Seit Oktober 2023 steht fest, dass die Bundeswehr als Ersatz für die fünf an die Ukraine abgegebenen MARS II fünf neue PULS-Mehrfachraketenwerfer erhalten wird. Am 18. Dezember 2024 hat dann auch der Haushaltsausschuss des Bundestages der Beschaffung endlich zugestimmt. Darüber hinaus steht mittlerweile fest, dass die Beschaffung von PULS nicht nur den Ersatz für die MARS II, sondern auch den Einstieg in das Vorhaben „Zukünftiges System Indirektes Feuer große Reichweite” bedeutet.
Zukünftiges System Indirektes Feuer große Reichweite
Das Zukünftiges System Indirektes Feuer große Reichweite soll die aktuell in Nutzung befindlichen MARS II-Mehrfachraketenwerfer langfristig ersetzen. Es soll in der Lage sein, gegen alle Zielarten und Kategorien auf Entfernungen von mindestens 300 km zu wirken. Darüber hinaus soll es sowohl der direkten Feuerunterstützung als auch dem Kampf mit Feuer dienen und mit verschiedenen Raketen- und Flugkörpersystemen bewaffnet werden können.
Mit der Entscheidung vom 18. Dezember 2024 steht nun fest, dass das zukünftige Raketenartilleriesystem der Bundeswehr auf dem israelischen PULS basieren wird. Der Bedarf der Bundeswehr liegt laut Hartpunkt bei rund 50 Systemen. Zunächst wurde aber wie gesagt nur der Beschaffung von fünf Systemen als Ersatz für die fünf an die Ukraine abgegebenen MARS II zugestimmt. Auch wenn bisher noch kein Vertrag unterzeichnet wurde, stehen die Hauptauftragnehmer schon fest. Dabei handelt es sich um den israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems und um KNDS Deutschland. Die Kosten für das Beschaffungsvorhaben belaufen sich auf 65 Millionen Euro, finanziert über den regulären Verteidigungshaushalt und das Sondervermögen der Bundeswehr. Die Beschaffung erfolgt dabei über eine Option im Vertrag zwischen der niederländischen und der israelischen Regierung. Denn auch die Niederlande haben sich für das PULS-System entschieden und der abgeschlossene Vertrag sieht wohl eine Option für Bündnispartner vor, ebenfalls über diesen zu bestellen. Die Auslieferung der ersten Systeme soll noch dieses Jahr beginnen. Allerdings werden die neuen Raketenartilleriesysteme nicht der Truppe als solche zur Verfügung stehen, sondern vorerst nur für den Ausbildungsbetrieb genutzt werden. Mittelfristig soll das PULS-System auf Korpsebene in einem Korpsartilleriebataillon zum Einsatz kommen. Dieses Korpsartilleriebataillon soll über insgesamt 36 Raketenartilleriesysteme verfügen, aufgeteilt auf drei schießende Batterien mit je 12 Raketenartilleriesystemen. Bei der dritten Batterie wird es sich jedoch um eine nichtaktive Einheit handeln. Die verbleibenden 35 MARS II-Werfer werden hingegen auf Divisionsebene zum Einsatz kommen. Insgesamt sind zwei Divisionsartilleriebataillone geplant. Jeweils eins für die 1. und 10. Panzerdivision. Jedes der beiden Divisionsartilleriebataillone wird über vier schießende Batterien verfügen. Die erste Batterie soll über 16 MARS II verfügen. Die zweite und dritte Batterie über jeweils neun Rohrartilleriesysteme. Und die vierte nichtaktive Batterie soll über vier Geschützzüge verfügen, drei Züge mit je drei Rohrartilleriesystemen und ein Zug mit vier MARS II. Langfristig soll PULS aber, wie gesagt, den MARS II vollständig ersetzen. Folglich dürfte der tatsächliche Gesamtbedarf bei 76 Systemen liegen.
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Von den fünf PULS-Systemen werden die ersten zwei weitgehend dem israelischen Konfigurationsstand entsprechen, die restlichen drei Systeme werden bereits über deutsche Führungs- und Kommunikationsmittel verfügen. Im Anschluss sollen auch die ersten beiden Systeme auf den sogenannten Euro-PULS-Rüststand nachgerüstet werden. Neben den fünf PULS-Systemen sind in den 65 Millionen Euro noch Folgendes enthalten: die Anpassentwicklung, die Integration der deutschen Führungs- und Kommunikationsmittel D-LBO sowie ADLER III und ein In-Service-Support. Die Führungs- und Kommunikationsmittel sowie die Fahrzeuge, auf denen die PULS-Werfer montiert werden sollen, werden von der Bundeswehr bereitgestellt. Sind also nicht Teil des Vertrages. Auch fehlt ein Munitionspaket. Die Munition soll separat noch dieses Jahr beschafft werden. Zunächst ist die Beschaffung von Artillerie- und Übungsraketen mit einer Reichweite von bis zu 150 Kilometern geplant. Nächstes Jahr ist dann die Beschaffung weiterer Wirkmittel geplant. Dabei soll es sich um Sperrraketen und Artillerieraketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern handeln. Darüber hinaus ist die Beschaffung von Raketen oder Lenkflugkörpersystemen mit einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern und Loitering-Munition vorgesehen. Bei der Beschaffung der Munition dürfte sehr wahrscheinlich Diehl Defence beteiligt sein. Da Diehl Defence und Elbit Systems im September 2024 extra dafür eine Kooperation vereinbart haben.
