Die Heeresaufklärungstruppe steht vor einer umfassenden Modernisierung. Als Ersatz für die alternden Spähwagen Fennek erhält sie ab 2029 bis zu 356 neue Spähfahrzeuge des Typs „Luchs 2“. Diese werden im Rahmen des Vorhabens „Spähfahrzeug Next Generation“ beschafft.
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Spähfahrzeug Next Generation (SpähFz NG)
Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr leitete im Oktober 2023 das Verfahren zur Beschaffung eines modernen Spähfahrzeugs ein, das die alternde Fennek-Flotte ablösen soll. Der Fennek erreicht 2028 das Ende seiner Nutzungsdauer und soll daher durch ein leistungsfähigeres System ersetzt werden.
Am 15. November 2025 genehmigte der Haushaltsausschuss des Bundestages die Rahmenvereinbarung für das neue System, das den Namen Luchs 2 tragen wird. Nur fünf Tage später, am 20. November 2025, erhielt General Dynamics European Land Systems (GDELS) den Zuschlag für Entwicklung und Lieferung. Das Unternehmen setzte sich in einem Wettbewerb gegen Rheinmetall (Fuchs Evolution) sowie KNDS Deutschland und Patria (Patria CAVS) durch.
Der ursprüngliche Plan sah die Beschaffung von 252 Fahrzeugen vor, von denen 92 fest bestellt werden sollten. Durch einen ersten Änderungsvertrag wurde die maximale Abrufmenge auf 356 Spähfahrzeuge erhöht. Davon sind nun 274 Systeme fest bestellt, während 82 weitere als Option vereinbart wurden. Die Kosten für die Festbeauftragung belaufen sich auf rund 3,54 Milliarden Euro und werden überwiegend aus dem Sondervermögen der Bundeswehr finanziert.
Für die Entwicklung der Waffenanlage wurden zusätzlich 138 Millionen Euro genehmigt. Auch die Rahmenvereinbarung für die 25-mm-Maschinenkanonen des Typs KBA, die im Luchs 2 zum Einsatz kommen, wurde am 15. November 2025 vom Haushaltsausschuss gebilligt.

Der Lieferplan sieht vor, dass 2028 zunächst zwei Referenzsysteme für die integrierte Nachweisführung bereitgestellt werden. Diese Prüfphase soll etwa acht Monate dauern, bevor Mitte 2028 die Serienfreigabe erteilt wird. Ab 2029 soll die Auslieferung der Serienfahrzeuge beginnen – mit jährlichen Stückzahlen zwischen 58 und 90 Fahrzeugen. Bis 2032 sollen alle 274 fest bestellten Serienfahrzeuge übergeben sein.
Neben den Fahrzeugen selbst umfasst der Auftrag die Entwicklung einer Simulationsumgebung sowie die Lieferung von sechs Ausbildungs-Gefechtssimulatoren. Drei davon sollen vor 2030 bereitgestellt werden, die übrigen drei danach. Hinzu kommen weitere Ausbildungsmittel und logistische Betreuungsleistungen.
Das Konsortium um GDELS vereint mehrere Spezialisten: GDELS liefert die Trägerfahrzeuge auf Basis des Piranha V 6×6. Hensoldt Optronics stellt die Sensorsuite, Rheinmetall Electronics ist für die Waffenanlage verantwortlich. Die Ausbildungssimulatoren stammen von e.sigma, und Saab Bofors Dynamics Switzerland liefert die Tarnausstattung.
Der Luchs 2 ist als gepanzertes, radbasiertes Fahrzeug mit hoher taktischer Mobilität konzipiert. Ein besonderes Merkmal ist seine Schwimmfähigkeit, die dem System zusätzliche Flexibilität verleiht. Die umfangreiche Ausstattung mit modernen Kommunikations-, Informations- und Navigationssystemen soll die Überlebensfähigkeit der Heeresaufklärungstruppe im Einsatz erhöhen.
Als neuer Hauptträger der fahrzeuggebundenen Spähaufklärung markiert der Luchs 2 einen deutlichen Generationswechsel mit spürbarem Fähigkeitszuwachs. Die hochmobile und geschützte Plattform kombiniert moderne integrierte Aufklärungsfähigkeiten mit erweiterten Möglichkeiten zur Selbstverteidigung. Trotz des zunehmenden Einsatzes unbemannter Systeme bleibt die fahrzeuggebundene Aufklärung unverzichtbar – besonders bei widrigen Wetterbedingungen, in komplexem Gelände oder wenn physische Präsenz und Nahaufklärung erforderlich sind.
