Das NATO-Pipelinesystem soll erweitert werden

Das NATO-Pipelinesystem soll erweitert werden
Foto: DVIDS / Staff Sgt. Max Daigle

Die NATO plant den Bau eines neuen Pipelinesystems, das von Deutschland nach Polen und Tschechien führen soll, so berichtet es der Spiegel. Damit soll im Falle eines Konflikts mit Russland eine zuverlässige Versorgung mit Kerosin für Kampfflugzeuge sichergestellt werden. Das Projekt hat ein geschätztes Budget von rund 21 Milliarden Euro, wobei Deutschland sich mit mehr als 3,5 Milliarden Euro beteiligen will.

Der Grund für dieses Vorhaben liegt in der begrenzten Reichweite der bestehenden NATO-Pipelines, die noch aus Zeiten des Kalten Krieges stammen. Diese Leitungen enden derzeit in Bramsche (Niedersachsen) und im Raum Ingolstadt (Bayern). Während dies in Friedenszeiten unproblematisch ist, könnte eine militärische Auseinandersetzung mit Russland die Situation drastisch verändern. Der enorme Treibstoffbedarf könnte nicht allein durch Lkw- oder Bahntransporte gedeckt werden. Ein NATO-General bezeichnete die Nachschubwege daher als kritische Schwachstelle. Während Munition und Ersatzteile notfalls per Flugzeug transportiert werden könnten, sei dies beim Treibstoff aufgrund des hohen Verbrauchs kaum umsetzbar. Ein interner Bericht der Bundeswehr beschreibt die Herausforderung deutlich: „Der Bedarf ist enorm.“

Das Problem ist der NATO seit dem Kalten Krieg bekannt. Bereits in den 1950er-Jahren ließ das Bündnis ein weitreichendes Pipelinesystem errichten, um Treibstoff aus Häfen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden zu den westlichen Truppen zu transportieren. Dieses sogenannte Central Europe Pipeline System (CEPS) reicht bis nach Bramsche und Ingolstadt, während das North European Pipeline System (NEPS) Treibstoff aus Dänemark bis nach Schleswig-Holstein befördert. Da jedoch während des Kalten Krieges die Grenze zwischen Ost und West mitten durch Deutschland verlief, wurden die Pipelines ausschließlich bis in den Westen verlegt – und enden dort bis heute.

Um eine effizientere Versorgung Osteuropas sicherzustellen, ist geplant, die bestehende Pipeline in Bramsche bis nach Polen zu verlängern und eine neue Trasse von Ingolstadt nach Tschechien zu errichten. Darüber hinaus wird geprüft, ob eine Verbindung zwischen dem nördlichen und dem zentralen Pipelinesystem sinnvoll wäre. In Polen und Tschechien sollen zudem weitere Leitungen entstehen, um Treibstoff in Richtung Baltikum zu transportieren, wo die Bundeswehr eine Brigade stationieren will.

Die Kosten für dieses Großprojekt sind erheblich. Experten des Bundesverteidigungsministeriums rechnen mit einer Million Euro pro gebautem Kilometer. Die Strecke von Ingolstadt nach Tschechien soll rund 240 Millionen Euro kosten, die Verbindung von Bramsche nach Polen etwa eine Milliarde Euro und die geplante Vernetzung von NEPS und CEPS bis zu 470 Millionen Euro. Insgesamt wird mit einer Bauzeit von 20 bis 25 Jahren gerechnet, wobei die wichtigsten Abschnitte bis 2035 fertiggestellt werden sollen. Doch bereits jetzt ist absehbar, dass zahlreiche Herausforderungen das Vorhaben verzögern oder verteuern könnten. Die Pipelines müssen unter Flüssen wie der Weser und der Elbe hindurchgeführt werden, zudem müssen Umwelt- und Naturschutzgebiete berücksichtigt werden. Auch Fragen des Grundstückserwerbs sind noch nicht abschließend geklärt. Sollte es zu Widerständen kommen, könnten im äußersten Fall Enteignungen nötig werden.

Ursprünglich sollte der NATO-Rat den Bau der Pipeline bis Sommer 2024 offiziell beschließen. Doch die Finanzierung ist unsicher. Die Kosten sollen gemeinschaftlich im Rahmen der NATO gedeckt werden, bei der Deutschland und die USA bisher jeweils 16 Prozent der Beiträge tragen. Das Geld stammt aus dem Infrastrukturprogramm der NATO, das nach dem russischen Angriff auf die Ukraine um 25 Prozent pro Jahr aufgestockt wurde. Allerdings gibt es neue Unsicherheiten: Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten wird in Brüssel befürchtet, dass er von den europäischen Partnern einen höheren finanziellen Beitrag einfordern könnte. Insbesondere Frankreich stellt sich gegen eine rasche Zustimmung und verlangt eine detaillierte Überprüfung der steigenden Kosten. Derzeit blockiert Paris die endgültige Entscheidung über das Projekt. Ein internes NATO-Dokument warnt: „Die Finanzierung des Vorhabens ist noch nicht gesichert.“

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