Die Flugabwehrfregatten der Sachsen-Klasse erreichen Mitte der 2030er Jahre ihr Nutzungsdauerende. Ihnen nachfolgen sollen bis zu sechs Luftverteidigungsfregatten der Klasse 127, auch Next Generation Frigate genannt. Die F127 soll ein weltweit einsetzbares Kriegsschiff zum Schutz von Einsatzverbänden oder Operationsräumen gegen das gesamte Spektrum von Bedrohungen aus der Luft sein. Zusammen mit den U-Jagd-Fregatten der Klasse 126 sollen sie den Kern von Hochseekampfgruppen für die Nordflanke und den weltweiten Einsatz bilden. Ziel ist die dauerhafte Einsatzbereitschaft je einer dieser Fregatten in zwei Einsatzverbänden. Daraus errechnet sich der Bedarf der Marine, nämlich sechs Einheiten. So steht es auch im Zielbild Marine 2035+. Allerdings ist im jüngst veröffentlichten Rüstungsbericht nur noch die Rede von fünf Einheiten. Wörtlich heißt es dort: „Auf Basis der NATO-Fähigkeitsziele besteht ein konzeptioneller Bedarf von fünf Einheiten“ (BMVg). Hier bleibt es also abzuwarten, ob fünf oder sechs Einheiten beschafft werden. Möglicherweise wird auch bei diesem Vorhaben wieder mit einer Losoption gearbeitet, wie das auch bei der F126 der Fall war. So könnten zunächst nur fünf Fregatten fest beauftragt werden, mit einer Option auf eine weitere. Die neuen Flugabwehrfregatten sollen neben der Verbandsflugabwehr und dem Gebietsschutz auch zur Abwehr ballistischer und hypersonischer Bedrohungen in der unteren Abfangschicht befähigt sein. Darüber hinaus soll die F127 auch über Fähigkeiten zur weitreichenden und präzisen Bekämpfung von Landzielen verfügen. Im NATO-Jargon wird dies als „Precision Strike Capability“ bezeichnet. Und natürlich werden die neuen Fregatten auch See- und Unterwasserziele bekämpfen können. Aktuell befindet sich das Vorhaben in der sogenannten Analysephase, Teil 2. In dieser werden verschiedene Untersuchungen mit der MTG Marinetechnik GmbH durchgeführt. Diese betreffen u. a. Life Cycle Cost-Betrachtung, System-Architektur, Anforderungs- bzw. Systemmodellierung, Schock- und Verwundbarkeitsmodellierung sowie eine Marktsichtung zu verfügbaren und geeigneten nationalen Schiffsentwürfen. Zudem erfolgt eine „Aegis-Integration-Study“ mit US-Partnern für die spätere Plattform-Integration. Die Auswahlentscheidung durch den Generalinspekteur soll im ersten Quartal 2025 erfolgen. Die eigentliche Beschaffung soll dann in der zweiten Hälfte des Jahres 2026 beschlossen werden. Mit dem Zulauf der ersten Einheit wird 2033/2034 gerechnet, gerade rechtzeitig für den bruchfreien Erhalt der Fähigkeit zur maritimen Luftverteidigung und Verbandsflugabwehr im Weitbereich. Allerdings gibt es da ein großes Problem. Das Vorhaben ist aktuell nicht mit Haushaltsmitteln hinterlegt. Weder im Einzelplan 14 noch im Sondervermögen Bundeswehr. Experten schätzen das Kostenvolumen auf bis zu 15 Milliarden Euro. Um den Zeitplan dennoch einhalten und finanzielle Verpflichtungen eingehen zu können, hofft die Marine, nächstes Jahr eine Anschubfinanzierung im mittleren dreistelligen Millionenbereich zu erhalten. Dies würde es ermöglichen, wichtige Entwicklungsschritte voranzutreiben und Systeme mit langen Lieferzeiten frühzeitig zu beschaffen. Dadurch könnte das Vorhaben „Fregatte 127“ nach der Auftragsvergabe zügig