung der Personalprobleme der Bundeswehr setzt die Union auf eine aufwachsende Wehrpflicht. Wenn ich das richtig lese, ist diese zumindest zu Beginn quasi identisch mit dem von Pistorius vorgeschlagenen Konzept „Neuer Wehrdienst”.
Langfristig setzt sich die CDU/CSU jedoch für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr ein. Im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie will man sich für einen europäischen Binnenmarkt für Verteidigungsgüter mit gemeinsamen Exportregeln einsetzen. Auch die Finanzierungsmöglichkeiten für die Rüstungsindustrie sollen z. B. durch Beseitigen von negativen Bewertungen und Ausschlussbegründungen verbessert werden.
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AfD
Ziel der AfD ist die Wiederherstellung der Wehrfähigkeit Deutschlands. Dazu soll u.a. die Wehrpflicht wieder eingesetzt werden. Den Inspekteuren und Kommandeuren will man wieder mehr Verantwortung geben, bspw. hinsichtlich Personal und Material, damit diese ihren Auftrag bestmöglich erfüllen können. Auch wenn die AfD den hohen Finanzbedarf der Bundeswehr anerkennt und decken will, wird das Zwei-Prozent-Ziel der NATO nicht erwähnt. Finanzieren will man den Mehrbedarf der Bundeswehr übrigens über Einsparungen bei der Migration, Klimatransformation und durch eine gerechtere Lastenverteilung bei den EU-Beiträgen. Die Notwendigkeit der NATO erkennt die AfD zwar an, will diese jedoch langfristig durch ein unabhängiges und handlungsfähiges europäisches Militärbündnisses ersetzen. Auch die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik lehnt die AfD ab. Sowie eine Osterweiterung der EU und NATO. Damit ist natürlich auch die Ukraine gemeint, deren Zukunft man als neutralen Staat außerhalb von NATO und EU sieht. Hinsichtlich der großen Mächte dieser Welt, USA, China und Russland, strebt die AfD ein interessengeleitetes Verhältnis an. So sollen bspw. die Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufgehoben und die Nord-Stream-Pipelines wieder Instand gesetzt werden. Zu guter Letzt lehnt die AfD die Stationierung von weitreichenden US-Waffensystemen in Deutschland ab.
SPD
Bei der SPD ist in Sachen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ziemlich viel weiter so im Programm. Angesichts dessen, dass die Partei dieses Politikfeld in den letzten drei Jahren verantwortet hat, sicherlich auch wenig verwunderlich. Die Bundeswehr soll weiter modernisiert werden. Dazu will man mindestens 2 % des BIP für Verteidigung ausgeben. Finanzieren will man dies über die Aufnahme neuer Schulden. An zentralen sicherheits- und verteidigungspolitischen Vorhaben der aktuellen Legislaturperiode wie der Litauen-Brigade, dem neuen Wehrdienst und der Stationierung von weitreichenden US-Waffensystemen in Deutschland soll weiterhin festgehalten werden. Von einer wirklichen Wehrpflicht will die SPD aber nach wie vor nichts wissen. Hinsichtlich der Ukraine betont die SPD, dass die Souveränität und territoriale Integrität des Landes gewahrt bleiben müsse. Dazu will man die Ukraine so lange wie nötig diplomatisch, militärisch, finanziell und humanitär unterstützen. Beim Nein zur Taurus-Lieferung bleibt es jedoch. Allerdings nur aus Bundeswehr-Beständen. Eine interessante Formulierung, da man sich hiermit eine Hintertür offen lässt, der Industrie oder anderen Nutzerstaaten eine Lieferung von Taurus an die Ukraine zu gestatten. Die europäische Rüstungsindustrie soll gestärkt und gemeinsame Exportregeln erarbeitet werden.
Grüne
Die Grünen fordern, dass Deutschland und Europa mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit übernehmen. Ein dauerhaft erhöhter Verteidigungsetat, der über das Zwei-Prozent-Ziel hinausgeht, soll die notwendigen Fähigkeiten zur Landes- und Bündnisverteidigung sicherstellen. Da diese Investitionen nicht allein aus laufenden Einnahmen finanziert werden können, befürworten die Grünen eine höhere Kreditaufnahme sowie eine stärkere Besteuerung von Superreichen. Auch die gemeinsame Schuldenaufnahme zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit auf EU-Ebene sei eine Option.
