Die Bundeswehr will ab den 2030er Jahren einen neuen Kampfpanzer beschaffen, der als Brückenlösung bis zur Einführung des Main Ground Combat Systems, kurz MGCS, fungieren soll. Dieses Vorhaben ist unter den Bezeichnungen Leopard 2 AX, Leopard 3 oder eben einfach Brückenlösung bekannt.
Die Brückenlösung
Das Heer benötigt für seine Panzertruppe ab den 2030er Jahren einen neuen Kampfpanzer, der die Zeit bis zur Einführung des MGCS überbrückt. Da das MGCS den Leopard 2 ab circa 2050 ablösen soll, wird mit einer Nutzungsdauer von rund 20 Jahren gerechnet. Diese Brückenlösung soll dabei bereits über gewisse Merkmale und Fähigkeiten des MGCS verfügen. Als Erstes kommt einem da natürlich der neue Leopard 2 A8 in den Sinn. Allerdings ist die Beschaffung des Leopard 2 A8 vor allem ein politisches Vorhaben, um schnellstmöglich eine Vollausstattung zu erreichen. Die Anforderungen des Heeres an einen modernen Kampfpanzer erfüllt der Leopard 2 A8 hingegen nicht vollständig. Insbesondere in den Bereichen Schutz, Mobilität und Sensorik weist die A8-Version noch signifikante Lücken zu den Anforderungen des Heeres auf. Wie man diese Lücken schließen könnte, prüft das Heer im Rahmen des Vorhabens „Leopard 2 AX“. Dabei sei angemerkt, dass es sich dabei um einen noch nicht endgültigen Arbeitsbegriff handelt. Zur Zielsetzung des Vorhabens gehören weitere Verbesserungen in den Bereichen Wirkung, Schutz, Mobilität und Nachtkampffähigkeit. Am Ende des Tages will man über einen Kampfpanzer verfügen der dem aktuellen Bedrohungsstand angepasst ist und die Leistungsfähigkeit des Leopard 2 A8 übertrifft.
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Dazu wurden vor kurzem KNDS Deutschland, Rheinmetall und Hensoldt mit einer Reihe von technischen Studien beauftragt, die wir uns gleich noch im Detail angucken. Die Ergebnisse der Studien sollen laut Beschaffungsamt der Bundeswehr Ende 2026 vorliegen. Erst danach sollen Entscheidungen bezüglich Konfiguration und Stückzahl getroffen werden. Laut Hartpunkt steht die Beschaffung von 90 bis 300 dieser neuen Kampfpanzer im Raum. Interessant diesbezüglich ist auch, dass das Vorhaben Leopard 2 AX ursprünglich mit der Intention begann, die rund 100 Leopard 2 A5 und A6, die bisher nicht modernisiert wurden, endlich zu modernisieren. Mittlerweile sieht es eher danach aus, dass man fabrikneue Kampfpanzer als Ersatz für ältere Modelle beschaffen will. Die zu beschaffene Stückzahl entscheidet sich schlussendlich daran, ob nur die rund 100 bisher noch nicht modernisierten Leopard 2 ersetzt werden sollen oder fast alle unterhalb des A8-Stands. Darüber hinaus ist natürlich auch eine weitergehende Stückzahlerhöhung aufgrund der kommenden neuen NATO-Fähigkeitsziele denkbar. Aufgrund dieser könnte es sein, dass Deutschland der NATO ab 2031 zwei bis sechs weitere Kampfbrigaden zur Verfügung stellen muss. Und was man so hört, soll es sich dabei nicht um leichte oder mittlere Brigaden, sondern um Panzerbrigaden handeln. Sollte dies tatsächlich so kommen dürfte der Bedarf der Bundeswehr nach Kampfpanzern um ein paar hundert Stück nach oben korrigiert werden. Allerdings hängt sowohl über den geplanten Zulauf ab 2030 als auch über den möglichen Stückzahlen das Damoklesschwert der Finanzierung. Diese ist bisher nämlich gänzlich offen.
