Die Pioniertruppe gehört zu den Kampfunterstützungstruppen des Heeres und umfasst rund 6.200 aktive Soldaten. Im Rahmen der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung durchlaufen auch die Pioniere strukturelle und materielle Veränderungen.
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Auftrag
Die Pioniere erfüllen traditionell vier zentrale Aufgabenbereiche, die unterschiedliche Fähigkeiten und Spezialisierungen erfordern:
- Schaffen von Einsatzvoraussetzungen: Dieser Aufgabenbereich umfasst vielfältige, komplexe Bau- und Unterstützungsmaßnahmen. Dazu gehören der Bau von Infrastruktur, temporären Außenposten oder Versorgungseinrichtungen sowie die Verbesserung der Verkehrs- und Unterbringungslösungen, oft unter Einbeziehung multinationaler Kräfte oder ziviler Partner.
- Fördern von Bewegungen: Dieser Bereich umfasst das Überwinden von Sperren, Hindernissen und Gewässern, insbesondere das Räumen von Minensperren, die Abwehr improvisierter Sprengvorrichtungen sowie die Instandhaltung von Infrastruktur wie Verkehrswegen.
- Hemmen von Bewegungen: Mit der Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung hat dieser Bereich wieder an Bedeutung gewonnen. Er umfasst Maßnahmen wie den großflächigen Einsatz von Minensperren, die Schaffung nicht letaler Sperren (z. B. durch Bauwerke oder Baumsperren) sowie das gezielte Blockieren von Wegen durch Sprengungen.
- Erhöhung der Überlebensfähigkeit: Hierzu zählen Schutzmaßnahmen für Personal, Material und Infrastruktur, z. B. durch Bau und Reparatur von Feldbefestigungen, Unterkünften oder Gefechtsständen.
Organisation
Die Pioniertruppe des Heeres besteht aktuell aus sechs aktiven Bataillonen, einem teilaktiven Bataillon, einem nicht-aktiven Bataillon und vier selbständigen Kompanien. Die 1. Panzerdivision verfügt aktuell über insgesamt vier Bataillone. Das teilaktive schwere Pionierbataillon 901 auf Divisionsebene. Das Deutsch-Britische Pionierbrückenbataillon 130 als Teil der Panzerlehrbrigade 9. Das Panzerpionierbataillon 1 als Teil der Panzerbrigade 21 und das Panzerpionierbataillon 803 als Teil der Panzergrenadierbrigade 41. Die 10. Panzerdivision verfügt ebenfalls über insgesamt vier Bataillone, hinzu kommt eine selbständige Panzerpionierkompanie. Auf Divisionsebene befinden sich das Panzerpionierbataillon 4 und das nicht-aktive Pionierbataillon 905. Der Panzerbrigade 12 untersteht das Panzerpionierbataillon 8, der Panzergrenadierbrigade 37 das Panzerpionierbataillon 701 und die Deutsch-Französische Brigade verfügt über eine selbständige Panzerpionierkompanie. Bei der Division Schnelle Kräfte finden sich insgesamt drei selbständige Pionierkompanien wieder. Die Gebirgspionierkompanie 23 als Teil der Gebirgsjägerbrigade 23 und die beiden Luftlandepionierkompanien 260 und 270 als Teil der Luftlandebrigade 1.
Die Panzerpionierbataillone verfügen grundsätzlich über je zwei Panzerpionierkompanien und eine Pioniermaschinenkompanie. Die Panzerpionierkompanien bestehen aus einem Panzerpionierzug, einem Pioniermaschinenzug, einem Kampfmittelabwehrzug leicht/mittel und einem schweren Kampfmittelabwehrzug. Der Kampfmittelabwehrzug leicht/mittel besteht aus drei Kampfmittelabwehrtrupps mit Spähwagen Fennek und drei Gruppen mit TPz Fuchs. Der schwere Kampfmittelabwehrzug verfügt über eine Kampfmittelaufklärungsgruppe, zwei Kampfmittelabwehrgruppen, zwei Minenräumpanzer Keiler und ein Route-Clearance-System. Insgesamt verfügt so eine Panzerpionierkompanie über rund 60 Fahrzeuge – 25 verschiedener Typen. Die beiden Luftlandepionierkompanien 260 und 270 der Luftlandebrigade 1 verfügen über je zwei leichte Pionierzüge, einen Pioniermaschinenzug und einen leichten Kampfmittelabwehrzug mit vier Trupps.
Das Zielbild Einsatzkräfte Heer sieht insgesamt neun aktive Pionierbataillone und vier selbständige Pionierkompanien vor. Sechs Bataillone in den mittleren und schweren Brigaden, zwei auf Divisionsebene als Teil der 1. und 10. Panzerdivision und das Deutsch-Britische Pionierbrückenbataillon 130 auf Korpsebene. Damit werden alle deutschen Brückenkapazitäten, bestehend aus zwei Kompanien mit Schwimmschnellbrücke Amphibie M3 und einer Kompanie Faltschwimmbrücke, auf Korpsebene gebündelt. Bei den beiden Bataillonen auf Divisionsebene soll es sich um schwere Pionierbataillone handeln. Aufgrund des Mangels an Personal und Material müssen für diese Struktur die sechs Pionierbataillone auf Brigadeebene geschwächt werden. So sollen die Panzerpionierkompanien der Kampfbrigaden künftig über zwei aktive und einen gekaderten Panzerpionierzug, einen Pioniermaschinenzug und eine ungenannte Anzahl leichter Kampfmittelabwehrgruppen verfügen. Bedeutet die Kampfbrigaden werden auf die Bereitstellung von Pionierfähigkeiten durch die Divisionsebene angewiesen sein. Die neu aufzustellende Panzerbrigade 45, die Gebirgsjägerbrigade 23, die Luftlandebrigade 1 und das Fallschirmjägerregiment 1 werden jeweils über eine selbständige Pionierkompanie verfügen. Um diese Struktur zu erreichen, müssen also noch einige neue Truppenteile aufgestellt werden. Von einem quantitativen Aufwuchs ist aber wie gesagt nicht auszugehen, da lediglich bestehende Kästchen hin- und hergeschoben werden, insbesondere von Brigade- auf Divisions- und Korpsebene.
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Ausrüstung
Die Pioniertruppe verfügt über einen sehr umfangreichen Bestand an unterschiedlichen Fahrzeugen und sonstigen Ausrüstungsgegenständen, weshalb ich mich hier auf die Hauptwaffensysteme beschränken werde. Das sind laut der Bundeswehr Pionierpanzer, Schwimmschnellbrücken, Brückenlegepanzer, Minenräumpanzer, Minenverlegesysteme, Transportpanzer und Führungs- und Erkundungsfahrzeuge.
Aktuell verfügt die Truppe noch über rund 50 Pionierpanzer 2 Dachs. Diese erreichen jedoch 2030 ihr Nutzungsdauerende und werden deshalb durch 44 Pionierpanzer 3 Kodiak ersetzt. Ein entsprechender Vertrag wurde im Mai 2021 zwischen dem BAAINBw und der Rheinmetall Landsysteme GmbH geschlossen. Der Auftragswert beläuft sich auf 295 Millionen Euro, finanziert aus dem regulären Verteidigungshaushalt. Die Auslieferung soll im Zeitraum von 2023 bis 2029 erfolgen. Ob und wie viele Kodiak bereits ausgeliefert wurden, konnte ich jedoch leider nicht in Erfahrung bringen. Fraglich ist zudem, ob 44 Pionierpanzer tatsächlich den Bedarf der Bundeswehr decken.