Ziel ist eine moderne und verteidigungsfähige Bundeswehr. Militärische Maßnahmen sollen immer in ein übergreifendes politisches Konzept eingebettet sein, das Diplomatie und Entwicklungspolitik einschließt. Zudem setzen sich die Grünen für eine stärkere parlamentarische Kontrolle und Evaluierung von Auslandseinsätzen ein. Um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu gewährleisten, sollen der freiwillige Wehrdienst und die Reserve attraktiver gestaltet werden. Neben besseren Arbeitsbedingungen für Soldatinnen und Soldaten soll eine neue Form der Wehrerfassung entstehen, die schnelle Rekrutierungen ermöglicht und auch den Zivil- und Heimatschutz stärkt. Auf europäischer Ebene wollen die Grünen die Zusammenarbeit der Streitkräfte zur Regel machen. Multinationale Einheiten innerhalb der EU und NATO sollen ausgebaut und ineffiziente Doppelstrukturen zwischen Mitgliedstaaten reduziert werden. Gemeinsame Entwicklung, Produktion und Beschaffung von Rüstungsgütern sollen dazu beitragen, die Verteidigungsfähigkeit effizienter und wirtschaftlicher zu gestalten.
BSW
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) setzt auf eine Außenpolitik, die auf Diplomatie und Verhandlungen statt auf militärische Gewalt setzt. Konflikte sollen gemäß der UN-Charta durch Dialog und gegenseitigen Respekt gelöst werden. Eine generelle Ablehnung militärischer Lösungen ist zentral für ihre sicherheitspolitische Ausrichtung. Das BSW fordert eine deutliche Reduzierung der Militärausgaben und lehnt das Zwei-Prozent-Ziel der NATO ebenso ab wie weitere Sondervermögen oder Schulden für die Aufrüstung. Stattdessen sollen öffentliche Gelder in Bildung, Gesundheitsversorgung und die Entwicklung umweltschonender Technologien investiert werden. Die Bundeswehr soll ausschließlich als Verteidigungsarmee agieren, Auslandseinsätze und Truppenstationierungen in geopolitischen Konfliktregionen wie an der russischen Grenze oder im Südchinesischen Meer werden abgelehnt. Auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht findet keine Unterstützung. Langfristig strebt das BSW eine Abrüstungspolitik an und fordert strenge Rüstungskontrollen sowie ein Verbot von Waffenexporten in Kriegsgebiete. Die Gewinne von Rüstungskonzernen sollen nicht an Aktionäre ausgeschüttet werden dürfen. Zudem spricht sich das Bündnis für einen Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag und den Abzug aller in Deutschland stationierten Atomwaffen aus. Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen wird strikt abgelehnt, ebenso wie eine Politik, die nukleare Abschreckung als Sicherheitsstrategie verfolgt. Im Ukrainekrieg fordert das BSW einen sofortigen Waffenstillstand und diplomatische Verhandlungen ohne Vorbedingungen. Die militärische Unterstützung der Ukraine durch Deutschland, insbesondere die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, wird abgelehnt. Stattdessen soll sich die deutsche Regierung verstärkt für Friedensverhandlungen einsetzen, primär unter Einbeziehung Chinas und der Länder des globalen Südens. Weitere finanzielle Hilfen für die Kriegsführung sollen nicht mehr aus Steuergeldern bereitgestellt werden.
FDP
Die FDP fordert eine sicherheitspolitische Zeitenwende, die ihren Namen verdient, um Deutschlands Verteidigungsfähigkeit in einer zunehmend unsicheren Welt zu stärken. Die Bundeswehr soll zur schlagkräftigsten konventionellen Streitkraft Europas ausgebaut werden und sich an den Fähigkeitszielen der NATO orientieren. Dabei setzt die FDP auf eine professionelle Freiwilligenarmee mit einer starken Reserve, lehnt aber eine allgemeine Wehrpflicht ab. Die Attraktivität des Dienstes soll durch bessere Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Vorteile gesteigert werden. Ein Nationaler Sicherheitsrat soll Risiken frühzeitig erkennen und strategische Entscheidungen effizient koordinieren.
Zudem will die FDP das Deutschland mehr Verantwortung innerhalb der NATO und gegenüber seinen Bündnispartner übernimmt. Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO soll mindestens eingehalten und bei Bedarf erhöht werden. Langfristig strebt die Partei eine europäische Armee als Teil der NATO an. Die Verteidigungsfähigkeit Europas soll durch eine bessere Handlungsfähigkeit der EU-Partner innerhalb des Bündnisses verbessert werden.
