Nachdem der Haushaltsausschuss der Beschaffung des Flugabwehrkanonenpanzers Skyranger 30 A3 am 21. Februar 2024 zugestimmt hatte, unterzeichnete das Beschaffungsamt der Bundeswehr am 27. Februar 2024, also nur eine Woche später, einen entsprechenden Rahmenvertrag mit der Rheinmetall Electronics GmbH. Dieser Rahmenvertrag beinhaltet die Herstellung und Lieferung von bis zu 49 Skyranger 30 A3. Vorerst wurden allerdings nur 19 Stück für 650 Millionen Euro Feste beauftragt. Darüber hinaus beinhaltet die Bestellung 8 Nachladefahrzeuge, 8 Werkstattausstattungen und 18 On-Board-Simulatoren. Wie aus verlässlichen Quellen zu erfahren ist, wird das Nachladefahrzeug voraussichtlich ein Lkw mit Wechselpritsche sein. Diese Pritsche wird nicht nur die Reservemunition, sondern auch einen Kran enthalten, mit dem das Munitionsmagazin in den Turm des Skyrangers gehoben werden kann. Aufgrund der rund 300 Schuss pro Beladung scheint diese Lösung notwendig zu sein. Außerdem werden die Stinger-Raketen, die als Zweitbewaffnung dienen, ebenfalls mitgeführt. Der Auftragswert des ersten Abrufs beläuft sich auf 650 Millionen Euro. Die Finanzierung erfolgt bis 2027 aus dem Sondervermögen der Bundeswehr und danach aus dem regulären Verteidigungshaushalt. Der erste Prototyp soll bereits Ende dieses Jahres an die Bundeswehr ausgeliefert werden. Die Auslieferung der 18 Serienfahrzeuge soll 2026 beginnen. 16 Systeme sollen der Truppe und je ein System für die Ausbildung und für den Rüstungsbereich zur Verfügung stehen. Ob und wann die restlichen 30 Skyranger 30 A3 aus dem Rahmenvertrag abgerufen werden und was das kosten würde, ist nicht bekannt. Der Bedarf der Truppe geht jedoch weit über die genannten Zahlen hinaus. Laut Herrn Dr. Vischer wird der Bedarf auf rund 100 bis 150 Flugabwehrkanonenpanzer geschätzt. Diese Größenordnung wurde mir auch von zwei ehemaligen, jedoch noch sehr engagierten Offizieren des Heeres bestätigt.
Auch wenn die Beschaffung der 19 nun bestellten Skyranger 30 A3 im Rahmen einer Sofortbeschaffung erfolgt, sollen sie mittel- bis langfristig in das Luftverteidigungssystem Nah- und Nächstbereichsschutz, kurz LVS NNbS, integriert werden. Wie genau die Integration des Skyranger 30 in das LVS NNbS erfolgen soll, ist wohl noch nicht abschließend entschieden. Mein letzter Stand ist, dass die vier LVS NNbS Staffeln des Teilprojektes 3 über je einen sogenannten C-RAM Zug verfügen sollen. So ein C-RAM Zug dürfte dann wahrscheinlich aus drei bis vier Flugabwehrkanonenpanzer bestehen. Die Zielstruktur wird jedoch sehr wahrscheinlich anders aussehen. Hier müssen wir uns also noch überraschen lassen.
Hauptaufgabe des Skyranger 30 A3 wird es sein, bodengebundene Kräfte in der Bewegung vor Bedrohungen aus der Luft zu schützen, insbesondere gegen Drohnen. Die Flugabwehrkanonenpanzer werden also sehr wahrscheinlich nach Bedarf in den zu schützenden Verband eingegliedert. So ein Skyranger 30 wird darüber hinaus auch nicht alleine auf dem Gefechtsfeld eingesetzt, sondern im Rahmen eines Flugabwehr-Führung, Aufklärungs-, Wirkungs- und Unterstützungs-Verbundes.
Mein Videobeitrag zur Thematik:
Der Skyranger 30 A3
Die Entwicklung des Skyranger 30 begann 2018, nachdem man bei Rheinmetall Air Defence die neue Bedrohungslage erkannte. Der Angriff auf die Ölraffinerie in Saudi-Arabien im Jahr 2019, bei dem auch Drohnen genutzt wurden, und der Krieg um Bergkarabach im Jahr 2020, der maßgeblich durch den massenhaften Einsatz modernster Drohnen entschieden wurde, bestätigten die Notwendigkeit eines solchen neuen Flugabwehrsystems. Die Entwicklung des Skyranger 30 erfolgte in der Schweiz und auch die meisten Komponenten werden in dem Land gefertigt. Laut Herrn Dr. Vischer ist allerdings eine Endmontage beim Kunden möglich. Bei der Entwicklung wurden und werden auch Lehren aus dem Krieg in der Ukraine mit einbezogen. Sowohl solche, die öffentlich zugänglich sind, als auch Geheimdienstinformationen, sofern sie dem Entwicklerteam vorliegen. Das Kampfgeschehen im Ukraine-Krieg wird also beobachtet und der Skyranger 30 fortlaufend weiterentwickelt.