Luchs 2 – Technische Daten
Der Luchs 2 basiert, wie bereits erwähnt, auf dem bewährten Piranha 5 von GDELS, der speziell für dieses Projekt von einem 8×8- auf ein 6×6-Fahrgestell angepasst wurde. Diese Konfiguration ermöglicht ein zulässiges Gesamtgewicht von 25 Tonnen bei einer Nutzlast von 7,5 Tonnen. Die 8×8-Version des Piranha wird parallel ab 2026 als Trägerplattform für das Tactical Wide Area Network in die Bundeswehr eingeführt.

Mobilität
Das Herzstück des Antriebssystems bildet ein MTU-Dieselmotor vom Typ 6V199 TE21 mit einer Leistung von 594 PS, gekoppelt an ein ZF-Automatikgetriebe. Diese Kombination ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde auf der Straße. Für amphibische Einsätze verfügt das Fahrzeug über zwei Propeller am Heck sowie einen Schwallschild am Bug, die das Überqueren stehender und fließender Gewässer ermöglichen. Diese Schwimmfähigkeit erweitert die taktischen Möglichkeiten erheblich und erlaubt eine größere Auswahl an Anmarschwegen ins Aufklärungsgebiet.
Ein besonderes Merkmal des Piranha-Designs ist die Platzierung des Triebwerks rechts neben dem Fahrer – ähnlich wie beim Boxer, Marder und Puma. Im Gegensatz zu klassischen 6×6-Radpanzern, bei denen der Motor hinter der Fahrerkabine sitzt, steht beim Piranha die gesamte Dachfläche für die Integration von Aufbauten zur Verfügung. Dies ermöglicht die Positionierung des Maschinenkanonen-Turms weit vorne am Fahrzeug, wodurch der Wirksektor der Waffe sowohl nach unten als auch beim Wirken um Hindernisse herum deutlich verbessert wird. In Hinterhangstellungen oder beim Feuern um Hausecken muss dadurch erheblich weniger Fahrzeugfläche exponiert werden.
Schutz
Der modulare Schutz entspricht standardmäßig Level 4 nach STANAG 4569 gegen ballistische Bedrohungen und Minen. Zusatzpanzerung kann bei Bedarf angebracht werden. Bei der Entwicklung der Leistungsbeschreibung flossen Erfahrungen sowohl mit dem Spähpanzer 2 Luchs als auch mit dem Fennek ein. Die Anforderungen wurden so gestaltet, dass das Fahrzeug sowohl für internationale Krisenmanagement-Einsätze als auch für die Landes- und Bündnisverteidigung geeignet ist.
Sensorik
Um den Herausforderungen des modernen Gefechtsfeldes gerecht zu werden, wird modernste Aufklärungstechnik verbaut. Am rechten Fahrzeugheck befindet sich ein Sensormast mit stabilisierter Sensorik, die auch während der Fahrt eingesetzt werden kann.
Hierbei handelt es sich um die neue Beobachtungs- und Aufklärungsausstattung IV (BAA IV) von Hensoldt. Die BAA IV ist ein multispektrales Beobachtungs- und Aufklärungssystem, das neben kombinierter Wärmebild- und Tageslichtsensorik mit Laserentfernungsmesser und Zielbeleuchter auch eine Short-Wave-Infrared-Kamera (SWIR) integriert. Diese ermöglicht optimale Sicht bei schlechten Wetterbedingungen wie Regen oder Nebel.

Das See-Through-Armour-System (SETAS) ermöglicht der Fahrzeugbesatzung eine vollständige Rundumsicht rund um die Uhr, ohne den Schutzraum verlassen zu müssen. Das System zeigt die Umgebung in Echtzeit an und trägt dazu bei, Gefahren frühzeitig zu erkennen.
Ergänzt wird die Ausrüstung durch weitere Sensoren: Ein Radio Direction Finder (RDF), ein Laserwarner sowie akustische Sensoren erfassen relevante Signale und bestimmen teilweise deren Herkunft. Diese Technologien alarmieren die Besatzung unmittelbar bei Bedrohungen und unterstützen sie bei der Reaktion.
Als Missionssystem kommt CERETRON von Hensoldt zum Einsatz. Es bündelt die Daten aller Sensorsysteme, wertet sie sofort aus und erstellt daraus ein einheitliches taktisches Lagebild. Durch künstliche Intelligenz erkennt, klassifiziert und verfolgt das System automatisch Objekte und Personen, wodurch sowohl die Besatzung als auch die übergeordnete Führung unmittelbar entscheidungsrelevante Informationen erhalten.