Im Bereich der Schwimmschnellbrücken verfügt die Bundeswehr noch über 30 Amphibien M3 in zwei Schwimmbrückenkompanien. Auch dieses System erreicht 2030 das Ende seiner Nutzungsdauer und soll durch ein Nachfolgesystem ersetzt werden. Das Vorhaben läuft unter dem Namen „Zukünftiges Schwimmbrückensystem“ und soll ab 2030 zulaufen. Die Funktionale Fähigkeitsforderung steht vor der Genehmigung. Kernforderungen sind die Erhöhung der Tragfähigkeit auf MLC 100 und insgesamt 600 Meter Länge an Brückengerät und 160 Meter für die Ausbildung/Erprobung. Die Beschaffung könnte möglicherweise in Kooperation mit Großbritannien erfolgen.

Vor dem Krieg in der Ukraine verfügte die Bundeswehr noch über rund 30 Brückenlegepanzer Biber. Mittlerweile wurden laut Bundesregierung 27 an die Ukraine geliefert. Allerdings weiß ich leider nicht, ob alle aus Bundeswehrbeständen gekommen sind oder auch Industriebestände dabei waren. Ersetzt wird der Biber bei der Bundeswehr durch den GFB Leguan. Mindestens sieben Stück wurden bereits an die Truppe ausgeliefert. Weitere 24 Systeme wurden im August 2021 für 330 Millionen Euro bei Krauss-Maffei-Wegmann, heute KNDS Deutschland, bestellt. Die Auslieferung soll im Zeitraum von 2023 bis 2028 erfolgen. Wie viele Brückenlegepanzer vom zweiten Los bereits ausgeliefert wurden, ist leider nicht öffentlich bekannt. Neben dem GFB Leguan soll allerdings noch ein weiterer Brückenlegepanzer beschafft werden. Dieses Vorhaben läuft unter dem Namen „Brückensystem Rad“. Dieses soll auf dem GTK Boxer basieren und die Aufgaben des GFB Leguan in den Brigaden Mittlere Kräfte übernehmen. Auch wenn die Zeit drängt, ist die Finanzierung des Vorhabens bisher noch offen. Kosten- und Zeitplan sind folglich noch nicht bekannt. Mögliche Kandidaten für das Vorhaben sind das Leguan-Brückensystem von KNDS Deutschland und das Cobra-Brückensystem von Rheinmetall. Der Bedarf wird auf eine mittlere zweistellige Stückzahl geschätzt.

