NEMO – das zukünftige Mörsersystem der Bundeswehr

NEMO - das zukünftige Mörsersystem der Bundeswehr
Foto: Patria

Als Ersatz für die veralteten 120-mm-R-Rohr-Mörser erhält die Bundeswehr das NEMO-Mörsersystem vom finnischen Rüstungskonzern Patria. Dieses wird im Rahmen des Vorhabens „Zukünftiges System Indirektes Feuer kurze Reichweite” beschafft und soll zukünftig die indirekte Feuerunterstützung der abgesessenen Infanterie gewährleisten.

Zukünftiges System Indirektes Feuer kurze Reichweite

Neun der zehn Infanterieverbände des Deutschen Heeres verfügen über je einen Mörserzug mit acht 120-mm-Mörsern in den schweren Kompanien. Diese Mörserzüge sind aktuell mit dem 120-mm-R-Rohr-Mörser von Rheinmetall ausgestattet, der 2030 das Ende seiner Nutzungsdauer erreicht. Als Ersatz wurde das Vorhaben „Zukünftiges System Indirektes Feuer kurze Reichweite” ins Leben gerufen. Kernforderungen der Truppen an das neue Mörsersystem sind: Truppgengattung angepasster Lufttransport, Truppgengattung angepasste Mobilität, eine Kampfentfernung von 300 bis mindestens 8000 Metern und das Wirken gegen alle Zielarten und Kategorien.

Am 29. Januar 2025 hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages rund 51 Millionen Euro für den Einstieg in die Beschaffung des „Zukünftigen Systems Indirektes Feuer kurze Reichweite” freigegeben. Spätestens seitdem steht fest, dass es sich beim zukünftigen Mörsersystem der Bundeswehr um den NEMO-Turmmörser vom finnischen Rüstungskonzern Patria handelt. Die Beschaffung erfolgt dabei über das Common Armoured Vehicle System (CAVS)-Programm, an dem Finnland, Lettland, Schweden und seit Mai 2024 auch Deutschland beteiligt sind. Damit steht fest, dass der zukünftige Panzermörser der Bundeswehr auf dem Patria 6 × 6 basieren wird, der als Ersatz für die veralteten Transportpanzer Fuchs beschafft werden soll. Mehr Informationen dazu findet ihr in diesem Video.

___STEADY_PAYWALL___

Laut Hartpunkt soll das NEMO-Mörsersystem jedoch nicht nur in den Infanterieverbänden des Heeres zum Einsatz kommen, sondern auch in den beiden zukünftig mit Radschützenpanzern ausgestatteten Panzergrenadierbataillonen. Und statt wie bisher über einen sollen die schweren Kompanien künftig über zwei Mörserzüge verfügen. An der Stückzahl der 120-mm-Mörser ändert dies jedoch nichts. Statt wie bisher acht Mörser in einem Zug werden künftig beide Züge über jeweils vier 120-mm-Mörser verfügen. Hinzu kommen vier 60-mm-Mörser, die entweder als volle Feuereinheit oder als Doppelbewaffnung dienen.

Mit dem am 29. Januar 2025 freigegebenen 51 Millionen Euro sollen nun zunächst zwei Prototypen des Mörserträgers und ein Prototyp des Führungsfahrzeugs beschafft werden. Einen entsprechenden Vertrag hat das Beschaffungsamt der Bundeswehr am 31. Januar 2025 mit Patria unterzeichnet. Der erste Prototyp des Mörserträgers soll noch dieses Jahr ausgeliefert werden.  Der Prototyp des zweiten Mörserträgers und der Prototyp des Führungsfahrzeugs sollen 18 Monate nach Vertragsabschluss geliefert werden, also Ende Juli/Anfang August 2026. Bis Ende 2027 soll die Anpassungsentwicklung und Qualifikation des NEMO-Systems für die Bundeswehr abgeschlossen sein.

Im Rahmen dieser Anpassungsentwicklung soll der NEMO-Turmmörser in den Patria 6 × 6 integriert und den Anforderungen der Bundeswehr angepasst werden. Dazu gehören die Entwicklung eines Beladekonzepts, die Integration des Führungs- und Waffeneinsatzsystems ADLER III sowie des Kommunikationssystems Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO). Auch die Integration eines lafettierten MG5 als Sekundärbewaffnung, die Nebelmittelwurfanlage ROSY und die Herstellung der Nachtkampffähigkeit sollen im Rahmen der Anpassungsentwicklung erfolgen. Und natürlich darf auch eine Straßenverkehrszulassung nicht fehlen.

Nach abgeschlossener Anpassungsentwicklung und erfolgreicher Qualifikation soll dann voraussichtlich ab Anfang 2028 das erste Serienlos mit 45 Mörsersystemen und 12 Führungsfahrzeugen beschafft werden. Diese sollen bereits bis Ende 2029 vollständig ausgeliefert sein. Damit wäre die Hälfte des Gesamtbedarfs der Bundeswehr gedeckt. Die Kosten für dieses erste Los belaufen sich schätzungsweise auf 262 Millionen Euro. Zur Deckung des Gesamtbedarfs sind zwei weitere Lose geplant, für die insgesamt weitere 332 Millionen Euro erforderlich wären. Insgesamt liegt der Bedarf der Truppe also bei rund 90 Mörsersystemen und 24 Führungsfahrzeugen. Finanziert wird das ganze Vorhaben übrigens bis Ende 2027 aus dem Sondervermögen Bundeswehr und ab 2028 aus dem regulären Verteidigungshaushalt.