Die softwaredefinierte Architektur nach NGVA-Standard ermöglicht Anpassungen und Erweiterungen: Neue Funktionen und Algorithmen lassen sich ohne Änderungen an der Hardware implementieren, wodurch das System über seine gesamte Nutzungsdauer weiterentwickelt werden kann. Bei Bedarf können zusätzliche Sensoren ergänzt und softwareseitig eingebunden werden. Gleichzeitig entlastet CERETRON die Besatzung, indem es Informationen automatisch verarbeitet, priorisiert und übersichtlich darstellt. Jeder Nutzer erhält das Lagebild in der für ihn relevanten Form – ein Kernelement von Software-defined Defence, das schnelle und fundierte Entscheidungen unterstützt.
CERETRON lässt sich nahtlos in die Multi-Domain-Software-Suite MDOcore von Hensoldt integrieren und kann Daten sowie Lageinformationen an übergeordnete Ebenen weitergeben. MDOcore ist ein softwarebasiertes Integrations-Framework, das Sensoren, Waffensysteme und kognitive Systeme über alle Dimensionen – Land, Luft, See, Cyber und Weltraum – vernetzt und damit die technologische Grundlage für zukünftige vernetzte Streitkräfte bildet.
Bewaffnung
Die Hauptbewaffnung besteht aus einer Oerlikon-KBA-Maschinenkanone im Kaliber 25 × 137 Millimeter von Rheinmetall. Aus der Rahmenvereinbarung können bis zu 310 dieser Waffensysteme abgerufen werden. Die Kanone ist für Feuerunterstützung auf mittlere Distanzen optimiert und erreicht eine effektive Kampfentfernung von bis zu 2.700 Metern.
Rheinmetall hat bereits über 6.000 KBA-Kanonen produziert. Die Waffe verfügt über drei Feuermodi und eine Doppelgurtzuführung, die das gleichzeitige Laden zweier Munitionstypen ermöglicht. Im Dauerfeuermodus liegt die Kadenz bei bis zu 600 Schuss pro Minute. Im Einzelschussmodus beträgt sie 100 Schuss pro Minute, im schnellen Einzelschuss 200 Schuss pro Minute.

Das Munitionsportfolio umfasst panzerbrechende APFSDS-T-Geschosse, Deformationsgeschosse, HEI-T-Sprengbrandmunition sowie moderne Anti-UAV-Munition mit Selbstzerlegefunktion für den Einsatz gegen Drohnen.
Die Maschinenkanone soll in einen leichten, stabilisierten Mittelkaliberturm des slowenischen Herstellers Valhalla Turrets integriert werden. Das Gesamtgewicht von Turm und Waffe soll bei rund 700 Kilogramm liegen. Die 25-Millimeter-Kanone ist leichter und kostengünstiger als vergleichbare 30-Millimeter-Systeme, was kleinere Trägerplattformen wie 6×6-Fahrzeuge statt 8×8- oder 10×10-Konfigurationen ermöglicht. Die um etwa 500 Meter geringere Reichweite gegenüber 30-Millimeter-Waffen wird durch diese Vorteile mehr als ausgeglichen.
Eine dedizierte Panzerabwehrfähigkeit wurde für den Luchs 2 nicht gefordert. Diese soll durch bereits eingeführte Panzerabwehrhandwaffen der Bundeswehr abgedeckt werden. Perspektivisch wird jedoch auch über den Einsatz von Loitering Munition für diese Aufgabe nachgedacht.
Fazit
Mit dem Luchs 2 wird die Heeresaufklärungstruppe zweifellos einen leistungsfähigen Spähpanzer erhalten. Dennoch gibt es Kritik an dem Vorhaben – aus zwei Gründen. Erstens am grundsätzlichen Konzept fahrzeuggebundener Spähaufklärung auf dem modernen Gefechtsfeld. Kritiker verweisen auf den Ukraine-Krieg und argumentieren, dass massive Drohneneinsätze ein durchgängig überwachtes Gefechtsfeld schaffen würden, in dem Fahrzeuge sofort erkannt und bekämpft werden. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz. Die ukrainische Kursk-Offensive 2024 demonstrierte eindrucksvoll, dass größere Kräfteverbände weiterhin weitgehend unbemerkt konzentriert und überraschend eingesetzt werden können. Historisch betrachtet wurden vermeintlich überholte Fähigkeiten immer wieder totgesagt, behielten aber ihre Bedeutung – in angepasster Form.
