Epochenwandel, diesen Begriff hört man in letzter Zeit immer wieder, um die tektonischen Verschiebungen der Weltlage zu beschreiben. Die USA unter Donald Trump kehren Europa, kehren dem politischen Westen den Rücken zu. Es sind nicht wenige, die ein Ende der liberalen Weltordnung befürchten, mit bislang unvorhersehbaren Folgen. In diesem Beitrag schauen wir uns an, was in den letzten Tagen und Wochen passiert ist, wie die ganze Situation zu bewerten ist und welche Implikationen dieser Kurswechsel der USA für Europa und Deutschland hat.
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Die Lage
Der Albtraum für die Europäer begann am 12. Februar 2025, als der US-Verteidigungsminister Pete Hegseth eine Rede im Rahmen des sogenannten Ramstein-Formats in Brüssel hielt. Hier die Zusammenfassung: Die USA wollen den Krieg in der Ukraine diplomatisch schnellstmöglich beenden und dazu beide Parteien an einen Tisch bringen. Zwar haben die USA Interesse an einer souveränen und wohlhabenden Ukraine, allerdings erachtet die Trump-Administration eine Rückkehr zu den Grenzen der Ukraine vor 2014 als unrealistisch. Auch eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wird als nicht realistisches Ergebnis einer Verhandlungslösung angesehen. Bis es zu einem Waffenstillstand oder Friedensvertrag kommt, sollen die Europäer den überwiegenden Teil der militärischen und zivilen Unterstützung der Ukraine übernehmen. Die als Ergebnis einer Verhandlungslösung möglicherweise entstehende Kontaktlinie soll international überwacht und durch europäische und außereuropäische Friedenstruppen gesichert werden. Die USA werden sich jedoch nicht mit eigenen Truppen an dieser Mission beteiligen. Darüber hinaus soll es sich bei diesen Friedenstruppen auch nicht um eine von der NATO mandatierte Mission handeln und sie sollen nicht durch Artikel 5 des Nordatlantikvertrages abgedeckt sein. Die Absicherung eines Waffenstillstandes oder Friedens wäre also Aufgabe der Europäer. Genauso wie die Verantwortung für die konventionelle Sicherheit auf dem Kontinent. Die strategischen Realitäten verhinderten, dass sich die USA in erster Linie um die Sicherheit Europas kümmern könnten. Der Fokus der USA liegt von nun an auf dem Schutz der eigenen Grenzen und auf dem Systemwettbewerb mit China. Zwar wolle man der NATO treu bleiben und gehe davon aus, dass das transatlantische Bündnis auch noch in kommenden Generationen Bestand haben werde, allerdings werde man das unausgewogene Verhältnis, welches Abhängigkeiten fördere, nicht länger tolerieren. Stattdessen will man die Europäer in die Lage versetzen, die Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen. Dazu fordert man u. a. höhere Verteidigungsausgaben.

Die Rede von Pete Hegseth war jedoch nicht das einzige, was am 12. Februar passiert ist. Am selben Tag telefonierten Trump und Putin miteinander. Themen waren laut Trump die Ukraine, der Nahe Osten, Energie, Künstliche Intelligenz usw. Beide stimmen darin überein, den Krieg in der Ukraine beenden zu wollen. Kleine Anmerkung meinerseits: Vielleicht sollte irgendjemand Putin mal sagen, dass er dies recht einfach und schnell befehlen könnte. Darüber hinaus wolle man sich gegenseitig besuchen und Vorbereitungen für Verhandlungen beginnen. Seitens der USA sollen an diesen Verhandlungen Außenminister Marco Rubio, CIA-Direktor John Ratcliffe, der Nationale Sicherheitsberater Michael Waltz sowie Botschafter und Sondergesandter Steve Witkoff teilnehmen. In seiner Zusammenfassung des Telefonats unterstrich Trump dann natürlich auch nochmal, dass der Krieg nie stattgefunden hätte, wäre er Präsident gewesen. Im Anschluss telefonierte Trump dann auch noch mit Volodymyr Zelenskyy. Auch dieses Telefonat sei positiv verlaufen und auch Selenskyj wünsche sich ebenfalls Frieden – no shit, Sherlock!