Für die Minenkriegsführung nutzt das Heer aktuell den Minenräumpanzer Keiler und das Minenverlegesystem 85. Vom Minenräumpanzer Keiler befinden sich noch 24 Stück in Nutzung, welche 2030 ebenfalls ihr Nutzungsdauerende erreichen. Der Bedarf des Heeres nach einem neuen Minenräumsystem wurde anerkannt und eine „Funktionale Fähigkeitsforderung“ erstellt. Mögliche Kandidaten für die Nachfolge des Keilers sind der Keiler Next Generation von Rheinmetall und ein neuer Minenräumpanzer der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft auf Basis des WiSENT 2. Aber auch bei diesem Vorhaben ist die Finanzierung aktuell noch offen. Im Rahmen der Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung wurden unter anderem auch die alten Minenverlegesysteme 85 teilweise reaktiviert. Mittlerweile müsste die Truppe über 23 dieser Systeme in zwei Minenverlegezügen verfügen. Auch hier ist die Beschaffung eines Nachfolgesystems geplant. Das zukünftige Sperrsystem soll laut Planung der Bundeswehr bereits ab 2028 zulaufen. Bisher ist aber auch hier die Finanzierung nicht gesichert.

Als Führungs-, Transport- und Einsatzfahrzeug für die meisten Pioniergruppen kommt aktuell noch der TPz Fuchs zum Einsatz. Zunehmend auch die neueste Variante Fuchs 1A8 A4. Das Problem: Diese Version ist aufgrund der verbesserten Panzerung nicht mehr schwimmfähig. Was in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr kein Problem darstellte, wird nun eins auf Grund der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Unter anderem deshalb fordert die Pioniertruppe, genauso wie die Heeresaufklärungstruppe, dass der Fuchs-Nachfolger wieder über eine Schwimmfähigkeit verfügt. Das Vorhaben läuft unter dem Titel „Transportpanzer Neue Generation“. Als Favorit gilt hier der Patria 6 × 6. Der Bedarf wird auf rund 1.000 Fahrzeuge geschätzt, natürlich insgesamt und nicht nur für die Pioniertruppe. Bisher ist allerdings auch die Finanzierung dieses Vorhabens nicht gesichert. Wenn ihr mehr zum Transportpanzer Neue Generation erfahren wollt, schaut euch gerne mal mein Video zu der Thematik an. Ich verlinke euch das auf dem I und in der Videobeschreibung.

Zur Aufklärung und Erkundung werden insgesamt 24 Führungs- und Erkundungsfahrzeuge vom Typ Fennek verwendet. Auch dieses Waffensystem erreicht 2028 sein Nutzungsdauerende. Bei der Heeresaufklärungstruppe soll der Fennek durch den Korsak ersetzt werden. Auch dazu habe ich schon ein Video gemacht. Ebenfalls auf dem I und in der Videobeschreibung verlinkt. Wodurch der Fennek bei der Pioniertruppe ersetzt werden soll, ist nicht bekannt. Eventuell kommt hier auch eine Nutzungsdauerverlängerung in Frage.

Neben diesen Hauptwaffensystemen kommen auch zunehmend unbemannte Systeme bei den Pionieren zum Einsatz. Beispielsweise die Sonobot 5 Überwasserdrohne für Vermessungs- und Suchoperationen beim Deutsch-Britischen Pionierbrückenbataillon 130. Oder der ferngesteuerte Manipulator tEODor und das ferngesteuerte Detektionssystem auf Basis Wiesel 1 zur Kampfmittelabwehr. Zukünftig ist sogar der Einsatz unbemannter Brückenlege- und Minenräumpanzer sowie Sperrsysteme angedacht. KNDS hat als ferngesteuerte Version des GFB Leguan bereits den Leguan RC präsentiert. Und laut Rheinmetall könnte auch der Keiler Next Generation dahingehend angepasst werden.
Fazit
Wie wichtig ausreichende Pionierfähigkeiten sind, konnte man insbesondere während der ukrainischen Gegenoffensive im Jahr 2023 beobachten. Diese ist nämlich insbesondere deshalb gescheitert, weil die ukrainischen Streitkräfte eben über nicht genügend Pionierfähigkeiten verfügten, um die gut befestigten russischen Stellungen zu durchbrechen. Auch die Europäer haben hier durchaus eine Fähigkeitslücke, die es schleunigst zu schließen gilt. Und hier kann sich Deutschland leider nicht ausnehmen. Während der letzten Jahrzehnte waren Pionierfähigkeiten, insbesondere solche, die man für die Landes- und Bündnisverteidigung benötigt, schlichtweg keine Priorität. Die Stückzahlen wurden reduziert und das Material veraltete. In fast allen gerade vorgestellten Kategorien müssen die Altsysteme bis Ende des Jahrzehnts durch Nachfolgesysteme ersetzt werden. Bisher wurden jedoch nur 44 neue Pionierpanzer und 31 neue Brückenlegepanzer bestellt. Zwar sind neue Schwimmbrückensysteme, Minenräumpanzer, Minenverlegesysteme usw. in Planung. Aber die Finanzierung ist bei keinem dieser Vorhaben gesichert. Das Stichwort hier lautet mal wieder: dauerhafte Erhöhung des regulären Verteidigungshaushaltes auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes.