Als Ersatz für die seit 1981 im Dienst befindlichen Sea Lynx Mk88A erhält die Deutsche Marine 31 neue Bordhubschrauber des Typs NH90 MRFH Sea Tiger. In diesem Beitrag erfahrt ihr alle relevanten Informationen zum Beschaffungsvorhaben als solchem und den technischen Daten des zukünftigen Bordhubschraubers der Marine.
Das Beschaffungsvorhaben
Die Entscheidung für den NH90 als neuen Bordhubschrauber der Deutschen Marine fiel bereits im August 2019. Im Jahr 2021 stimmte dann auch der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages der Beschaffung von 31 NH90 MRFH Sea Tiger für 2,7 Milliarden Euro zu. Auftragnehmer ist NHIndustries, ein Joint Venture von Airbus Helicopters, Leonardo und GKN Fokker. Die Stückzahl entspricht im Übrigen auch dem Bedarf der Marine. Pro Fregatte sollen zwei Bordhubschrauber beschafft werden, wodurch sich bei 15 geplanten Fregatten plus einem Hubschrauber für Testzwecke ein Gesamtbedarf von 31 Sea Tigern ergibt. Die 2,7 Milliarden Euro werden aus dem regulären Verteidigungshaushalt finanziert. Allerdings sind die Kosten mittlerweile laut dem 18. Rüstungsbericht um 6 % oder 155 Millionen Euro gestiegen. Folglich beträgt das Kostenvolumen mittlerweile 2,85 Milliarden Euro.
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Am 30. November 2023 fand dann der Erstflug des neuen Bordhubschraubers statt. Und im November dieses Jahres soll die erste Serienmaschine an die Marine ausgeliefert werden. Der 31. und letzte Hubschrauber soll im April 2030 ausgeliefert werden. Pro Jahr sollen sechs bis sieben NH90 MRFH Sea Tiger an die Deutsche Marine geliefert werden. Ginge es nach der Marine, hätte sie die ersten Hubschrauber bereits Ende 2023 erhalten, um einen nahtlosen Übergang vom Altsystem auf das Neusystem zu gewährleisten. Denn der Sea Lynx erreicht dieses Jahr eigentlich sein Nutzungsdauerende. Aktuell sieht es jedoch danach aus, dass die restlichen 22 Sea Lynx nun doch noch bis 2027 betrieben werden, bis der Sea Tiger übernehmen kann.
Zum Einsatz kommen sollen die neuen Bordhubschrauber auf den Fregatten der Klassen 124, 125 und 126. Für die Fregatten der Klasse 123 sind sie leider zu groß, weshalb diese U-Jagd-Fregatten schon bald ohne Bordhubschrauber auskommen müssen. Um dieses Defizit auszugleichen, wird über die Beschaffung von Drohnen für die Fregatten der Brandenburg-Klasse nachgedacht. Neben der Deutschen Marine nutzen auch die Seestreitkräfte Frankreichs, Spaniens, Belgiens, Italiens, Norwegens und der Niederlande den NH90 als Bordhubschrauber.
Technische Daten
Der NH90 MRFH Sea Tiger basiert auf dem NH90 NFH, was für NATO Frigate Helicopter steht, und wurde speziell an die Anforderungen der Deutschen Marine angepasst. Er stellt damit die neueste Version des NH90 NFH dar. Der Hubschrauber ist 19,56 Meter lang, 4,52 Meter breit und 5,31 Meter hoch. Das Leergewicht beträgt 6,4 Tonnen und die Nutzlast 4,5 Tonnen. Folglich beträgt das maximale Startgewicht rund 11 Tonnen. Der Antrieb besteht aus zwei RTM-322-Triebwerken, die den Hubschrauber auf bis zu 274 km/h beschleunigen. Die Reichweite des Sea Tigers beträgt über 900 Kilometer und die Flugzeit bis zu 5 Stunden. Die Crew besteht in der Regel aus drei bis vier Personen. Meistens zwei Piloten und ein bis zwei missionsspezifisches Personal. Neben den zwei Piloten können bis zu 20 Passagiere mitgeführt werden.
Der NH90 MRFH Sea Tiger verfügt über fünf verschiedene Missionslayouts: erstens Truppentransport, zweitens Search and Rescue (SAR), drittens Boardingoperationen, viertens Anti-Submarine Warfare (ASW) und fünftens Anti-Surface Warfare (ASuW). Hauptaufgaben der neuen Bordhubschrauber sollen aber die Unter- und Überwasserseekriegsführung sowie Aufklärung sein. Um diese Aufgaben zu erfüllen, verfügt der Sea Tiger über eine breite Palette an Effektoren und Sensoren. Als Bewaffnung können bis zu zwei schwere Maschinengewehre M3M oder ein bis zwei U-Jagd-Torpedos oder ein bis zwei Seezielflugkörper mitgeführt werden. Als U-Jagd-Torpedo kommt der MU90-Torpedo zum Einsatz. Als Seezielflugkörper ist wohl die MARTE ER von MBDA geplant. Dieser Lenkflugkörper verfügt über eine Reichweite von über 100 Kilometern und die Fähigkeit sowohl See- als auch Landziele zu bekämpfen.