Das PULS-System
PULS steht für Precise and Universal Launching System und ist ein modernes Raketenartilleriesystem, hergestellt vom israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems. Das Werfersystem kann auf bestehenden Ketten- und Radfahrzeugen integriert werden, was zu einer Reduzierung der Wartungs- und Ausbildungskosten führen soll. Die PULS-Systeme der Bundeswehr sollen laut Hartpunkt übrigens auf dem IVECO Trakker 8 × 8 basieren. Damit wäre es sowohl im A400M als auch in den neuen C-130J-Transportmaschinen der Luftwaffe transportierbar. Die zwei Raketenstartbehälter des PULS-Systems können mit verschiedenen Waffensystemen bestückt werden. Die Accular-122-mm-Rakete verfügt über eine Reichweite von bis zu 35 km und einen 20-kg-Gefechtskopf. Jeder Raketenstartbehälter kann 18 dieser Raketen mitführen, insgesamt also 36. Die Accular-160-mm-Rakete verfügt über eine Reichweite von 40 km. Dafür können jedoch nur zweimal zehn Raketen mitgeführt werden. Die Extra-Rakete spielt mit einer Reichweite von bis zu 150 km und einem 120 kg schweren Gefechtskopf schon in einer anderen Liga. Als Gefechtskopf stehen eine Unitary-Spreng-Splitter-Variante und eine Penetrator-Variante zur Verfügung. Jeder Raketenstartbehälter kann vier dieser Raketen mit sich führen. Die Predator-Hawk-Rakete verfügt über eine Reichweite von bis zu 300 km und einen 140 kg schweren Gefechtskopf. PULS kann maximal vier dieser Raketen mitführen. Darüber hinaus ist auch der Verschuss von Loitering-Munition , bspw. SkyStriker von Elbit Systems, möglich.
Nutzer des Systems sind aktuell Israel, Dänemark, die Niederlande, Spanien und Serbien. Darüber hinaus haben auch Schweden, Norwegen, Italien und Griechenland Interesse an PULS bekundet.
Die Bundeswehr wird aber wie gesagt nicht das reine israelische PULS-System erhalten, sondern den sogenannten Euro-PULS. Dieser wurde von KNDS Deutschland und Elbit System speziell als Nachfolgesystem für MARS II entwickelt. Im Gegensatz zum israelischen Rüststand verfügt der Euro-PULS über die deutschen Führungs- und Kommunikationsmittel D-LBO sowie ADLER III und kann auch noch deutlich mehr Waffensysteme verschießen. Neben den gerade vorgestellten israelischen Raketen soll Euro-PULS auch deutsche Raketen wie die AT-2 beziehungsweise deren Nachfolger-Rakete verschießen können. Darüber hinaus soll Euro-PULS auch in der Lage sein, Lenkflugkörper zu verschießen. Beispielsweise die in Entwicklung befindliche Joint Fire Support Missile von MBDA Deutschland, die Naval Strike Missile von Kongsberg oder die RBS15 von Saab. Ob und welcher dieser Lenkflugkörper tatsächlich in Euro-PULS integriert und beschafft wird, bleibt jedoch noch abzuwarten. Und dann sind da natürlich noch die GMLRS-Raketen aus den USA, welche die Bundeswehr aktuell bereits für ihre MARS-II-Systeme nutzt. Die Frage, ob PULS diese Raketen verschießen könnte oder eher gesagt dürfte, war einer der Hauptgründe für die Verzögerungen bei der Beschaffung von PULS. Dabei war die Hürde hier wohl nicht technischer, sondern juristischer Natur. Da man sich nun jedoch für die Beschaffung von PULS entschieden hat, kann man davon ausgehen, dass die USA grünes Licht gegeben haben und Euro-PULS somit auch GMLRS-Raketen verschießen darf.
PULS vs. HIMARS vs. GMARS
Der Vollständigkeit halber möchte ich hier noch die Gründe nennen, warum sich das Verteidigungsministerium für PULS und nicht etwa für HIMARS oder GMARS entschieden hat. Gegenüber dem HIMARS-System hat PULS zwei entscheidende Vorteile: Feuerkraft und Interoperabilität. Während HIMARS nur über einen Raketenstartbehälter verfügt, verfügt PULS über zwei. „Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass zum Erlangen der gleichen Feuerkraft die doppelte Menge an HIMARS beschafft werden müsste.“ so das Verteidigungsministerium. Der Punkt Interoperabilität mag zunächst verwundern, schließlich wird auch HIMARS von mehreren NATO-Staaten verwendet. Ausschlaggebend war hier aber die tiefe Integration der niederländischen Landstreitkräfte in das Deutsche Heer und die damit einhergehende Notwendigkeit der Interoperabilität mit den Niederlanden.
Und die Beschaffung von GMARS ist verworfen worden, da sich das System noch in Entwicklung befindet und nicht marktverfügbar ist.
Fazit
Zwei Jahre nachdem man der Ukraine fünf MARS-II-Systeme aus den Beständen der Bundeswehr geliefert hat, wurde endlich eine Nachbeschaffung in Auftrag gegeben. Viel zu langsam, aber immerhin. Mit PULS erhält die Bundeswehr nun ein modernes Raketenartilleriesystem, welches den Anforderungen der Truppe entspricht, marktverfügbar ist und die Interoperabilität mit vielen unserer wichtigsten Verbündeten gewährleistet. Der einzige Kritikpunkt hier ist mal wieder die Masse. Fünf Stück? Echt jetzt? Das versteht die Bundesregierung unter Zeitenwende? Diese Stückzahlen sind einfach nur noch lächerlich. Die von der Bundeswehr geforderten 50 Systeme sollten das absolute Minimum sein. Hoffentlich wird hier bald noch ordentlich nachgeordert. Aber dafür fehlt aktuell wohl das nötige Kleingeld. Das Stichwort hier lautet mal wieder „dauerhafte Erhöhung des regulären Verteidigungshaushaltes auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes“.