Bringt Friedrich Merz die Zeitenwende?

Bringt Friedrich Merz die Zeitenwende?
Foto: CDU / Tobias Koch

Am 23. Januar 2025 hielt Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU Deutschlands und Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Rahmen des Körber Global Leaders Dialogue eine außen- und sicherheitspolitische Grundsatzrede. In dieser Rede stellte er dar, was in der Außen- und Sicherheitspolitik unter seiner Führung zu erwarten ist, sollte er der nächste Bundeskanzler werden.

Er begann mit einer außen- und sicherheitspolitischen Standortbestimmung. Russlands Neoimperialismus bedrohe unsere Sicherheit akut. Die russische Aufrüstung gehe klar über den Bedarf für die eigene Landesverteidigung hinaus und Putins Machtanspruch erstrecke sich auf den ganzen Bereich der ehemaligen Sowjetunion. Zusammen mit China, Nordkorea und Iran bildet Russland eine „Achse der Autokratien“ die in allen Regionen der Welt destabilisierenden Einfluss nimmt, den politischen Westen versucht zurückzudrängen und krisenhafte Entwicklungen zu ihren Gunsten nutzt. Diese „Achse der Autokratien” sei revanchistisch sowie antiliberal und suche den Systemwettbewerb mit den liberalen Demokratien. Laut Merz sei der derzeitige Instrumentenkasten unserer Außen- und Sicherheitspolitik nicht dazu geeignet, diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Er fordert einen Politikwechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik, um unsere Interessen und Werte effektiv durchsetzen zu können.

Dieser außen- und sicherheitspolitische Politikwechsel soll in drei Schritten erfolgen:

  1. Volle Außen-, Sicherheits- und europapolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands wiederherstellen
  2. Vertrauen bei unseren Partnern und Verbündeten in der Welt zurückgewinnen
  3. Strategische Prioritäten bestimmen und umsetzen

Bei der Wiederherstellung der eigenen Handlungsfähigkeit geht es ihm um die Anpassung der außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungsstrukturen, die Verbesserung der europapolitischen Koordinierung und die Reform der Entwicklungszusammenarbeit. Als wichtigste strukturelle Veränderung kündigte Merz die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates (NSR) im Bundeskanzleramt an. Dieser solle sich aus den mit innerer und äußerer Sicherheit beschäftigten Bundesministerien, Vertretern der Bundesländer und den wichtigsten Sicherheitsbehörden des Bundes zusammensetzen. Der NSR soll der „Dreh- und Angelpunkt für die kollektive politische Entscheidungsfindung der Bundesregierung in allen wesentlichen Fragen der Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Entwicklungspolitik und Europapolitik sein”. Darüber hinaus soll der NSR zur Entwicklung einer strategischen Kultur beitragen und Informationen zu einem umfassenden, einheitlichen Lagebild zusammenführen. Für ersteres will Merz unter anderem „mehr Gebrauch machen von der Expertise in den Stiftungen, Denkfabriken und Universitäten in unserem Land”. Er stellte auch „Geld für die Einrichtung von sicherheitspolitischen Lehrstühlen an Universitäten” in Aussicht. Zur Verbesserung der europapolitischen Koordinierung will Merz die europapolitische Sprachlosigkeit Deutschlands beenden, sich bei wesentlichen europapolitischen Fragen stärker engagieren und seine Minister zur regelmäßigen Teilnahme an den Ministerräten in Brüssel verpflichten. Die Entwicklungszusammenarbeit soll als Instrument zur Förderung unserer strategischen Interessen begriffen und konditioniert werden. Bedeutet: Empfängerstaaten müssen gewisse Bedingungen erfüllen, wie die Unterbindung illegaler Migration, Bekämpfung von Terrorismus, Zurückdrängung des geopolitischen Einflusses der Achse der Autokratien, Zurückdrängung von Korruption und Förderung von Absatzmärkten für deutsche Unternehmen. Darüber hinaus sollen Staaten, die ihre ausreisepflichtigen Staatsangehörigen nicht zurücknehmen, künftig keine Entwicklungshilfe mehr erhalten.