Beim Skyranger 30 handelt es sich um ein integriertes, mobiles Flugabwehrsystem, das in der Lage ist, selbständig Ziele aufzuklären, zu verfolgen und zu bekämpfen. Der Skyranger 30 A3-Turm wiegt rund 3 Tonnen und hat ein ballistisches Schutzniveau von bis zu STANAG 4569 Level 4. Darüber hinaus verfügt der Turm über das Schnellnebelsystem ROSY, um sich der feindlichen Sicht zu entziehen. Die Bewaffnung besteht aus einer 30-mm-Revolverkanone vom Typ Oerlikon KCE-ABM und Flugabwehrraketen kurzer Reichweite. Der Skyranger 30 A3 ist also eine Hybridlösung. Der Vorteil einer solchen Hybridlösung ist, dass sich die Kanone und die Flugabwehrraketen sehr gut ergänzen. Während Flugabwehrraketen meist eine innere Toddistanz von rund einem Kilometer haben, ist die Kanone in der Lage, in diesem Entfernungsbereich zu wirken. Die Flugabwehrraketen wiederum gleichen die kürzere maximale Kampfentfernung der Kanone aus. Die maximale Kampfentfernung der Revolverkanone wird mit 3.000 Metern angegeben, wobei dies je nach Zielart variiert. Kleinere Luftziele können effektiv wohl nur auf bis zu 1.200 Meter bekämpft werden. Größere Ziele wie bspw. Hubschrauber auf 2 bis 3 Kilometer. Bekämpfbare Luftziele sind unter anderem Flugzeuge, Hubschrauber, Drohnen und RAM-Bedrohungen. RAM steht im Übrigen für Rocket, Artillery und Mortar. Wobei der Skyranger 30 ganz klar auf die Bekämpfung von unbemannten Luftfahrzeugen spezialisiert ist. Auch die Bekämpfung von ungepanzerten und leicht gepanzerten Bodenzielen ist möglich. Laut Herrn Dr. Vischer ist auch eine Bekämpfung aus der Bewegung heraus möglich. Wobei die Trefferwahrscheinlichkeit dabei sinkt. Während die Aufklärung aus der Bewegung problemlos möglich ist, wird für die Bekämpfung von Luftzielen ein kurzer Halt empfohlen. Die Feuerrate liegt bei bis zu 1.250 Schuss pro Minute und der Munitionsvorrat beträgt bis zu 300 Schuss. Als Munition wird AirBurst-Munition verwendet. Airburst-Munition enthält eine große Anzahl von Sub-Projektilen, auch als Payload bezeichnet, die zu einem bei jedem Schuss individuell elektronisch programmierten Zeitpunkt ausgestoßen werden und das Ziel zerstören. Diese Munition bietet eine erhebliche höhere Wirkung bei deutlich geringerem Munitionsansatz. Da es sich gewünscht wurde, gehe ich an dieser Stelle noch kurz auf die Unterschiede der Skyranger 30 und 35 ein. Der Skyranger 35 hat, wie der Name schon erahnen lässt, statt einer 30-mm-Revolverkanone eine 35-mm-Revolverkanone. Das bringt einige Vorteile mit sich, allerdings auch Nachteile. Zu den Vorteilen der 35 mm gehören die etwas größere Reichweite, der geringere Geschwindigkeitsverlust der Geschosse und der größere Payload der Patronen. Während die 30-mm-Patronen über lediglich 200g Payload verfügen, sind es bei den 35-mm-Patronen 500g. Bedeutet, die 35-mm-Kanone ist definitiv etwas leistungsfähiger als die 30-mm. Was spricht also gegen die 35-mm? Zum einen ist die 35-mm-Revolverkanone ein ganzes Stück schwerer als die 30-mm. Wiegt die Waffe mit Wiege bei der 30-mm nur 350 kg, sind es bei der 35-mm ganze 800 kg. Zum anderen ist der Skyranger 35-Turm so vollgepackt, dass aktuell keine zusätzlichen Lenkflugkörper mitgeführt werden können. Möglicherweise können zukünftig kleinere moderne Lenkwaffen wie die SDAM von MBDA in den Skyranger 35-Turm integriert werden. Stand jetzt ist das aber noch nicht möglich.
