Die Verteidigung Finnlands basiert auf dem „Comprehensive Security Concept“, einem Kooperationsmodell, das sowohl die Zivilbevölkerung als auch die Wirtschaft mit einbezieht. In diesem Rahmen hat Finnland einen landesweiten Plan für die wirtschaftliche und militärische Mobilisierung entwickelt, der die gesamte Gesellschaft umfasst und dadurch eine hohe Widerstandsfähigkeit gewährleistet.
Die finnischen Streitkräfte verfügen in Friedenszeiten über eine Stärke von 23.000 aktiven Soldaten, darunter 16.000 im Heer, 4.000 bei der Marine und 3.000 in der Luftwaffe. Aus einem Pool von 870.000 Reservisten können im Falle einer Mobilisierung 280.000 Soldaten bereitgestellt werden. Die Wehrpflicht bleibt unverändert bestehen und gilt für Männer mit einer Dauer von sechs bis zwölf Monaten. Jährlich werden etwa 70 % eines Jahrgangs einberufen, was rund 21.000 Wehrdienstleistenden entspricht. Zusätzlich werden 18.000 Reservisten in einem Zyklus von drei bis fünf Jahren regelmäßig weitergebildet. Im Bedarfsfall kann der Grenzschutz, der in Friedenszeiten eine Stärke von 23.000 Mann aufweist, den Streitkräften unterstellt werden. Im Folgenden werfen wir einen detaillierten Blick auf die drei Teilstreitkräfte und den dazugehörigen Rüstungsprojekten.
Heer
Die Kommandostruktur des finnischen Heeres gliedert sich in drei Kommandos – West, Nord und Ost – sowie in zwölf Provinzen. Die Truppenorganisation umfasst zwei mechanisierte Brigaden, drei Jägerbrigaden und zwei Jägerregimenter. Der Bestand an Großgerät umfasst 239 Leopard 2 A6/A4 sowie 5.368 weitere gepanzerte Gefechtsfahrzeuge verschiedener Typen. Mit insgesamt 1.500 Artilleriesystemen, darunter 700 Haubitzen, 700 Mörsern und 100 Raketenwerfern, verfügt Finnland über die stärkste Artillerie in Westeuropa, die eine größere Feuerkraft aufweist als die von Deutschland, Norwegen und Schweden zusammen. Um diesen beeindruckenden Bestand an Großgerät auf dem neuesten Stand zu halten, realisiert das finnische Heer aktuell mehrere große Rüstungsprojekte. So läuft aktuell beispielsweise die Beschaffung von 131 Patria 6×6 Transportpanzern. 12 Stück wurden bereits an die Streitkräfte ausgeliefert, die restlichen sollen in den nächsten Jahren folgen. Darüber hinaus beinhaltet der Vertrag eine Option auf 30 weitere Fahrzeuge, insgesamt also maximal 161. Der Gesamtauftragswert beläuft sich auf 208 Millionen Euro. Der Patria 6×6 soll bis 2060 im Dienste der finnischen Streitkräfte bleiben. Übrigens interessiert sich auch die Bundeswehr für den Patria 6×6 als Nachfolger für den TPz Fuchs.
Neben dem Patria 6×6 erhält das finnische Heer auch noch das GTP 4×4 Mehrzweckfahrzeuge. Die Beschaffung erfolgt dabei in Kooperation mit Schweden. Insgesamt haben beide Staaten zusammen 260 Fahrzeuge bestellt. Wie viele davon für Finnland vorgesehen sind, ist nicht bekannt. Finnland verfügt darüber hinaus bereits über 40 dieser Mehrzweckfahrzeuge, aufgrund einer vorangegangenen Bestellung.
Womit wir zur Artillerie kommen, einer der Stärken des finnischen Heeres. Aktuell läuft die Beschaffung von 96 K9 Thunder Panzerhaubitzen aus Südkorea. Das erste Los von 48 K9 müsste bereits ausgeliefert sein. Die restlichen 48 Panzerhaubitzen sollen in den nächsten Jahren folgen. Die Kosten für die Beschaffung belaufen sich auf rund 300 Millionen Euro.
Auch in die Raketenartillerie wird fleißig investiert. So werden die 41 M270A1 Mehrfachraketenwerfer aktuell für 450 Millionen Euro auf den A2-Stand modernisiert. Ergänzt wird diese Modernisierung durch die Beschaffung von 150 M30A1 GMLRS Raketen und 25 M30A2 Extended Range GMLRS Raketen für insgesamt rund 600 Millionen US-Dollar.
Die Pioniere erhalten sechs weitere Brückenlegepanzer vom Typ Leopard 2L, das L steht dabei für Leguan. Es handelt sich also um das deutsche Leguan-System, welches ebenfalls vom deutschen Heer genutzt wird. Die Kosten belaufen sich auf 23,6 Millionen Euro und die Auslieferung soll im Zeitraum von 2026 bis 2028 erfolgen. Nach Auslieferung der sechs Brückenlegepanzer wird das finnische Heer über insgesamt 12 Leopard 2L verfügen.