Zwei Tage später, am 14. Februar, hielt dann der Vizepräsident der USA, JD Vance, seine Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Erwartet wurde eine außen- und sicherheitspolitische Rede, in der u. a. der Abzug von US-Truppen aus Europa angekündigt wird. Doch es kam ganz anders. Vance hielt eine Rede, die man zweifelsohne als eine Art Kulturkampf-Rede bezeichnen kann. Laut Vance kommt die größte Gefahr für Europa nicht von außen, sondern von innen. Europa habe sich von den demokratischen Werten verabschiedet. Als Beispiele nannte er Vorfälle in Rumänien, Belgien, Deutschland, Schweden und Großbritannien. Und das aus dem Mund eines Mannes, der nur fünf Tage zuvor die Gewaltenteilung in den USA in Frage gestellt hat, als er auf X schrieb: „Richter dürfen die legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren” – da fehlen mir echt die Worte. Zur Ukraine oder NATO äußerte sich JD Vance hingegen nicht.

Spätestens nach dieser Rede brach unter den Europäern allmählich die Panik aus. Macron berief daraufhin einen Notfall-Gipfel in Paris ein. Dieser fand am 17. Februar im Elysée-Palast statt und dauerte knapp zwei Stunden. Teilgenommen haben acht Staats- und Regierungschefs, die EU-Kommissionspräsidentin und der NATO-Generalsekretär. Ziel war es, eine gemeinsame Haltung zu den US-Plänen zum Ende des Ukraine-Krieges zu finden. Im Ergebnis konnten sich die Europäer aber mal wieder auf nichts einigen. Es verblieb bei einem unverbindlichen Brainstorming. Insbesondere die Frage nach europäischen Friedenstruppen entzweit die Teilnehmer. Während Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Schweden und die Niederlande bereit wären, Friedenstruppen in die Ukraine zu schicken, zögerten Deutschland, Polen und Spanien.
Einen Tag später, am 18. Februar, fand dann das erste Treffen zwischen den Chefdiplomaten der USA und Russlands in Riad, Saudi-Arabien, statt. An den Gesprächen nahmen der US-Außenminister Marco Rubio, Sicherheitsberater Mike Waltz, der US-Sondergesandte Steve Witkoff sowie der russische Außenminister Sergej Lawrow und Juri Uschakow, außenpolitischer Berater von Präsident Putin, teil. Für wirtschaftliche Themen war auf russischer Seite Kirill Dmitrijew, Chef des staatlichen russischen Investitionsfonds, zuständig. Zentrale Themen der Gespräche waren die Ukraine sowie ein mögliches Treffen der Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin. Vorrangig ging es beiden Seiten zunächst darum, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen und eine Grundlage für weitere Verhandlungen über ein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine zu schaffen. In diesem Zusammenhang vereinbarten Rubio und Lawrow, dass die diplomatischen Vertretungen in den jeweiligen Ländern wieder besetzt werden sollen. Darüber hinaus wurde ein Treffen zwischen Trump und Putin ins Auge gefasst, jedoch konnte auch nach den Gesprächen in Riad noch kein konkreter Termin festgelegt werden. Zudem vereinbarten die Außenminister, dass Unterhändler beider Seiten in direkten Kontakt treten, um auf ein Ende des Ukraine-Krieges hinzuarbeiten. Laut Uschakow solle dieses Team auch eine engere bilaterale Zusammenarbeit sowie wirtschaftliche Kooperationen zwischen beiden Ländern fördern. Die Ukraine und die EU waren an den Gesprächen in Riad nicht beteiligt. Dennoch gibt es von beiden Seiten Signale, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt einbezogen werden könnten. Russland machte jedoch bereits vor dem Treffen deutlich, dass ein Abzug seiner Truppen aus besetzten Gebieten ausgeschlossen sei. Ebenso lehnt Moskau eine Absicherung einer möglichen Waffenruhe durch NATO-Truppen strikt ab. Allerdings sei Putin wohl bereit, europäische Friedenstruppen in der Ukraine zu akzeptieren, so Trump. Auch eine mögliche NATO-Mitgliedschaft der Ukraine war Thema. Während Russland diese schon immer entschieden ablehnt, stellen inzwischen auch die USA das Vorhaben in Frage, wie eingangs dargelegt. Der Kreml erklärte jedoch, dass die Ukraine grundsätzlich das „Recht” auf einen EU-Beitritt habe. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betonte jedoch, dass dies nicht mit Fragen der Sicherheit und militärischen Bündnisse gleichzusetzen sei.