umgesetzt werden. Zudem würde dieses Vorgehen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die notwendige Folgefinanzierung erfolgt. Schließlich könnte die Politik durch diese Maßnahme ihre Unterstützung für das Vorhaben verdeutlichen – ein entscheidender Schritt, insbesondere falls das Vorhaben in Zusammenarbeit mit anderen Staaten realisiert werden soll. Hier bieten sich vor allem zwei Staaten als Kooperationspartner an. Norwegen und Dänemark. Norwegen will seine vier Fregatten der Fridtjof-Nansen-Klasse Mitte des nächsten Jahrzehnts durch fünf bis sechs neue Fregatten ersetzen. Allerdings will man neue U-Jagd-Fregatten beschaffen, die zwar auch zur Luftverteidigung dienen sollen, aber eben nicht im Schwerpunkt. Ob man diese beiden Anforderungsprofile sinnvoll zusammenführen kann, bleibt abzuwarten. Dänemark wiederum plant den vorzeitigen Ersatz der Fregatten der Iver-Huitfeldt-Klasse, durch neue Flugabwehrfregatten. Hier würde eine Kooperation schon deutlich mehr Sinn ergeben. Solch eine Kooperation hätte mehrere Vorteile. So könnten die Kosten für Beschaffung, Wartung und zukünftige Modernisierungen durch eine Economy of Scale gesenkt werden. Darüber hinaus würde eine Kooperation auch zu einer Verbesserung der Interoperabilität zwischen der Deutschen Marine und dem Kooperationspartner führen. Auch eine gemeinsame Beschaffung oder Lizenzproduktion von US-Systemen wie der SM-6 oder dem AN/SPY-Radar wäre denkbar. Sollte es Deutschland gelingen, weitere Partner zu finden. Stellt sich nur die Frage, auf welchem Schiffsentwurf die zukünftigen Fregatten realisiert werden sollen. Entschieden wurde bereits, dass man auf einen nationalen Schiffsentwurf zugreifen möchte. Und da jüngst tkMS und NVL eine Zusammenarbeitsvereinbarung für das Vorhaben „Fregatte 127“ unterzeichnet haben, steht es so gut wie fest, dass die F127 auf dem MEKO-A400 AMD-Entwurf von tkMS basieren wird.
MEKO-A400 AMD
Gut informierten Kreisen zufolge weist der MEKO-A400-AMD-Entwurf bereits eine sehr hohe Übereinstimmung mit den Forderungen der Marien auf. Wie der Name schon erahnen lässt, basiert der Entwurf auf dem MEKO-Design-Prinzip und ist modular aufgebaut, um individuell an die Bedürfnisse des Kunden angepasst werden zu können. AMD steht dabei für Air and Missile Defence. Die MEKO-A400 AMD ist 160 Meter lang, 21 Meter breit und hat einen Tiefgang von 5,5 Metern. Die Einsatzverdrängung wird mit rund 10 000 Tonnen angegeben. Die Besatzung besteht aus circa 150 Personen, darüber hinaus können bis zu 70 weitere eingeschifft werden. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 31 Knoten, die Seedauer mit mindestens 30 Tagen und die Reichweite mit 4000 nautischen Meilen angegeben.
Als Radar wird aktuell das AN/SPY6(v)1 Multifunktionsradar von RTX favorisiert. Alternativ wird auch das AN/SPY7 Multifunktionsradar von Lockheed Martin betrachtet. Die Entscheidung hängt wohl vor allem davon ab, ob die USA verlangen, dass Deutschland einen Teil der Entwicklungskosten des AN/SPY6(v)1 trägt oder nicht. Das AN/SPY6(v)1 würde für die Deutsche Marine allerdings den Vorteil mit sich bringen, mit der U. S. Navy kompatibel zu sein. Darüber hinaus soll die F127 auch über eine Towed-Array-Sonar-Suite für die U-Jagd verfügen.
