Zeitenwende in Schweden – die Zukunft der schwedischen Streitkräfte

Zeitenwende in Schweden - die Zukunft der schwedischen Streitkräfte
Copyright Saab AB

Die schwedischen Streitkräfte bestehen aktuell aus rund 15 000 aktiven Soldaten, zzgl. Wehrpflichtigen, Heimwehr und zivilen Beschäftigten. Der Verteidigungsumfang der Streitkräfte liegt derzeit bei ca. 60 000 Soldaten. In Zukunft soll dieser auf 90 000 Soldaten erhöht werden. Um dies zu erreichen, will man ab 2025 jedes Jahr 8 000 Wehrpflichtige einberufen. Gliedern tun sich die schwedischen Streitkräfte in Heer, Luftwaffe, Marine und Heimwehr.

Heer

Wir beginnen mit dem Heer. Dieses verfügt aktuell über lediglich zwei Kampfbrigaden. Zukünftig sollen es eine Division mit drei mechanisierten und einer motorisierten Brigade werden sowie ein separates mechanisiertes Bataillon auf der Insel Gotland. Die Division soll über ein Führungs- und zwei Divisionsartilleriebataillone als Divisionstruppen verfügen. Die drei mechanisierten Brigaden verfügen insgesamt über zwei Panzerbataillone, sechs mechanisierte Bataillone und weitere Unterstützungskräfte. Bei der motorisierten Brigade wird es sich um eine reduzierte Brigade mit drei Infanteriebataillonen handeln, die vor allem Stockholm verteidigen sollen. Die mechanisierte Gotland-Battlegroup wird über zwei Kampftruppenbataillone und weitere Unterstützungskräfte wie Artillerie und Flugabwehr verfügen. Für diesen Aufwuchs bedarf es natürlich auch neuer Ausrüstung, und so kommen wir zu den Rüstungsprojekten des schwedischen Heeres.

Aktuell verfügt das Heer noch über 110 Leopard 2, die als Stridsvagn 122 bezeichnet werden. Davon sollen 44 Stück von Krauss-Maffei Wegmann für rund 300 Millionen Euro modernisiert werden. Nach abgeschlossener Modernisierung werden diese Kampfpanzer dann als Stridsvagn 123A bezeichnet. In den 2030er Jahren sollen allerdings alle aktuell in Nutzung befindlichen Leopard 2 ersetzt werden. Ein möglicher Kandidat dafür ist der Leopard 2 A8, welcher unter anderem auch von der Bundeswehr beschafft wird.

Die mechanisierten Bataillone sind aktuell mit verschiedenen Versionen des CV90 Schützenpanzer ausgestattet. Insgesamt sind aktuell noch rund 500 Stück im Bestand des Heeres, nachdem Schweden 51 CV90 an die Ukraine abgegeben hat. Als Ersatz wurde eine unbekannte Anzahl an CV9035 MkIIIC bei BAE Systems bestellt. Allerdings sollen auch die CV90 in den 2030er Jahren durch ein Nachfolgesystem ersetzt werden.

Für die motorisierten Bataillone läuft aktuell die Beschaffung von über 300 Patria 6×6 Transportpanzern. 20 Stück wurden bereits an die Streitkräfte ausgeliefert, weitere 321 sind bestellt. Die Kosten belaufen sich auf rund 500 Millionen Euro und die Auslieferung soll im Zeitraum von 2025 bis 2030 erfolgen.

Für schwieriges Gelände werden aktuell weitere BvS10 Überschneefahrzeuge beschafft. Über 150 Stück wurden von BAE Systems Hägglunds bereits an das schwedische Heer ausgeliefert. Weitere 127 Stück sind bestellt. Die Kosten für dieses Vorhaben belaufen sich auf 166 Millionen Euro.

Neben dem BvS10 beschafft Schweden allerdings noch einen weiteren Typ von Überschneefahrzeugen. Und zwar den BV410. Insgesamt 436 Stück wurden bei BAE Systems Hägglunds bestellt. Die Kosten für dieses Vorhaben belaufen sich auf rund 690 Millionen Euro.

Für die Artilleriebataillone auf Divisions- und Brigadeebene sollen weitere 48 Radhaubitzen des Typs Archer beschafft werden. Der Vertrag mit BAE Systems hat ein Volumen von 468 Millionen Euro. Zusammen mit den 26 aktuell in Nutzung befindlichen Systemen wird das Heer künftig über insgesamt 74 Radhaubitzen verfügen. Eine Beschaffung von Raketenartilleriesystemen ist hingegen nicht geplant.