Die Sensorik besteht aus einem Seeraumüberwachungsradar, einem Electro-Optical-System (EOS), einem Electronic-Support-Measures-System (ESM-System), einem Automatischen Identifizierungssystem (AIS), einem Tauchsonar sowie aktiven und passiven akustischen Sonarbojen. Beim Seeraumüberwachungsradar handelt es sich um das European Naval Radar (ENR) mit einer Reichweite von über 240 km. Das 360-Grad-Radar “kann in der Betriebsart Inverse Synthetic Aparture Radar (ISAR) Überwasserkontakte schematisch abbilden und klassifizieren.” Darüber hinaus ist es in der Lage, „die Radar-Transponder von Luftfahrzeugen abzufragen und die Informationen im Missionssystem darzustellen”.
Beim Electro-Optical System (EOS) handelt es sich um einen leistungsfähigen elektrooptischen und Infrarotsensor (EO/IR), mit dem die genaue Positionsbestimmung eines Kontaktes möglich ist. Mit dem Electronic Support Measures-System (ESM-System) können Signale erfasst, analysiert, zugeordnet und aufgezeichnet werden. Dies ermöglicht es auch, Bedrohungen für den Hubschrauber und seine Besatzung, bspw. feindliche Flugabwehrraketen, zu erkennen und Gegenmaßnahmen, bspw. Radar- oder Infrarot-Täuschkörper, auszulösen. Das Automatische Identifizierungssystem (AIS) ist in der Lage, Schiffskontakte mit umfangreichen Zusatzinformationen anzuzeigen, und kann darüber hinaus auch Luftfahrzeuge mit Sonderrollen, bspw. SAR-Hubschrauber, darstellen.
Zur U-Boot-Jagd werden aktive und passive akustische Sonarbojen und das FLASH-SONICS-Tauchsonar von Thales verwendet. Bei Letzterem handelt es sich um ein Reihenfrequenz-Lichttauchsonar, das aktive oder passive Modi der Unterwasseraufklärung ermöglicht. Neben dieser umfangreichen Sensorik verfügt der NH90 MRFH Sea Tiger noch über neue Funk- und Datenverbindungen, u. a. Satellitenkommunikation und taktische Datenlinks, um all die gesammelten Informationen mit verbündeten Einheiten teilen zu können.
Fazit
Da die Marine nicht nur die Sea Lynx, sondern auch die bereits ausgemusterten Sea Kings durch eine NH90-Version ersetzt hat, dürften sich Synergien in Ausbildung, Logistik und Wartung ergeben. Darüber hinaus ergeben sich Möglichkeiten zur internationalen Kooperation mit genannten anderen Nutzerstaaten. Hier dürften insbesondere Norwegen und die Niederlande interessante Partner für die Deutsche Marine sein. Hauptproblem des NH90 ist und bleibt, und das egal in welcher Variante, die geringe Einsatzbereitschaft. Im Jahr 2022 verkündete Airbus Helicopters, dass es das Ziel sei, „die Einsatzbereitschaft der NH90-Flotten in den kommenden Jahren auf 50 Prozent zu steigern”. Ob man dieses Ziel mittlerweile erreicht hat, weiß ich leider nicht. Aber selbst 50 % sind vergleichsweise wenig. So verfügt bspw. der H145M über eine Einsatzbereitschaft von 95 %.
Zukünftig sollen die NH90 MRFH Sea Tiger noch durch Unmanned Aerial Vehicle (UAVs) ergänzt werden. Laut Zielbild Marine 2035+ ist die Beschaffung von bis zu 22 dieser UAVs vorgesehen. Diese sollen genauso wie der Sea Tiger der Unter- und Überwasserseekriegsführung sowie Aufklärung dienen. Die Marine deckt sogar darüber nach, im Gegenzug die Anzahl an Sea Tigern zu reduzieren. Damit der Sea Tiger auch mit solchen unbemannten Systemen zusammenarbeiten kann, soll im geplanten Rüstzustand Step 4 die Fähigkeit zum Manned-Unmanned Teaming (MUM-T) integriert werden. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Marine einen modernen und leistungsfähigen Bordhubschrauber erhalten wird und das auch in benötigter Stückzahl. Lediglich die geringe Einsatzbereitschaft der NH90-Flotte stellt ein Problem dar.