NATO-Gipfel 2025 – neue Fähigkeitsziele & Verteidigungsausgaben von 153 Milliarden Euro pro Jahr

NATO-Gipfel 2025 - neue Fähigkeitsziele & Verteidigungsausgaben von 153 Milliarden Euro pro Jahr
Foto: Bundeswehr/Lea Bacherle

Der NATO-Gipfel 2025 markiert eine Zeitenwende für Deutschlands Sicherheitspolitik: Nie zuvor hat sich Berlin zu derart hohen Verteidigungs­ausgaben und einem so massiven Aufwuchs der Bundeswehr bekannt. In diesem Beitrag schauen wir uns an, welche finanziellen Kraftakte und personellen Veränderungen dahinterstecken – und warum eine Rückkehr zur Wehrpflicht immer wahrscheinlicher wird.

Das 5% Ziel

Beim NATO-Gipfel 2025 haben die Bündnispartner ein neues, ambitioniertes Ausgabenziel beschlossen: Bis spätestens 2035 sollen insgesamt fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung fließen. Davon entfallen 3,5 Prozent direkt auf die militärische Landes- und Bündnisverteidigung, während weitere 1,5 Prozent für verteidigungs- und sicherheitsrelevante Bereiche geplant sind – vom Schutz kritischer Infrastruktur und der Cybersicherheit über Zivil- und Bevölkerungsschutz bis hin zu verteidigungsrelevanter Forschung, der Stärkung der Rüstungsindustrie sowie dem Ausbau militärisch nutzbarer Straßen und Brücken. Im Jahr 2029 sollen die Ziele überprüft werden.

Deutschland hat bereits die verfassungsrechtlichen Weichen gestellt: Die Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse erlaubt künftig, Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des BIP über neue Schulden zu finanzieren. Dank dieser Regelung wächst der reguläre Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14) von gut 62 Milliarden Euro im Jahr 2025 auf knapp 153 Milliarden Euro im Jahr 2029. Ergänzt wird er zunächst durch das Sondervermögen Bundeswehr, das bis 2027 vollständig ausgeschöpft ist, sowie Mittel für Unterstützungsleistungen an völkerrechtswidrig angegriffene Staaten (Einzelplan 60). In Summe steigt der deutsche Verteidigungshaushalt von heute 2,4 Prozent des BIP auf die angestrebten 3,5 Prozent bereits 2029 – also sechs Jahre vor dem Bündnisstichtag. Parallel steigen auch die Budgets für Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste und IT-Sicherheit kontinuierlich.

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Das neue Ausgabenziel stößt in weiten Teilen der Allianz auf Zustimmung. Die Türkei, Griechenland, Großbritannien, Italien und Norwegen wollen – ebenso wie die Niederlande – spätestens 2035 fünf Prozent ihres BIP für Verteidigung ausgeben; Ankara will dabei einen Schwerpunkt auf eine moderne, bodengebundene Luftverteidigung legen. Schweden plant, seine Verteidigungsausgaben bis 2032 auf 3,5 Prozent zu steigern, und finanziert das Vorhaben über eine Neuverschuldung von rund 300 Milliarden Kronen, was rund 27 Mrd. Euro sind. Polen liegt bereits bei 4,7 Prozent und will 2026 die Fünf-Prozent-Marke reißen; Litauen peilt sogar bis zu sechs Prozent im Jahr 2030 an. Einziger Ausreißer ist Spanien: Madrid unterstützt zwar die Gipfelerklärung, beharrt jedoch darauf, mit gut zwei Prozent des BIP sämtliche NATO-Fähigkeitsziele erfüllen zu können – eine Position, die US-Präsident Trump prompt mit der Drohung höherer Zölle quittierte.

Neue Fähigkeitsziele

Neben dem neuen Ausgabenziel wurden auf dem NATO-Gipfel in Den Haag auch neue Fähigkeitsziele beschlossen. Obwohl die detaillierten Planungsziele geheim sind, ist bekannt, dass die Streitkräfte der NATO deutlich vergrößert, besser geschützt und schlagkräftiger werden sollen. Außerdem sollen sie künftig in der Lage sein, in allen fünf Domänen – Land, Luft, See, Cyber und Weltraum – zu operieren und diese Einsatzbereiche vollständig integriert zu koordinieren. Zudem muss die NATO nun ein erheblich größeres Gebiet verteidigen als noch zur Zeit des Kalten Krieges.