Dafür investiert man allerdings massiv in Panzermörser. Über 40 Panzermörser auf Basis des CV90 wurden bereits an die Streitkräfte ausgeliefert. Weitere 40 Stück sind bestellt. Deren Auslieferung soll bis 2025 abgeschlossen sein. Damit würde das Heer künftig über insgesamt 80 Panzermörser verfügen. Eine durchaus beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass das deutsche Heer nur ca. 100 Panzermörser beschaffen will, aber über die doppelte Anzahl an Brigaden verfügt.

Zu guter Letzt erhält das Heer noch 25 Schwimmschnellbrücken vom Typ Amphibie M3. Deren Auslieferung läuft seit diesem Jahr und soll bis 2027 abgeschlossen sein.

Mein Videobeitrag zur Thematik:

Luftwaffe

Bei der schwedischen Luftwaffe stehen vor allem die Kontrolle des eigenen Luftraums und die Abwehr feindlicher Luftstreitkräfte im Fokus. Um diese Aufgaben auch zukünftig erfüllen zu können, soll die Luftwaffe künftig aus vier Air Wings und einem Helicopter Wing bestehen. Die vier Air Wings werden über insgesamt sechs taktische Luftwaffengeschwader, einen Transportgeschwader und einen Spezialgeschwader verfügen. Der Helicopterwing wird über vier Hubschraubergeschwader verfügen. Davon sind zwei Geschwader für Landoperationen, ein Geschwader für Marineoperationen und ein Geschwader für die Unterstützung von Spezialkräften vorgesehen.

Die sechs taktischen Luftwaffengeschwader werden über insgesamt rund 140 Kampfflugzeuge verfügen. Zwei Geschwader werden mit den älteren JAS 39 Gripen C/D ausgestattet. Vier mit den aktuell im Zulauf befindlichen JAS 39 Gripen E. Die 71 JAS 39 Gripen C/D werden aktuell einem Mid-Life-Update unterzogen. Der Auftrag mit einem Wert von 317.6 Millionen Euro ging an Saab.

Die Auslieferung der moderneren JAS 39 Gripen E läuft seit 2021. Insgesamt 60 dieser Kampfflugzeuge wurden bestellt. Darüber hinaus gibt es eine Option auf 10 weitere. Um die Effektivität der schwedischen Kampfflugzeugflotte zu verbessern, ist unter anderem die Beschaffung neuer Luft-Luft- und Luft-Boden-Lenkflugkörper sowie Aufklärungspods geplant.

Als Ersatz für die beiden AWACS-Flugzeuge vom Typ S100 wurden zwei GlobalEye-AWACS bestellt. Die Kosten belaufen sich auf 650 Millionen Euro und die Auslieferung soll bis 2027 erfolgen. Der Bedarf der schwedischen Luftwaffe liegt im Übrigen bei vier AWACS-Flugzeugen.

Als Ersatz für das aktuell in Nutzung befindliche taktische Transportflugzeug vom Typ KC-130H beteiligt sich Schweden am PESCO-Projekt Future Medium-Size Tactical Cargo. Dieses soll ab 2040 die bestehenden Flotten an C-130 und CN-235 ablösen. Neben Schweden beteiligen sich auch Deutschland und Frankreich an diesem Projekt.

Als Ersatz für die veralteten Trainingsflugzeuge vom Typ Saab 105 läuft die Beschaffung von insgesamt zehn Grob G120TP. Sieben Stück wurden vom Hersteller Grob Aircraft SE bereits an die schwedische Luftwaffe ausgeliefert.

Kommen wir zu den Drehflüglern. Aktuell verfügt die Luftwaffe bereits über 15 UH-60M Black Hawk. Weitere 12 Stück sollen als Ersatz für den NH90 beschafft werden. Die Beschaffung würde über das Foreign-Military-Sales-Verfahren der USA erfolgen und rund 900 Millionen US-Dollar kosten.

Darüber hinaus will man bis 2035 weitere neun Marinehubschrauber beschaffen. Ebenfalls um die aktuell in Nutzung befindlichen NH90 zu ersetzen. Der Hauptgrund für die vorzeitige Außerdienststellung des NH90 ist übrigens die niedrige Einsatzbereitschaft des Hubschraubermusters.

Zu guter Letzt ist noch die Beschaffung von bis zu 250 AIM-120C-8 AMRAAM geplant. Dabei handelt es sich um Luft-Luft-Lenkflugkörper mittlerer Reichweite. Auch diese Beschaffung würde über das Foreign-Military-Sales-Verfahren der USA erfolgen und rund 550 Millionen US-Dollar kosten.