Neben diesen fünf großen Ereignissen gibt es darüber hinaus noch zwei recht bedenkliche Entwicklungen. So denken die USA wohl tatsächlich über einen Abzug ihrer Truppen aus den baltischen Staaten, Polen und dem Kosovo nach. Damit würden die USA der russischen Forderung nach einer Rückabwicklung der NATO-Osterweiterung zumindest entgegenkommen. Und am 24. Februar stimmten die USA dann zusammen mit Russland, Belarus und weiteren problematischen Staaten in der Generalversammlung der Vereinten Nationen gegen eine Resolution, die den Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt und einen gerechten Frieden fordert. Während es selbst Staaten wie China und Iran es geschafft haben, sich zu enthalten.
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Bewertung
Was wir gerade erleben, könnte durchaus der Anfang vom Ende der liberalen Weltordnung sein. Dazu ein längeres Zitat von Dr. Georg Löfflmann von der Queen Mary University of London:
„Letzten Endes geht es Trump, Musk und Vance um eine strukturelle Veränderung der regelbasierten, liberalen Ordnung des internationalen Systems, das die USA nach dem 2. Weltkrieg wesentlich mitgeschaffen haben. An seine Stelle soll ein geopolitisches Gleichgewicht von zwei bis vier Großmächten bzw. transkontinentalen Blöcken treten (USA, Russland, China, eventuell noch Indien), die ihre gegenseitigen Einflusssphären respektieren und sich untereinander nicht in ihre inneren Angelegenheiten einmischen, inklusive der Kontrolle der Nachbarländer mit militärischen Mitteln. Die USA ziehen sich in diesem Szenario mehr oder weniger aus Europa zurück, um ihre strategischen Interessen im Pazifik zu wahren, aber auch hier werden Japan und Südkorea mehr und mehr für ihre eigene Sicherheit tun müssen und jeden verbliebenen Schutz durch Washington mit wirtschaftlichen Konzessionen erkaufen müssen. Wirtschaftliche und militärische Macht sind die einzigen entscheidenden Kriterien in dieser Weltordnung, nicht gemeinsame Werte, Normen oder internationales Recht. Die USA kehren damit außenpolitisch zu den nationalistischen und imperialistischen Traditionen eines Andrew Jackson oder William McKinley zurück, die für Trump Beispielcharakter haben. Für die Europäer bricht mit dieser strukturellen Transformation eine Welt zusammen, denn die Ablösung des liberalen Internationalismus mit einem realpolitischen Nationalismus trifft sie nicht nur dar, wo sie am schwächsten sind, – Geopolitik, militärische Macht und internationale Beziehungen als Konfrontation statt Kooperation -, Trump’s America First negiert die liberalen Werte auf denen Europa seit 1945/1989 aufgebaut ist.” – Dr. Georg Löfflmann
Ob es tatsächlich so kommt, bleibt abzuwarten. Aber die Unipolare Weltordnung mit den USA als Hegemon scheint sich tatsächlich dem Ende zuzuneigen, da die USA aktuell weder Willens noch die Mittel dazu haben, diese Rolle weiter auszuüben.