Zur Verbesserung der Flugabwehrfähigkeiten im Nächstbereichs läuft die Beschaffung von zwei unterschiedlichen MANPAD-Systemen. Zum einen wurde eine unbekannte Stückzahl an RBS-70 bei Saab für 76,6 Millionen Euro bestellt. Zum anderen ist die Beschaffung von 350 FIM-92 K Stinger MANPADS für 380 Millionen US-Dollar geplant. Auch die Panzerabwehrfähigkeiten sollen verbessert werden. Deshalb läuft die Beschaffung von Panzerabwehrlenkflugkörper des Typs Spike in den Varianten SR, LR2 und ER2 im Wert von 223,6 Millionen Euro.
Luftwaffe
Die finnische Luftwaffe besteht aus drei taktischen Luftwaffengeschwadern mit insgesamt 55 Mehrzweckkampfflugzeugen vom Typ F/A-18C Hornet, zwei taktischen Transportflugzeugen vom Typ Casa C-295 und einer Casa C-295 für die Elektronische Kampfführung. Die 55 F/A-18C Hornet werden ab 2026 durch 64 F-35A Lightning II ersetzt. Die Kosten für dieses Beschaffungsvorhaben belaufen sich auf knapp 8,4 Milliarden Euro. Bis 2030 sollen alle 64 F-35A an die Luftwaffe ausgeliefert werden. Zur Bewaffnung der neuen Mehrzweckkampfflugzeuge ist die Beschaffung einer ganzen Reihe neuer Lenkflugkörper und Bomben geplant. Für die präzise Wirkung auf große Distanzen wird eine unbekannte Stückzahl von Marschflugkörpern des Typs AGM-158B JASSM-ER bei Lockheed Martin beschafft. Laut der Meldung der Defense Security Cooperation Agency der USA plant Finnland die Beschaffung von bis zu 200 dieser hochmodernen Abstandswaffen. Darüber hinaus ist auch die Beschaffung von bis zu 100 hochpräzisen Gleitbomben des Typs AGM-154 JSOW geplant. Die Kosten werden auf 323,3 Millionen US-Dollar geschätzt. Zur Bekämpfung von feindlichen Luftverteidigungssystemen ist die Beschaffung von bis zu 150 AGM-88G AARGM-ER Anti-Radar-Raketen geplant. Die Kosten werden auf 500 Millionen US-Dollar geschätzt. Für die Bekämpfung von Luftzielen ist die Beschaffung von rund 200 AIM 9X Block II Luft-Luft-Lenkflugkörpern kurzer Reichweite geplant.
Zur Modernisierung der bodengebundenen Luftverteidigung wurde eine ungenannte Anzahl von David Sling Flugabwehrsystemen bestellt. Der Vertrag hat einen Wert von 316 Millionen Euro und beinhaltet darüber hinaus weitere Optionen im Wert von rund 216 Millionen Euro. Bei David Sling handelt es sich um ein Flugabwehrsystem großer Reichweite, welches in der Lage ist, Drohnen, Flugzeuge und Raketen sowie Marschflugkörper und ballistische Raketen zu bekämpfen. Die maximale Kampfentfernung wird auf 250 bis 300 km geschätzt.
Marine
Die finnischen Seestreitkräfte bestehen aus der Flotte sowie Einheiten der Küstenartillerie und Marineinfanterie. Das Rückgrat der Flotte bilden acht Flugkörperschnellboote, fünf Minenleger und 16 Minenräumboote. Aufgrund der strategischen Besonderheiten der finnischen Schärenküste ist die Flotte primär für den Einsatz in Küstennähe konzipiert und nicht für Gefechte auf hoher See vorgesehen.
Das größte Rüstungsprojekt der finnischen Marine ist die Beschaffung von vier Korvetten der Pohjanmaa-Klasse. Diese sollen vier Flugkörperschnellboote der Rauma-Klasse, zwei Minenleger der Hämeenmaa-Klasse und den bereits außer Dienst gestellten Minenleger FNS Pohjanmaa ersetzen. Gebaut werden die neuen Korvetten von Rauma Marine Constructions (RMC) Ltd. Der Zulauf ist ab 2029 geplant. Die Kosten belaufen sich auf rund 1,2 Milliarden Euro. Die Bewaffnung der Korvetten umfasst Seezielflugkörper vom Typ Gabriel, Flugabwehrraketen mittlerer Reichweite vom Typ Evolved SEASPARROW Missiles, U-Jagd-Torpedos und Seeminen. Darüber hinaus werden die Korvetten noch über ein 57 mm-Schiffsgeschütz, fernbedienbare Waffenstationen und Täuschkörperwerfer verfügen.
Für die Marineinfanterie wurden weitere 17 Landungsboote der Jurmo-Klasse bei Marine AluTech bestellt. Die Kosten belaufen sich auf 25,5 Millionen Euro. Nach Auslieferung dieser Boote wird die finnische Marine über insgesamt 55 Landungsboote der Jurmo-Klasse verfügen.
Fazit
Der Beitritt Finnlands zur NATO ist definitiv ein Gewinn für das Verteidigungsbündnis und ein herber Rückschlag für Wladimir Putin. Insbesondere das Reservesystem der finnischen Streitkräfte, welches diese in kürzester Zeit auf bis zu 280.000 Mann anwachsen lassen kann, ist äußerst beeindruckend und bietet, denke ich, einige Punkte, die auch wir uns in Deutschland abschauen könnten. Dazu kommt noch, dass diese Strukturen auch noch mit Material hinterlegt sind – davon kann die Bundeswehr aktuell nur träumen.