Eine mehrere hundert Kilometer lange Front durchgehend mit Drohnen zu überwachen, ist grundsätzlich möglich, würde aber enorme Ressourcen binden, die an anderer Stelle fehlen würden. Das „gläserne Gefechtsfeld“ existiert zudem nicht in gleichbleibender Qualität, sondern variiert mit Wetter und Tageszeit. So entstehen natürliche Lücken, die durch nächtliche Bewegung oder gezielte Infiltrationswege mit geringem Entdeckungsrisiko genutzt werden können. Künftige Drohnenabwehrfähigkeiten werden zusätzliche taktische Optionen schaffen.
Einmal im Einsatzraum angelangt, kann die Spähaufklärung bei jedem Wetter und über lange Zeiträume signaturarm operieren. Die feindliche Sicherungslinie muss nur einmal durchbrochen werden, während Drohnen regelmäßig erneut darüber hinwegfliegen müssen. Die Kombination aus Aufklärung aus der Vogel- und bodennahen Perspektive, einem umfangreichen Sensormix sowie der Fähigkeit zur Sprachaufklärung macht die Spähaufklärung zu einem echten Multi-Domain-Asset.
Die Durchsetzungsfähigkeit erlaubt es darüber hinaus, aufgeklärte Ziele unmittelbar zu bekämpfen. Neben der Bordbewaffnung gehört dazu die Fähigkeit zum Einsatz weitreichender Wirkmittel bei jedem Wetter und zu jeder Tages- und Nachtzeit. Eine solche Fähigkeit können günstige Drohnen nicht bieten.
Zudem eröffnen Aufklärungsverbände mit durchsetzungsstarken Spähfahrzeugen die Möglichkeit, bei Bedarf ein zusätzliches Manöverelement auf Brigadeebene zu bilden. Der bloße Austausch des Fennek durch den Luchs 2 wird hierfür jedoch nicht ausreichen. Erforderlich sind auch Anpassungen in Ausbildung, Einsatzdoktrin sowie eine Ergänzung der Ausrüstung um weiterreichende Panzerabwehrfähigkeiten.
Der zweite Kritikpunkt betrifft die Entscheidung, künftig zwei verschiedene 6×6- sowie zwei verschiedene 8×8-Fahrzeuge zu beschaffen und parallel zu betreiben. Derzeit verfügt die Bundeswehr mit dem TPz Fuchs (6×6) und dem GTK Boxer (8×8) über zwei Radpanzer. Der TPz Fuchs soll in den kommenden Jahren im Rahmen des Vorhabens „Transportpanzer Neue Generation“ durch den Patria 6×6 ersetzt werden – im Raum steht die Beschaffung von bis zu 4.000 Fahrzeugen in unterschiedlichen Varianten.
Parallel dazu führt die Bundeswehr mit dem Luchs 2 auf Basis des Piranha 5 6×6 ein weiteres 6×6-Fahrzeug ein – allerdings in deutlich geringerer Stückzahl von maximal 356 Systemen. Mit Blick auf Ausbildung und Logistik hätte es hier zweifellos Vorteile gebracht, sich für ein einziges 6×6-System zu entscheiden. Besonders, da vor allem die Heeresaufklärungstruppe beide künftigen 6×6-Fahrzeuge betreiben muss: den Piranha 5 als Spähfahrzeug und den Patria 6×6 als Trägerplattform für die abgesessene Spähaufklärung sowie die Radaraufklärung.
Ein ähnliches Bild zeigt sich im Bereich der 8×8-Fahrzeuge. Neben dem GTK Boxer soll künftig auch der Piranha 5 in der 8×8-Variante eingeführt werden – als Trägerfahrzeug für die kleinen Richtfunksysteme im Rahmen des Vorhabens „Tactical Wide Area Network for Land Based Operations“ (TaWAN LBO).

Jeweils zwei 6×6- und zwei 8×8-Systeme statt jeweils eines einzigen Typs werden aufgrund der kleinen Stückzahlen zwangsläufig zu höheren Beschaffungs- und Betriebskosten führen. Insbesondere Ausbildung, Ersatzteilhaltung und logistische Versorgung werden dadurch komplexer und teurer. Ob dies sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. An dieser Stelle sei ausdrücklich betont, dass es dabei nicht um ein Urteil über die Leistungsfähigkeit einzelner Systeme geht, sondern ausschließlich um die Frage, ob es aus Sicht der Bundeswehr sinnvoll ist, mehrere unterschiedliche Radpanzerklassen parallel einzuführen.