Womit wir zur Zukunft der transatlantischen Beziehungen kommen. Denn auch diese stehen auf dem Spiel, was den Druck auf die europäische Sicherheitsordnung nochmals deutlich erhöht. Klar ist mittlerweile, dass die USA von den Europäern fordern, die Verantwortung für die konventionelle Sicherheit auf dem Kontinent selbst zu übernehmen. Von burden sharing ist also längst nicht mehr die Rede. Burden shifting ist die Devise. Am Ende des Tages stehen womöglich nur noch die nukleare Schutzgarantie und ein paar strategische Fähigkeiten, sogenannte Enabler, bei denen die Europäer quasi vollständig blank sind. Und auch die Wirkung der nuklearen Schutzgarantie seitens der USA darf bezweifelt werden, wenn die Vereinigten Staaten gleichzeitig massiv Truppen aus Europa abziehen. Eine Proliferation von Nuklearwaffen in Europa erscheint denkbar. Sollten die USA den Europäern die Schutzgarantien ohne Koordinierung und Vorbereitungszeit entziehen, öffnet sich das Gelegenheitsfenster für Putin, seine imperialen Ambitionen in Europa durchzusetzen. Aktuell sind wir zu schwach, um Putin selbständig abschrecken, geschweige denn abwehren zu können. Das einzige, was uns retten kann, ist, in Windeseile unsere eigene militärische Stärke aufzubauen, während die Ukraine uns Zeit verschafft. Das Problem der Europäer ist dabei nicht das Können, sondern der fehlende politische Wille und der Faktor Zeit. Um militärisch von den USA unabhängig zu werden, müssten die Europäer zwischen 500 Milliarden und 3 Billionen Euro in den nächsten zehn Jahren in ihre Verteidigung investieren. Die genaue Summe wird derzeit unter Hochdruck versucht zu ermitteln. Das ist zweifelsohne viel Geld. Aber die Europäer wären in der Lage, diese Summen zu stemmen. Nur hinter dem dafür benötigten politischen Willen darf aktuell noch ein Fragezeichen gemacht werden. Da das benötigte Großgerät jedoch nicht einfach im Regal liegt und auf uns wartet, würde uns die militärische Unabhängigkeit von den USA nicht nur sehr viel Geld kosten, sondern auch rund 10 Jahre Zeit benötigen. Binnen der nächsten zehn Jahre sind wir also enorm verwundbar, insbesondere wenn Trump uns fallen lässt. Daher sollten die Europäer mit den USA einen Plan erarbeiten, der festlegt, bis wann die Europäer welche militärischen Fähigkeiten selbst stellen müssen. Somit könnten gefährliche Fähigkeitslücken in der europäischen Verteidigung vermieden werden.
Womit wir zur Ukraine kommen. Dank des Kurswechsels von Trump und der Entwicklung der letzten Tage und Wochen hat Putin endlich Augenhöhe mit den USA – etwas, nach dem er schon seit langem strebt. Die Verhandlungen zwischen den USA und Russland über die Köpfe der Ukrainer und Europäer hinweg erinnern dabei stark an die mit den Taliban – und wir alle wissen, wie glorreich dieses Kapitel zu Ende ging. Das Problem bei diesen Verhandlungen ist laut Sir Alex Younger, ehemaliger Chef des britischen Nachrichtendienstes MI6 von 2014 bis 2020, dass Trump und Putin über verschiedene Dinge reden. Trump denke, es gehe um Territorium. Putin geht es aber um die Souveränität der Ukraine und er wird erst aufhören, wenn die Ukraine kein eigenständiger Staat mehr ist. Laut Militärexperte Gustav Gressel gehe es Russland sogar darum, Europa zu beherrschen. Und die Vernichtung der Ukraine sei dafür eine Vorbedingung. Ausschlaggebend für den Erfolg der Verhandlungen ist aber letztendlich das Verhalten der beiden Kriegsparteien. Die ukrainische Bevölkerung lehnt die russischen Bedingungen weiterhin ab. Friedensverhandlungen sind jedoch nur erfolgreich, wenn sie von der Bevölkerung mitgetragen und durch westliche Garantien abgesichert werden. Andernfalls drohen innenpolitische Instabilität, ein wirtschaftlicher Exodus und eine langfristige Schwächung der Ukraine. Russland auf der anderen Seite könnte die Verhandlungen lediglich zum Schein aufnehmen, um Zeit zu gewinnen und den militärischen Druck aufrechtzuerhalten. Zeitgleich könnte die militärische Unterstützung der Ukraine seitens der Europäer schwinden, aus Angst, die Verhandlungen durch Waffenlieferungen zu gefährden. Sollte es jedoch tatsächlich zu einem Waffenstillstand oder Frieden kommen, steht noch die Absicherung dessen im Raum. Die meisten sicherheitspolitischen Experten sind sich diesbezüglich einig, dass ein Waffenstillstand ohne militärische Unterstützung und Sicherheitsgarantien seitens der USA nicht lange halten wird. Auch europäische Friedenstruppen in der Ukraine ohne Sicherheitsgarantien der USA (insb. nuklearer Schutzschirm) hätten kaum abschreckende Wirkung und wären nicht in der Lage, sich gegen Russland zu verteidigen. Es gilt zudem als äußerst unwahrscheinlich, dass Europa in so einem Szenario überhaupt Friedenstruppen schicken würde. Bevor wir zu dem kommen, was Europa jetzt tun sollte, ein Zitat von Gustav Gressel zu den Verhandlungen zwischen den USA und Russland:
„Das ist nicht der Durchbruch zum großen Frieden, das ist der Durchbruch zum großen Krieg. Jetzt ist es sicher, wirklich sicher, dass es kein auf die Ukraine begrenzter Krieg bleiben wird. Wir werden in den nächsten Jahren, wenn nicht Monaten, einen Großkrieg um Europa haben.” – Gustav Gressel
Was muss Europa machen?