Womit wir wieder zum Skyranger 30 A3 zurückkommen. Neben der 30-mm-Revolverkanone wird dieser, wie bereits erwähnt, auch noch über Flugabwehrraketen kurzer Reichweite verfügen. Je nach Typ können zwei bis vier Flugabwehrraketen mitgeführt werden. Während die Bundeswehr ihre Skyranger 30 vorerst mit vier Stinger-Raketen bewaffnen wird. Haben sich Österreich und Ungarn für die französische Mistral entschieden. Laut Herrn Dr. Vischer ist aber auch die Integration weiterer Flugabwehrraketen kurzer Reichweite, wie beispielsweise der RBS 70, denkbar. Ab 2028 will die Bundeswehr die Stinger wohl durch einen moderneren Lenkflugkörper ersetzen. Ein denkbarer Kandidat dafür ist die Small Anti Drone Missile, kurz SADM, von MBDA. Rheinmetall und MBDA Deutschland haben auf der ILA 2024 in Berlin eine Vereinbarung über die Integration des für die Drohnenabwehr konzipierten Lenkflugkörpers in den Skyranger 30 unterzeichnet. Die SADM basiert auf dem Enforcer, der bei der Bundeswehr als „Leichtes Wirkmittel 1800+“ eingeführt wird, und soll eine maximale Kampfentfernung von ca. 5 Kilometern haben. Der auf der ILA ausgestellte Skyranger 30 Turm führte ganze neun SDAM-Lenkflugkörper mit sich, wobei dies bei Bedarf um weitere Dreierpacks erweitert werden könnte. Im Gegensatz zu der geplanten Integration von vier Stingern würde dies eine deutliche quantitative Steigerung darstellen.
Die Sensorik wird durch das Spexer 2000-Radar von Hensoldt bestimmt. Dabei handelt es sich um ein Active Electronically Scanned Array-Radar mit einer instrumentierten Reichweite von rund 35 km. Darüber hinaus verfügt der Skyranger 30 A3 über eine vollstabilisierte EO-Sensor-Einheit mit Video- und Infrarotkamera sowie zwei Laserentfernungsmessern. Einer ist auf die Erfassung von Luftzielen, der andere auf die Erfassung von Bodenzielen optimiert. Dank dieser Sensorik und dem Skymaster-Führungssystem ist der Skyranger 30 A3 in der Lage, ein eigenes Luftlagebild zu erstellen. Darüber hinaus kann er aber auch Ziele von anderen Radaren und Führungssystemen verarbeiten. Der Infrarot-Sensor FIRST und das Ku-Band-Zielverfolgungsradar werden hingegen nicht in den Skyranger 30 A3 der Bundeswehr integriert.
Als Trägerplattformen kommen prinzipiell 6 × 6 oder 8 × 8 Radfahrzeuge und Kettenfahrzeuge in Betracht. Die Skyranger 30 A3 der Bundeswehr werden auf dem GTK Boxer basieren. Welches Fahrmodul genau, ist bisher leider nicht öffentlich bekannt. Die 36 Skyranger 30 für das österreichische Bundesheer werden auf dem Pandur Evolution basieren. Die dänischen Streitkräfte werden den Piranha und die ungarischischen Streitkräfte den Lynx KF41 als Fahrzeugplattform nutzen. Die Besatzung besteht aus drei Personen: Kommandant, Richtschütze und Fahrer.
Fazit
Mit der Beschaffung des Skyranger 30 A3 wird die Fähigkeitslücke im Bereich der mobilen Abwehr unbemannter Luftfahrzeugsysteme und anderer Bedrohungen aus der Luft endlich geschlossen. Neben Deutschland beschaffen auch Österreich, Dänemark und Ungarn das System. Laut Herrn Dr. Vischer gibt es darüber hinaus mit einigen anderen europäischen Staaten sehr konkrete Gespräche bezüglich einer Beschaffung des Skyrangers. Auch eine Beschaffung im Rahmen der European Sky Shield Initiative ist denkbar. Damit wird der Skyranger 30 immer mehr zum europäischen Standard im Bereich der mobilen Flugabwehr, wenn er es nicht bereits ist. Operationell in Nutzung ist er zwar aktuell noch nirgends, das wird sich aber in den nächsten Jahren definitiv ändern. Wie bereits erwähnt, wird der Skyranger 30 kontinuierlich weiterentwickelt. Unter anderem auch in Richtung des Skyranger 30 HEL. Auch wenn der Skyranger 30 HEL nur eine Konzeptstudie war, ist die Integration einer Laserwaffe zukünftig geplant. Probleme bereiten aktuell vor allem die Kühlung und die Stromversorgung.
Zusammenfassend lässt sich, denke ich, sagen, dass die Truppe mit dem Skyranger 30 A3 ein sehr leistungsstarkes, mobiles Flugabwehrsystem erhält. Auch hier stimmt die Qualität. Nur bei der Quantität hapert es mal wieder gewaltig. Bisher wurden lediglich 19 Stück feste bestellt mit einer Option auf 30 weitere. Der Bedarf der Bundeswehr liegt hingegen bei rund 100 bis 150 Systemen. Hier klafft also noch eine gewaltige quantitative Lücke. Um diese zu schließen, bedarf es neben den dafür notwendigen Haushaltsmitteln vor allem auch geeigneten Personals.