Das NEMO-Mörsersystem

NEMO steht für NEw MOrtar und wurde vom finnischen Rüstungskonzern Patria entwickelt und hergestellt. Der Turmmörser ist rund 1,9 Tonnen schwer und verfügt über einen Schwenkbereich von 360 Grad sowie eine Waffenneigung von –3 bis 85 Grad. Dank des drei Meter langen Rohrs verfügt das NEMO-System über eine im Vergleich zu klassischen 120-mm-Mörsern leicht gesteigerte maximale Kampfentfernung von über 10 Kilometern.

Das Mörsersystem wurde erstmals 2006 öffentlich vorgestellt und wird seitdem ständig weiterentwickelt. NEMO ist binnen 25 Sekunden feuerbereit und kann bis zu 10 Schuss pro Minute abgeben. Das System verfügt darüber hinaus über die Fähigkeit „Fire-on-the-move“. Bedeutet: Es kann sowohl im Stand als auch während der Fahrt schießen, eine weltweit einzigartige Fähigkeit im Bereich der Mörsersysteme. Diese Fähigkeit erlaubt es, während des Feuerkampfs ständig in Bewegung zu bleiben, was dem Feind die Bekämpfung des Mörsersystems erschwert. Darüber hinaus ist NEMO auch zum Multiple-Round-Simultaneous-Impact-Verfahren befähigt. Bedeutet: Es können bis zu sechs Geschosse so abgefeuert werden, dass diese gleichzeitig im Ziel einschlagen. Und das sogar während der Fahrt.

Je nach Fahrzeugplattform können 50 bis 60 Patronen mitgeführt werden. Für den Einsatz im NEMO-Mörsersystem muss die Mörsermunition mit einem sogenannten Stub Case (deutsch: Hülsenstummel) ausgestattet werden. Diese von Patria entwickelte kurze Hülse dient als Schnittstelle zwischen der Hinterladerwaffe und der Munition. Laut Patria ist nahezu jede handelsübliche 120-mm-Mörsermunition mit dem NEMO kompatibel, sofern sie mit dem Stub Case versehen ist. Die Montage des Stub Case erfolgt unkompliziert und kann direkt durch die Besatzung vorgenommen werden. Nach dem Schuss wird der Hülsenstummel automatisch in einen am Fahrzeug angebrachten Auffangbehälter ausgeworfen.

Zwar gilt die Konstruktionsweise des NEMO-Turmmörsers als vergleichsweise komplex und ist folglich mit höheren Beschaffungs- und Unterhaltskosten verbunden, allerdings bietet das System im Vergleich zu klassischen Lukenmörsern mehrere Vorteile. Erstens ist die Besatzung dauerhaft komplett geschützt, und das sowohl gegen ballistische als auch gegen ABC-Bedrohungen. Zweitens kann der Turmmörser im direkten Richten feuern. „Eine Fähigkeit, die im Gefecht sowohl defensiv als auch offensiv genutzt werden kann”, so berichtet es Hartpunkt. Die Besatzung besteht aus zwei bis drei Personen.

Als Fahrzeugplattform dient wie bereits erwähnt der Patria 6 × 6. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Patria XA. Der neue Patria 6 × 6 verfügt laut Hersteller über eine verbesserte Einzelradaufhängung, einen leistungsstärkeren Scania-Motor mit 400 PS sowie ein optimiertes elektrisches System. Das 7-Gang-Automatikgetriebe wird von ZF geliefert.  Die Ladekapazität beträgt 8,5 t, bei einem maximalen Gesamtgewicht von 24 t und einem Schwimmgewicht von 21 t. Der Schutz entspricht STANAG 4569 Level 2, kann jedoch bei Bedarf auf Level 4 erhöht werden.

Fazit

Mit dem NEMO erhält das Heer ein modernes, leistungsfähiges 120-mm-Mörsersystem, welches den Anforderungen der Truppe entspricht und, soweit ich weiß, auch favorisiert wurde. Und dank der Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse dürfte auch der Finanzierung des Vorhabens nichts mehr im Wege stehen. An dieser Stelle möchte ich nochmal den Vorschlag von Oberstleutnant a. D. Hans Schommer und seinen Kameraden Aufmerksamkeit verschaffen, auch die Panzer- und Panzergrenadierbataillone mit Mörsersystemen auszustatten. Ich zitiere: „Es sollte unbedingt in Erwägung gezogen werden, neben der Infanterie auch den Panzertruppen eine eigene Steilfeuerkomponente Mörser 120mm beizugeben.“ Und zwar den Panzergrenadier- wie auch den Panzerbataillonen. Und weiter: „Dahinter steht die Absicht, die weitreichenden Wirkmittel der Artillerie von der unmittelbaren Feuerunterstützung der Truppen im Kampf zu entlasten.“ Die Intention dieses Vorschlages seitens der Flugabwehr: In der Artillerie sollen weitreichende Feuerkapazitäten freigesetzt werden, um RAM-Bedrohungen bereits an deren Aufkommensort zu zerschlagen, somit diese Bedrohungen schon am Ursprungsort zu dezimieren und so einer Übersättigung der Flugabwehrkräfte für den Nah- und Nächstbereichsschutz entgegenzuwirken. Hört sich für mich nach einem sinnvollen Vorschlag an, daher wollte ich ihn an dieser Stelle erwähnen. Klar dürfte sich der Gesamtbedarf an Mörsersystemen dadurch drastisch erhöhen, aber jetzt ist ja immerhin genug Geld da.

Total
0
Shares
Related Posts
Total
0
Share