Was muss Europa also machen, um einen großen Krieg auf dem Kontinent zu verhindern? An dieser Stelle möchte ich den Fünf-Punkte-Plan von den Sicherheitspolitik-Expertinnen und -Experten Claudia Major, Carlo Masala, Christian Mölling und Jana Puglierin vorstellen. Sie plädieren für ein Aktionsprogramm mit klarem Zeitplan und mit dem Ziel, die Ukraine zu stärken sowie die eigene Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit gegenüber Russland zu verbessern. Dazu sei Folgendes notwendig:
1. Stärkung der Ukraine: Europa muss der Ukraine ermöglichen, sich gegen Russland zu verteidigen und inakzeptable Verhandlungsvorschläge abzuwehren. Dies kann durch weitere Sanktionen, die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte (bis zu 40 Milliarden Euro) sowie eine langfristige Finanzierungszusage von 0,25 % des europäischen BIP für die Ukraine geschehen. Politisch sollte Europa die Souveränität der Ukraine als nicht verhandelbar betonen.
2. Grundzüge eines Waffenstillstands: Es braucht eine klare Definition der Waffenstillstandslinie, einer demilitarisierten Zone sowie regionaler Streitkräftebegrenzungen. Europa muss ein überzeugendes militärisches Paket schnüren, um von den USA strategische Unterstützung zu erhalten. Gleichzeitig sollte man sich auf russische Forderungen vorbereiten und festlegen, was für uns inakzeptabel ist.
3. Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit: Eine Selbstverpflichtung auf mindestens 3 % des BIP für Verteidigung würde ein klares Signal an Russland und die USA senden. Deutschland müsste eine verlässliche Finanzierung sicherstellen. Die EU-Kommission könnte nationale Bestrebungen durch Haushaltsausnahmen unterstützen, ähnlich wie in der Pandemie. Zudem sollten zusätzliche Finanzierungsmechanismen unter Beteiligung von Nicht-EU-Staaten wie Großbritannien und der Türkei geprüft werden.
4. Transformationsplan für Europas Verteidigung: Europa muss mit den USA verhandeln, wie und in welchem Zeitrahmen es die konventionelle Verteidigung in Europa eigenständig übernehmen kann. Dies würde den schrittweisen Abzug der US-Truppen ermöglichen, ohne strategische Risiken einzugehen. Die größte Herausforderung bleibt die nukleare Abschreckung, die derzeit nur durch die USA gesichert ist.
5. Klärung der europäischen Führungsrolle: Europa muss festlegen, wer innerhalb von EU und NATO dauerhaft welche sicherheitspolitische Verantwortung trägt. Nur mit klaren Zuständigkeiten kann Europa glaubhaft Entscheidungen über seine Verteidigung und den Einsatz von Militär treffen.