JAS 39 Gripen E / Copyright: Saab AB

Marine

Der Fokus der schwedischen Marine liegt und wird auch in Zukunft auf der Ostsee liegen. Dazu soll die Marine zukünftig wie folgt strukturiert werden: Zwei Korvettengeschwader, zwei Minensuchgeschwader, eine Minentauchereinheit, ein U-Boot-Geschwader, zwei Amphibische Bataillone und zwei Logistikbataillone.

Die beiden Korvettengeschwader werden künftig über insgesamt neun Korvetten verfügen, fünf Korvetten der Visby-Klasse und vier der Luleå-Klasse. Die fünf Korvetten der Visby-Klasse werden aktuell einem Mid-Life-Update unterzogen. Im Rahmen dessen erhalten die Korvetten neue Seezielflugkörper und U-Jagd-Torpedos sowie Flugabwehrraketen vom Typ Sea Ceptor. Dank des Mid-Life-Updates soll die Nutzungsdauer der Visby-Klasse bis 2040 verlängert werden.

Ergänzt wird die Visby-Klasse zukünftig durch vier Korvetten der Luleå-Klasse. Diese sollen im Zeitraum von 2030 bis 2035 ausgeliefert werden. Abgesehen davon, dass die neuen Korvetten rund 100 Meter lang und vor allem der Luftverteidigung dienen sollen, ist bisher noch nicht sonderlich viel über die neue Klasse bekannt.

Womit wir zur schwedischen U-Boot-Flotte kommen. Diese besteht aktuell aus fünf U-Booten. Zwei veraltete U-Boote der Södermanland-Klasse und drei jüngst erst modernisierte U-Boote der Gotland-Klasse. Die beiden U-Boote der Södermanland-Klasse sollen ab 2030 durch zwei neue U-Boote der Blekinge-Klasse ersetzt werden. Die Kosten für dieses Vorhaben belaufen sich auf 1,4 Milliarden Euro.

Ab 2038 müssen dann aber auch die U-Boote der Gotland-Klasse ersetzt werden. Dazu ist die Beschaffung von mindestens drei, eher vier neuen U-Booten geplant. Das Vorhaben läuft aktuell unter dem Titel Submarine 30. Diese U-Boote sollen etwas kleiner sein als die Boote der Blekinge-Klasse, dafür aber mehr Bewaffnung mitführen.

Visby-Klasse / Copyright: Saab AB / YPS Peter Neumann

Heimwehr

Die Heimwehr besteht aktuell aus 22.000 Soldaten. Zukünftig sollen es mindestens 25 000 Soldaten werden, organisiert in 40 Heimatschutzbataillonen. Um die Ausstattung der Heimwehr zu verbessern, ist unter anderem die Beschaffung neuer Fahrzeuge und Nachtsichtgeräte geplant. Andere nennenswerte, größere Beschaffungsvorhaben im Bereich der Heimwehr konnte ich jedoch nicht finden.

Fazit

Der Beitritt Schwedens zur NATO stellt einen großen Gewinn für das Verteidigungsbündnis dar. Der in Zukunft mit dem gerade vorgestellten Modernisierungsprogramm der Streitkräfte nur noch größer werden dürfte. Besonders beeindruckend finde ich die schwedischen Streitkräfte im Vergleich zur Bundeswehr. Schweden hat rund 10,5 Millionen Einwohner und ein Bruttoinlandsprodukt von ca. 600 Millionen US-Dollar. Deutschland hat achtmal so viele Einwohner und das BIP beträgt fast das Siebenfache. Dennoch wird das schwedische Heer zukünftig über halb so viele Brigade verfügen wie das Deutsche. Die schwedische Luftwaffe wird über eine Kampfflugzeugflotte verfügen, die nur rund ein Drittel kleiner sein wird als die Deutsche. Und auch die schwedische Marine muss sich, zumindest auf die Ostsee bezogen, nicht vor der Deutschen verstecken. Und dann ist da noch die Heimwehr mit bald 40 Heimatschutzbataillonen. Deutschland verfügt über ganze sieben Heimatschutzregimenter. Warum dieser Vergleich? Weil er deutlich macht, dass Deutschland seiner Bevölkerungs- und wirtschaftlichen Größe nicht ansatzweise gerecht wird.

Total
0
Shares
Related Posts
Total
0
Share