Als Führungs- und Waffeneinsatzsystem, kurz FüWES, ist das Aegis Combat System gesetzt. Dieses soll vor allem für die Luft- und Seeziel-Bekämpfung genutzt werden. Aufgrund von Bedenken wegen der ITAR-Regeln und Blackboxen im AEGIS-System ist es geplant, noch ein weiteres FüWES in die F127 zu integrieren. Als Favorit gilt das CMS 330 von Lockheed Martin Canada, welches nicht den ITAR-Regeln unterliegt, eine offene Systemarchitektur aufweist und sich vermutlich leichter an das AEGIS-System anbinden lässt als andere CMS, da es ebenfalls aus dem Hause Lockheed Martin stammt. Ein weiterer Grund für das CMS 330 ist, dass Deutschland versucht, Kanada in die deutsch-norwegische Marinekooperation einzubinden, insbesondere hinsichtlich der U-Boote vom Typ 212 Common Design. Denn Kanada plant bis zu 12 konventionelle U-Boote als Ersatz für die vier U-Boote der Victoria-Klasse zu beschaffen. Alternativ werden wohl auch das Tacticos von Thales, welches auf den Fregatten der Klasse 126 verwendet wird, und das 9VL, welches auf den Fregatten der Klasse 123 eingebaut werden soll, betrachtet. Allerdings dürften die beiden letztgenannten unwahrscheinlich sein, da US-Stellen Gerüchten zufolge einer Verknüpfung von AEGIS mit einem europäischen Führungs- und Waffeneinsatzsystem skeptisch gegenüberstehen. Der Auswahl des FüWES kommt hierbei eine sehr hohe Bedeutung zu, da die Marine plant, das FüWES der F127 als zukünftigen Standard für alle Schiffsklassen zu nutzen. Damit soll der Wildwuchs unter den Führungs- und Waffeneinsatzsystemen beendet werden, wovon sich die Marine Synergieeffekte bei Logistik und Ausbildung erhofft. Mittlerweile soll es eine zweistellige Anzahl an FüWES in der Marine geben.
Als Hauptbewaffnung sind zwei MK41-Strike-VLS-Starter mit insgesamt 64 Zellen geplant, die in der Lage sein werden, verschiedene Lenkflugkörper zu verschießen. Eine „fitted for but not with“-Lösung für weitere VLS-Zellen wird leider nicht mehr verfolgt. Zur Flugabwehr auf mittlere Entfernungen wird sehr wahrscheinlich auf die ESSM Block 2 zurückgegriffen, welche ab 2025 für die Fregatten der Klasse 124 und 126 zulaufen sollen. Diese können gequadpackt werden, das bedeutet, pro VLS-Zelle können vier ESSM mitgeführt werden. Zur Flugabwehr im Weitbereich sollen zwei Lenkflugkörper zum Einsatz kommen. Zum einen die SM-2 Block IIIC und zum anderen die SM-6. Letztere ist auch in der Lage, ballistische Flugkörper abzuwehren. Die Beschaffung des SM-3-Lenkflugkörpers ist wohl aktuell nicht geplant, allerdings wird die F127 in der Lage sein, die SM-3 bei Bedarf einzusetzen. Stattdessen ist die Integration von HYDIS oder HYDEF geplant. HYDIS steht für HYpersonic Defence Interceptor Study und HYDEF steht ebenfalls für Hypersonic Defence Interceptor. Bei beiden Vorhaben handelt es sich um Studien zur Entwicklung eines Hyperschallabwehrflugkörpers. Ob diese jemals Realität werden und in das MK 41 VLS-System integriert werden können, bleibt allerdings noch abzuwarten. Des Weiteren sollen die VLS-Zellen auch noch zum Verschuss von Tomahawk-Marschflugkörpern zur Bekämpfung von Landzielen genutzt werden. Zur Bekämpfung von Überwasserzielen soll die F127 mit acht bis 16 Seezielflugkörpern des Typs Super Sonic Strike Missile, kurz 3SM, Tyrfing bewaffnet werden. Diese werden aktuell von Deutschland und Norwegen entwickelt und sollen die Naval Strike Missile langfristig ersetzen. Für den Nächstbereichsschutz sind zwei Mk49-Starter für die RIM-116 RAM Block 2 geplant, so wie das bei der Deutschen Marine üblich ist. Möglicherweise wird einer dieser Starter in Zukunft durch einen