Fazit
„500 Mio. Europäer benötigen 340 Mio. Amerikaner, um sich gegen 140 Mio. Russen zu verteidigen, die es in 3 Jahren nicht geschafft haben, 35 Mio. Ukrainer zu besiegen.“ – Der Bertram
Ob wir gerade tatsächlich das Ende der liberalen Weltordnung erleben, bleibt abzuwarten. Sicher hingegen ist, dass wir gerade die Folgen eines massiven Versagens der Europäer miterleben. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verlassen sich die Europäer auf den Schutz durch die USA. Seit dem Ende des Kalten Krieges nochmals verstärkt. Alle Rufe seitens der USA, mehr Geld für Verteidigung auszugeben, haben wir gekonnt ignoriert. Und diese Rufe gibt es nicht erst seit der ersten Amtszeit von Donald Trump, sondern seit Jahrzehnten. Bereits während seiner ersten Amtszeit hat Trump den Ton gegenüber Europa verschärft und es gab sogar Befürchtungen, er würde aus der NATO austreten. Reaktion in Europa? Praktisch keine man hat einfach darauf gehofft, dass in vier Jahren wieder ein Demokrat ins Weiße Haus einzieht und dass dann alles wieder gut sei. Und so ist es dann mehr oder minder auch gekommen. Mit Joe Biden zog ein überzeugter Transatlantiker ins Weiße Haus ein und die Europäer verharrten weiter in ihrem sicherheitspolitischen Dornröschenschlaf. Auch als sich die Anzeichen verdichteten, dass Trump möglicherweise zurückkommen könnte, wurden keine Vorbereitungen getroffen. Wenn gleich Olaf Scholz behauptete, man wäre vorbereitet. Ja, ne, ist klar. Gleichzeitig erleben wir seit 2008 ein außenpolitisch zunehmend aggressiveres und feindliches Russland an unseren Grenzen. Putin marschierte 2008 in Georgien ein. In der Folge gab er eine massive Modernisierung der russischen Streitkräfte in Auftrag. 2014 dann die Annexion der Krim und der Konflikt in der Ostukraine. Und schließlich der traurige Höhepunkt am 24. Februar 2022, als Russland seinen großangelegten Angriffskrieg gegen die Ukraine begann. All diese Weckrufe wurden ignoriert. Es wurden keine Vorbereitungen getroffen. Die Europäer haben weiter gepennt. Um es ganz klar zu sagen: Die einzigen, die an dieser Situation Schuld haben, sind wir Europäer. Kein Europäer braucht über die bösen Amerikaner zu schimpfen. Sie haben uns lange genug höflich aufgefordert, mehr zu tun. Es hat alles nichts genützt. Nun macht Trump das, was schon lange im Gespräch war und auf kurz oder lang sowieso passiert wäre. Nur halt früher und auf die harte Tour. Aber wie heißt es so schön: „Wer nicht hören will, muss fühlen!” In meinen Augen muss die Lehre aus den vergangenen Tagen und Wochen sein, dass wir uns niemals wieder militärisch von jemandem abhängig machen dürfen. Die Europäer müssen in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen. Deutschland muss in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen. Die gute Nachricht ist: Wir sind zehnmal reicher als Russland und können die erforderlichen Streitkräfte aufbauen, um uns gegen Russland zu verteidigen. Nur wir müssen damit jetzt endlich anfangen. Und es wird nicht von heute auf morgen gehen. Womit wir zur schlechten Nachricht kommen: Krieg in Europa ist durch die Entwicklungen der letzten Tage und Wochen wahrscheinlicher geworden. Insbesondere in den nächsten zehn Jahren, wo wir am verwundbarsten sind. Und es gibt noch eine schlechte Nachricht. Je nach Ausgang des Krieges und der Verhandlungen könnte die fatale Botschaft lauten: „Angriffskrieg lohnt sich, wenn man nur lang genug durchhält”. Dies würde zwischenstaatliche Konflikte auf der ganzen Welt wieder wahrscheinlicher machen.
Die Lage ist also ernst und wir sollten uns auf den Worst-Case vorbereiten. Dies wäre das Ende der liberalen Weltordnung. Das würde Europa und insbesondere Deutschland sehr, sehr schwer treffen. Denn kaum ein Land hat sich so gut auf unsere aktuelle Weltordnung eingerichtet wie Deutschland. Freihandel, internationale Organisationen und das Völkerrecht sind des Deutschen bester Freund. Mit harter Machtpolitik, die militärische und wirtschaftliche Stärke voraussetzt, tun wir uns hingegen sehr schwer. Europa muss jetzt sehr schnell wieder Machtpolitik lernen und ausüben, oder unser Kontinent rutscht in die komplette Bedeutungslosigkeit ab!