Technische Daten
Als Hauptbewaffnung für den neuen Kampfpanzer wird die 130mm-Glattrohrkanone/L52 von Rheinmetall angestrebt, die im Vergleich zur aktuell in Nutzung befindlichen 120-mm-Glattrohrkanone deutlich leistungsfähiger sein soll. Das um acht Prozent größere Kaliber liefert, laut Rheinmetall, rund 50 Prozent mehr kinetische Energie und soll damit die Durchschlagskraft und Effektivität des Kampfpanzers erheblich erhöhen. Nun wurde Rheinmetall im Rahmen des Vorhabens „Leopard 2 AX“ mit drei technischen Studien beauftragt, die auf die Entwicklung spezifischer Munitionssorten abzielen. Die DM13-Munition soll als Qualifizierungsmunition für die zukünftige Panzerkanone dienen und wird speziell zur ökonomischen und zeitgerechten Zertifizierung des neuen Waffensystems entwickelt. Zusätzlich werden die DM11-Multifunktions-Gefechtsmunition (HE) und die DM23-Kinetic-Energy-Munition (KE) für den Einsatz mit der 130-mm-Kanone fertig entwickelt. Der Prototyp der Kanone wurde erstmals 2016 auf der Rüstungsmesse Eurosatory in Paris vorgestellt und zeichnet sich durch eine Länge von 6,6 Metern sowie ein Gewicht von über 3,5 Tonnen aus – im Vergleich zu den etwa 3 Tonnen der aktuell genutzten 120mm-Kanone. Die verwendeten Patronen wiegen über 30 Kilogramm und sind etwa 1,30 Meter lang, wodurch die Integration eines automatischen Ladesystems erforderlich wird. Dies bringt zwangsläufig strukturelle Anpassungen an Turm und Wanne des Kampfpanzers mit sich, was den Entwicklungs- und Integrationsaufwand weiter erhöht, so berichtet es Hartpunkt.
Darüber hinaus wurden KNDS Deutschland und Hensoldt jeweils mit einer technischen Studie zur Entwicklung einer automatischen Feldjustieranlage beauftragt. Derzeit verfügt der Leopard 2 über eine manuelle Feldjustierung, die durch den Richtschützen vorgenommen wird, um thermische Einflüsse wie Sonneneinstrahlung oder Schussbelastung auszugleichen. Eine automatisierte Feldjustieranlage soll die Besatzung entlasten, die Justierzeit verkürzen und gleichzeitig eine kontinuierlich hohe Präzision gewährleisten.
Zu guter Letzt wird im Bereich der Bewaffnung auch über die Integration einer fernbedienbaren Waffenstation nachgedacht. Diese könnte bspw. mit einem schweren Maschinengewehr oder einer Granatmaschinenwaffe bestückt gegen leicht und ungepanzerte Ziele, feindliche Infanterie und vor allem Drohnen wirken. Für letzteres wäre darüber hinaus allerdings noch die zur Detektion von Drohnen erforderliche Sensorik zu integrieren.
Auch das Schutzniveau des Leopard 2 AX soll im Vergleich zu älteren Versionen deutlich verbessert werden. Unter anderem durch eine weiterentwickelte Variante des Selbstschutzsystems Multifunctional Self-Protection System 2.0, kurz MUSS. MUSS 2.0, das erstmals im Sommer 2024 auf der Rüstungsmesse Eurosatory vorgestellt wurde und bei den Schützenpanzern Puma des 2. Loses zum Einsatz kommen wird, zeichnet sich durch ein geringeres Gewicht, eine kleinere Silhouette und erweiterte Fähigkeiten aus. Das System umfasst vier passive Sensorköpfe mit Raketen- und Laser-Warnsensoren, eine zentrale Steuereinheit, einen weiterentwickelten Infrarot-Störsender (IR-Jammer) und eine Gegenmaßnahmen-Einheit. Laut Hersteller ist MUSS 2.0 in der Lage neben Panzerabwehrlenkflugkörpern auch Leuchtspurgeschosse, Panzerfäuste, Mündungsfeuer und Beschuss durch Wuchtgeschosse zu detektieren. Zudem kann es Laser geringer Leistung, wie sie bei Leitstrahllenkungen und Laser-Entfernungsmessern vorkommen, präzise erfassen und klassifizieren. MUSS 2.0 ermöglicht die gleichzeitige Erfassung, Priorisierung und Bekämpfung mehrerer Bedrohungen, wobei die Daten in das Battle Management System eingespeist werden können. KNDS Deutschland wurde nun mit der Weiterentwicklung und Integration von MUSS in den Leopard 2 beauftragt. Diese Version soll über die Fähigkeit der Optikdetektion verfügen – eine weltweit einzigartige Fähigkeit. Durch das physikalische Prinzip des Katzenaugeneffekts könnte der Kampfpanzer seine Umgebung aktiv „anstrahlen“ und Reflexionen feindlicher Optiken erfassen, wodurch selbst gut getarnte Waffen- und Aufklärungssysteme identifiziert werden könnten.