Bei der Rückgewinnung des Vertrauens geht es Merz vor allem darum, die Beziehungen zu Frankreich und Polen wieder zu verbessern. Gemeinsam mit Macron wolle er die Vision eines souveränen Europas verwirklichen. Und zur Verbesserung der Beziehungen mit Polen regt er einen deutsch-polnischen Freundschaftsvertrag an. Auch die Beziehungen zu Israel will Merz festigen und das faktische Exportembargo beenden. Israel solle alles bekommen, was es zur Selbstverteidigung benötige. Im Indopazifik soll Deutschland aktiv zu Stabilität und Freiheit beitragen. Dazu schlägt Merz u. a. die Errichtung einer dauerhaften, europäischen Marinebasis in der Region vor. Hinsichtlich der arabischen Halbinsel und Golf-Staaten schlägt Merz eine aktivere Diplomatie und die regionale Ausweitung der Abraham Accords vor. Darüber hinaus will er sich für neue Partnerschaften „in den Bereichen Energie, Technologie und Investitionen im umfassenden Sinne” einsetzen. Das Signal soll sein: „Auf Deutschland ist wieder Verlass”!

Bei der Bestimmung und Umsetzung von strategischen Prioritäten geht es Merz um die Erarbeitung einer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie (NSS), die in einem Dreischritt zunächst Prioritäten definiert, dann eine realistische Bestandsaufnahme unserer Ressourcen vornimmt und daraus konkrete Maßnahmen ableitet. Diese neue NSS soll die aktuell gültige aus dem Jahr 2023 ersetzen, welche „weit hinter den Notwendigkeiten” zurückbleibe, da sie keine Prioritäten setzt. Die neue NSS soll im ersten Jahr der neuen Legislaturperiode vorgelegt und durch den NSR erarbeitet werden.

Die drei wichtigsten strategischen Prioritäten sind laut Friedrich Merz:

  1. Wiederherstellung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit
  2. Stärkung der nationalen Handlungsfähigkeit und der europäischen Souveränität
  3. Beendigung des russischen Krieges gegen die Ukraine

Bei der Wiederherstellung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit soll das Leitmotiv „Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen” lauten. Dazu brauche es starke Streitkräfte, eine starke Zivilverteidigung und resiliente Infrastruktur. Um dies zu erreichen, will er in die Gesamtverteidigung investieren. Auffällig war, dass Merz sich nicht zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO oder gar zur Diskussion um noch höhere Verteidigungsausgaben geäußert hat. Zuvor hatte Merz bereits verlauten lassen, dass er zunächst das Zwei-Prozent-Ziel dauerhaft erreichen wolle und die Verteidigungsausgaben dann mit der Wirtschaft wachsen sollen. Ob dies zur Wiederherstellung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit ausreicht, darf bezweifelt werden. Dem Vorschlag eines europäischen Verteidigungsfonds erteilte Merz vorerst eine Absage. Zunächst müsste die europäische und nationale militärische Beschaffung grundlegend reformiert werden. Hierbei will er vor allem auf die drei S setzen: simplification, standardization und scale. Darüber hinaus sprach er sich für einen europäischen Binnenmarkt für Verteidigungsgüter aus.

Hinsichtlich der Beendigung des russischen Krieges gegen die Ukraine stellte Merz klar, dass die Ukraine den Krieg gewinnen müsse. Das bedeutet u. a. die Wiederherstellung der territorialen Integrität und die vollständige Freiheit in der Wahl politischer und militärischer Bündnisse. Dazu soll die Ukraine mit allen erforderlichen diplomatischen, finanziellen, humanitären und militärischen Mitteln unterstützt werden. Russland dürfe keine Chance sehen, diesen Krieg militärisch erfolgreich fortzusetzen. Zeitgleich betonte er aber natürlich auch, dass Deutschland unter keinen Umständen zur Kriegspartei werden dürfte.

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich Friedrich Merz für eine engagiertere und interessengeleitete Außen- und Sicherheitspolitik einsetzen will. Deutschland soll von einer schlafenden Mittelmacht zu einer führenden Mittelmacht werden. All diese genannten Punkte sind richtig und werden so oder so ähnlich schon seit langem von vielen verschiedenen außen- und sicherheitspolitischen Experten gefordert. Doch auch bei Merz bleibt die Frage der Finanzierung bisher größtenteils unbeantwortet!

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