Im Fokus stehen besonders die Flug- und Raketenabwehr, um ballistische Raketen, Marschflugkörper und Drohnen wirksam abwehren zu können, sowie die Ausstattung mit weitreichenden Präzisionswaffen, um die Anti-Access/Aerial-Denial-Fähigkeiten (A2/AD) potentieller Gegner zu überwinden. Weitere Prioritäten liegen auf der Verstärkung von Unterstützungskräften wie Logistik-, Sanitäts- und Pioniereinheiten sowie dem Ausbau moderner Kommunikationssysteme.

Insgesamt plant die NATO eine Steigerung ihrer Fähigkeiten um 30 bis 50 Prozent. Europa und Kanada werden dabei künftig deutlich über 60 Prozent der konventionellen Fähigkeiten der Allianz stellen. Deutschland übernimmt nach den USA das zweitgrößte Fähigkeitspaket. Der genaue deutsche Anteil, der bisher bei etwa 9,3 Prozent lag, ist derzeit nicht öffentlich bekannt.

Im Detail sehen die NATO-Ziele vor, die Zahl der Kampfbrigaden um rund 50 Prozent auf 120 bis 130 zu erhöhen. Hinzu kommen 38 Divisionen (ein Plus von 14), 15 Korps (ein Plus von neun), 1.467 bodengebundene Flugabwehreinheiten (eine massive Steigerung um 1.174 Einheiten) sowie 104 Hubschrauberverbände (ein Plus von 14 Verbänden).

Um dies personell zu realisieren, benötigt allein die Bundeswehr rund 50.000 bis 60.000 Soldaten zusätzlich, sodass die aktive Truppenstärke auf 250.000 bis 260.000 Soldaten steigen wird. Als Verteidigungsumfang werden rund 460.000 Soldaten für erforderlich angesehen. Das bedeutet, zusätzlich zu den 250.000 bis 260.000 aktiven Soldaten kommen nochmal etwa 200.000 Reservisten on top. Diese Personalverstärkung soll zunächst auf freiwilliger Basis erfolgen. Parallel werden jedoch bereits Vorbereitungen für einen möglichen verpflichtenden Wehrdienst getroffen.

Speziell das deutsche Heer wird seine Fähigkeiten deutlich ausbauen müssen: Statt der bisher zugesagten zehn Kampfbrigaden wird Deutschland künftig wahrscheinlich 15 bis 17 Kampfbrigaden bereitstellen müssen. Auch die Zahl der Divisionen inklusive Divisionstruppen dürfte von drei auf fünf steigen, und statt eines Korps dürften künftig zwei Korps inklusive der Korpstruppen gefordert sein.

Im Bereich der Flug- und Raketenabwehr ist sogar eine 400-%ige Erhöhung geplant. Laut Hartpunkt plant die Bundeswehr dazu die Beschaffung von insgesamt 500 bis 600 Skyranger-30-Flugabwehrkanonenpanzern, rund 100 Flugabwehrraketenpanzern, mindestens 12 IRIS-T-SLM-Luftverteidigungssystemen und vielem mehr.

In der Dimension See bleiben die Planungsziele für Deutschland mit 15 Fregatten und 11 Minenabwehreinheiten (bzw. 12 unter Berücksichtigung des Rotationsfaktors 3) unverändert. Lediglich die Anzahl der U-Boote soll steigen. Ab 2026 soll Deutschland vier und ab 2031 fünf U-Boote in höchster und zweithöchster Bereitschaftsstufe vorhalten. Diese Planung wird im neuen Kurs Marine mit der geplanten Steigerung der U-Boot-Flotte auf neun bis zwölf Einheiten bereits abgebildet.

Abgesehen davon sind bisher keine weiteren Planungsziele an die Öffentlichkeit gelangt.