Parallel dazu entwickelt Hensoldt im Auftrag des BAAINBw das Schutzsystem ODAEON, einen Demonstrator zur automatisierten Detektion feindlicher optischer Systeme. Die Designphase begann im Dezember 2024, und der bis Ende 2026 laufende Vertrag hat ein Volumen von 17,6 Millionen Euro. ODAEON basiert auf der Technologie des MUSS Jammer Head 2 (MJ2) und soll in Echtzeit feindliche Drohnen und Zielerfassungssysteme detektieren, der Besatzung melden und darstellen. In späteren Entwicklungsstufen werden „Jamming“ und „Dazzling“-Funktionen ergänzt, um gegnerische Aufklärungssysteme durch Störsignale und starke Lichtimpulse zu beeinträchtigen. ODAEON wird als Multisensorsystem mit bestehenden Systemen vernetzbar sein, wodurch Falschalarmraten reduziert werden. Langfristig ist eine Fusion der Technologien von ODAEON und MUSS geplant, um einen umfassenden Schutz für den Leopard 2 AX zu gewährleisten. Ergänzend wird voraussichtlich auch das aktive Schutzsystem Trophy zum Einsatz kommen.
Zur Steigerung der Mobilität des Leopard 2 AX wurde KNDS Deutschland mit der Entwicklung eines neuen Triebwerks mit der Bezeichnung „OLYMP“ beauftragt. Anders als bisher üblich wird dieses Triebwerk nicht von MTU, dem bisherigen Triebwerkshersteller für den Leopard 2, sondern von Liebherr entwickelt – ein Novum, da Liebherr bislang lediglich Triebwerke für Schützenpanzer geliefert hat, jedoch noch nie für einen Kampfpanzer. Laut einer Mitteilung des BAAINBw umfasst der Triebwerkblock eine abgeschlossene Einheit aus Verbrennungsmotor, Lenk-/Schaltgetriebe, Kühlsystem, Brennluftfilterung und Abgasanlage. Im Rahmen der Studie zur Agilitätssteigerung des Antriebsstrangs soll das neue Triebwerk unter Verwendung möglichst vieler Baugruppen des bestehenden Systems entwickelt werden.
Fazit
Sollten alle technischen Studien erfolgreich verlaufen und sich die Bundeswehr für eine Implementierung aller vorgestellten neuen Fähigkeiten entscheiden, kann davon ausgegangen werden, dass sich dieser neue Kampfpanzer grundlegend vom aktuellen Leopard 2 unterscheiden würde. Ob der zukünftige Kampfpanzer der Bundeswehr also als Leopard 2 AX oder Leopard 3 bezeichnet wird, hängt maßgeblich von der schlussendlichen Konfiguration des Panzers ab.
Wie bereits erwähnt soll dieser neue Kampfpanzer die Zeit bis zur Einführung des deutsch-französischen Main Ground Combat System (MGCS) überbrücken – ein Ansatz, der angesichts der wechselvollen Geschichte gemeinsamer Panzerprojekte zwischen Deutschland und Frankreich als notwendig erscheint. Frühere Vorhaben wie der „Standardpanzer“ (Leopard 1) und das „Kampfpanzer 90“-Programm scheiterten an unterschiedlichen rüstungspolitischen Vorstellungen und taktischen Anforderungen, sodass beide schließlich in nationalen Lösungen endeten. Zudem haben knappe Haushaltsmittel in der Vergangenheit oft dazu geführt, dass ursprünglich als Zwischenlösungen geplante Systeme zur Dauerlösung wurden. Beispielhaft sei hier an die Beschaffung des Phantom-Kampfflugzeuges erinnert.
Obwohl die Geschichte sich nicht zwangsläufig wiederholen muss, bestehen Zweifel am erfolgreichen Abschluss des dritten Anlaufs einer deutsch-französischen Panzerentwicklung. Viele Stimmen aus Politik, Streitkräften und Beschaffungsorganisationen äußern Skepsis gegenüber dem MGCS-Vorhaben, das vor allem auf höchster politischer Ebene vorangetrieben wird – weniger aus Überzeugung vom Projekterfolg, sondern aus Sorge, das ohnehin angespannte Verhältnis zu Frankreich nicht weiter zu belasten.