In der Ukraine-Frage zeigt sich die FDP kompromisslos: Die militärische und finanzielle Unterstützung darf nicht am Geld scheitern, da ein russischer Sieg größere Kosten und Risiken mit sich brächte. Die Partei fordert unverzüglich die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern und setzt sich für die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte zur Finanzierung der Ukraine-Hilfe ein. Ziel ist die vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine sowie ihr perspektivischer Beitritt zur EU und NATO.
Um die zusätzlichen Verteidigungsausgaben zu finanzieren, sollen staatliche Subventionen überprüft, Bürokratie abgebaut und die Effizienz von Behörden gesteigert werden. Zudem setzt die FDP auf wirtschaftlichen Aufschwung, um die Steuereinnahmen zu erhöhen. Die Rückführung von Bürgergeldempfängern in reguläre Arbeit soll ebenfalls finanzielle Spielräume schaffen. So soll eine langfristige, nachhaltige Finanzierung der Verteidigung sichergestellt werden, ohne neue Schulden aufnehmen zu müssen.
Linke
Die Linke setzt sich für eine friedensorientierte Außen- und Sicherheitspolitik ein, die auf Diplomatie statt militärischer Eskalation setzt. Die Bundesregierung soll Friedensinitiativen wie die von China und Brasilien aktiv unterstützen und eine internationale Kontaktgruppe ins Leben rufen, um konkrete Verhandlungsvorschläge für einen Waffenstillstand in der Ukraine zu erarbeiten. Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete werden strikt abgelehnt, während Sanktionen gezielter gestaltet und regelmäßig überprüft werden sollen.
Eine weitere Aufrüstung Deutschlands und Europas lehnt die Linke entschieden ab. Die Bundeswehr soll aus allen Auslandseinsätzen abgezogen und zu einer reinen Verteidigungsarmee umgebaut werden. Zudem fordert die Partei den Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland und den Beitritt der Bundesrepublik zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag. Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden wird ebenfalls abgelehnt.
Um das „Geschäft mit dem Krieg“ zu beenden, fordert die Linke ein vollständiges Verbot von Rüstungsexporten. Die Umstellung von Rüstungsbetrieben auf zivile Produktion soll gezielt gefördert werden, und langfristig sollen Rüstungskonzerne in Gemeineigentum überführt werden. Gleichzeitig stellt sich die Partei gegen eine Militarisierung der Gesellschaft: Sie lehnt die Wiedereinführung der Wehrpflicht ab und fordert ein Verbot von Bundeswehr-Werbung an Schulen, Universitäten und auf Bildungsmessen.
Die Linke will die Verteidigungsausgaben drastisch senken und stattdessen in Bildung, Soziales, Gesundheitsversorgung und den ökologischen Wandel investieren.
Fazit
Angesichts der momentanen Weltlage und den Herausforderungen, vor denen Deutschland und Europa in Sachen Sicherheits- und Verteidigungspolitik stehen, bleiben in meinen Augen alle Wahlprogramme hinter den Erfordernissen zurück. AfD, BSW und Linke befinden sich nach wie vor in einem tiefen sicherheitspolitischen Dornröschenschlaf und sind in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik leider komplett realitätsfremd unterwegs. CDU, Grüne, FDP und zumindest zum Teil auch die SPD haben zwar die Zeichen der Zeit erkannt, sind aber scheinbar nicht bereit die daraus notwendigen Schlüsse zu ziehen, oder eher gesagt ins Wahlprogramm zu schreiben. Zwei-Prozent vom BIP und ein bisschen mehr oder minder freiwilliger Wehrdienst reicht halt leider nicht mehr, um den Anforderungen unserer Zeit gerecht zu werden. Im Sommer dieses Jahres sollen die neuen NATO-Fähigkeitsziele für den Zeitraum ab 2031 beschlossen werden. Diese werden auch für Deutschland erheblichen Mehraufwand in jeglicher Hinsicht bedeuten. Und dann ist da noch Trump, der bisher vor allem der US-Innenpolitik zugewandt war, aber das dürfte sich spätestens auf dem nächsten NATO-Gipfel ändern. Keine der gerade genannten Parteien scheint diese Themen wirklich auf dem Schirm zu haben, geschweige denn, sich darauf vorzubereiten. Klar, es sind nur Wahlprogramme und mit Verteidigung ist in Deutschland bekanntlich kein Blumentopf zu gewinnen. Aber wir können wirklich nur hoffen, dass die nächste Bundesregierung die Zeichen der Zeit erkennt und dementsprechend handelt.