Defence Production Action Plan

Mit dem aktualisierten Defence Production Action Plan reagiert die NATO auf das Erfordernis, in einem sich rasant wandelnden Sicherheitsumfeld schneller und in größerem Umfang aufzurüsten. Herzstück des Plans ist ein Bündel von Maßnahmen, das den Bündnisstaaten helfen soll, ihre Nachfrage zu bündeln, modernste Fähigkeiten zeitnah bereitzustellen und zugleich die industrielle Kapazität nachhaltig auszubauen. Dazu gehören langfristige Aufträge und klare Bedarfssignale an die Industrie, damit Firmen ihre Produktionskapazitäten verlässlich hochfahren können.

Ergänzend hat die Allianz – in enger Abstimmung mit Unternehmen – ihre erste kommerzielle Weltraumstrategie verabschiedet. Sie erlaubt es, kommerzielle Raumfahrtlösungen flexibler und deutlich schneller in NATO-Vorhaben einzubinden, und sorgt dafür, dass der Allianz im Frieden wie in Krisen und Konflikten ein stetiger Zugang zu Raumfahrtressourcen offensteht. Gleichzeitig sollen neue Geschäftsmöglichkeiten geschaffen und bürokratische Hürden im Beschaffungsprozess abgebaut werden, um mehr Anbieter anzuziehen und die Zusammenarbeit im Bündnis weiter zu verbessern.

Schließlich beschleunigt der Rapid Adoption Action Plan die Einführung neuer Technologien in allen militärischen Domänen. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich zu schnelleren Zulassungs- und Beschaffungsverfahren, stellen dafür ausreichende Mittel bereit und akzeptieren bewusst höhere Entwicklungsrisiken in frühen Phasen. Einheitliche, deutlich ausgesandte Bedarfssignale sowie neue Test- und Experimentiermöglichkeiten in realitätsnahen Einsatzumgebungen – etwa durch die NATO Innovation Ranges und die Skalierung des Task-Force-X-Modells – sollen den Weg von innovativen Produkten in die Truppe spürbar verkürzen. Gemeinsam bilden diese drei Säulen ein eng verzahntes Gesamtpaket, das die Rüstungs- und Innovationskraft des Bündnisses nachhaltig stärken soll.

Unterstützung der Ukraine

Auf dem diesjährigen NATO-Gipfel spielte die Unterstützung für die Ukraine zwar nur eine Nebenrolle, blieb aber dennoch präsent. Die Bündnispartner betonten erneut, Kiew weiterhin militärisch und wirtschaftlich zu unterstützen, da das Land ohne diese Hilfen den russischen Angriffen kaum standhalten könnte. Vor allem osteuropäische Staaten drängen weiterhin darauf, die Ukraine bald in die NATO aufzunehmen. Anders als beim letzten Gipfel verzichtete man diesmal jedoch auf Formulierungen, die einen klaren Weg zur Mitgliedschaft der Ukraine andeuten. Ein offizieller Aufnahmeprozess ist insbesondere während des laufenden Krieges nahezu ausgeschlossen.

Fazit

Der NATO-Gipfel 2025 markiert für Deutschland einen historischen Wendepunkt – mit gewaltigen finanziellen und personellen Konsequenzen. Erstens zwingt das neue Fünf-Prozent-Ziel der NATO Berlin, seine Ausgaben in nie dagewesenen Tempo hochzufahren. Allein bis 2029 plant die Bundesregierung die Aufnahme von neuen Schulden in Höhe von 847 Milliarden Euro für die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und zur Modernisierung der Infrastruktur. Das entspricht etwa einem Drittel der Gesamtverschuldung der Bundesrepublik. Damit ist die Schuldenbremse faktisch Geschichte und künftige Haushalte werden aufgrund des Schuldendienstes unter enormen Druck geraten.

Zweitens verlangt der geplante Aufwuchs der Streitkräfte auf 250 000 – 260 000 aktive Soldaten und 200 000 Reservisten einen tiefen gesellschaftlichen Eingriff. Freiwilligkeit allein wird das Delta von 50 000 – 60 000 neuen aktiven Soldatinnen und Soldaten kaum schließen – erst recht nicht bei gleichzeitigem Fachkräftemangel und demografischem Wandel. An einer wie auch immer gearteten Wehrpflicht werden wir daher früher oder später nicht vorbeikommen, wenn die ehrgeizigen neuen Fähigkeitsziele erreicht werden sollen.

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