Hochenergielaser ersetzt. An Rohrwaffen sind ein Schiffsgeschütz und zwei Marineleichtgeschütze vorgesehen. Als Schiffsgeschütz wird aktuell wohl das Mk45 von BAE Systems favorisiert. Dies hat drei Gründe. Zum einen ist das Mk45 bereits in AEGIS integriert, zweitens weist das Mk45 bessere Flugabwehreigenschaften auf und drittens scheint es Probleme mit dem 127/64 Lightweight Schiffsgeschütz von Leonardo zu geben. Als Marineleichtgeschütz wird wohl das Mk38 von MSI favorisiert. Das Mk38 verfügt über eine 30 mm Maschinenkanone und ein 12,7 mm Maschinengewehr und ist bereits für Aegis in der Abwehr von Luftzielen qualifiziert. Auch für die Modernisierung der Fregatten der Klasse 123 wurde ein MSI-Geschützt gewählt. Jedoch steht die Entscheidung über die Nachfolge des Marineleichtgeschützes noch aus. Darüber hinaus ist geplant, die F127 auch mit einem weitreichenden Waffensystem zur U-Jagd auszustatten. Also wahrscheinlich so eine Art Anti-U-Boot-Rakete wie die VL-ASROC. Etwas, was die Deutsche Marine sich schon seit Langem wünscht. Zu guter Letzt sollen wohl noch vier bis sechs SeaSpyder-Systeme in die F127 integriert werden. Dabei handelt es sich um einen Anti-Torpedo-Torpedo, also um einen Torpedo, der in der Lage ist, andere Torpedos abzuwehren. Abgesehen von der gerade genannten Sensorik und Bewaffnung soll die F127 auch noch über verschiedene Bordeinsatzkomponenten verfügen. Neben ein bis zwei Bordhubschraubern des Typs NH90 MRFH Sea Tiger sollen die Fregatten auch noch in der Lage sein, eine ungenannte Stückzahl von kleinen bis mittleren Unmanned Aerial Vehicles mitzuführen. Auch Einsatzboote und/oder Unmanned Surface Vessels bis zwölf Meter Länge sollen mitgeführt werden können. Sowie kleinere Unmanned Underwater Vehicles.
Mein Videobeitrag zur Thematik:
Fazit
Die Deutsche Marine wird mit der F127 erstmals seit den Fregatten der Sachsen-Klasse wieder kampfstarke Kriegsschiffe erhalten, die auf die hochintensive dreidimensionale Seekriegsführung ausgelegt sind. Nun gilt es, die Planungen schnellstmöglich fertigzustellen und den Auftrag zu vergeben, damit die neuen Einheiten zeitgerecht zulaufen können. Den Aufgrund der verschlafenen Modernisierung der F124 und der zum Teil nicht mehr nachbeschaffbaren Munition für diese droht der Deutschen Marine eine dramatische Fähigkeitslücke. Diese gilt es im Angesicht der russischen Bedrohung unbedingt zu verhindern. Aufgrund des Bedarfs an kampfstarken Kriegsschiffen und dem Rotationsfaktor drei hoffe ich, dass man langfristig sechs statt nur fünf F127 beschafft. Auch die Krise im Roten Meer zeigt, dass die Deutsche Marine dringend mehr kampfstarke Einheiten benötigt. Darüber hinaus zeigt die Krise im Roten Meer allerdings noch eine weitere Sache, und zwar, wie wichtig Magazintiefe ist. Folglich unverständlich finde ich die Entscheidung gegen eine „fitted for but not with“-Lösung für weitere VLS-Zellen. In meinen Augen sollte man die F127 eher mit 96 bis 128 VLS-Zellen ausstatten oder zumindest mit der Option, diese später nachzurüsten. Klar, all diese VLS-Zellen bringen nichts, wenn nicht genügend Lenkflugkörper vorhanden sind. Deren Beschaffung würde weitere Milliarden verschlingen, die die Bundesregierung aktuell nicht finden kann oder will. Die Beschaffung von sechs Flugabwehrfregatten plus ausreichend Munition würde sicherlich mit 15 bis 20 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Aktuell, wie gesagt, nicht finanzierbar. Das Stichwort hier lautet mal wieder dauerhafte Erhöhung des regulären Verteidigungshaushaltes auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes.