Nachfolge Wiesel 1 – der neue Schwere Waffenträger Infanterie

Schwerer Waffenträger Infanterie löst Wiesel ab
Foto: Australian Government Defense/LSIS Nadav Harel

Seit der Auswahlentscheidung im Februar 2022 steht fest, dass der Schwere Waffenträger Infanterie auf Basis des australischen Combat Reconnaissance Vehicle, kurz CRV, realisiert werden soll. Am 10. Juli 2023 wurde ein Grundsatzabkommen zwischen Deutschland und Australien für die geplante Beschaffung unterzeichnet. Dieses basiert auf der Zusammenarbeitserklärung, welche der parlamentarische Staatssekretär Hitschler am 23. März 2023 in Australien unterzeichnet hat. Am 20. März 2024 hat dann der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages der Beschaffung von 123 Schweren Waffenträger Infanterie für 1,943 Milliarden Euro zugestimmt. Nur einen Tag später wurde der Government-to-Government-Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Australien unterzeichnet. Neben den 1,9 Mrd. Euro wurden weitere 750 Millionen Euro für einen sogenannten Integrated Logistic Support Vertrag freigegeben, welcher die Einsatzfähigkeit der Schweren Waffenträger nach der Lieferung sicherstellen soll. Insgesamt beläuft sich das Kostenvolumen also auf 2,693 Mrd. Euro, die vollständig aus dem Sondervermögen der Bundeswehr finanziert werden sollen. Laut Hartpunkt.de sind die Auftragnehmer Rheinmetall Defence Australia und die Rheinmetall Landsysteme GmbH. Bereits nächstes Jahr sollen die ersten 19 Serienfahrzeuge an die Truppe geliefert werden. Die restlichen sollen bis Anfang 2030 folgen, mit einer Auslieferungsquote von jährlich rund 25 Stück. Der Schwere Waffenträger Infanterie soll die veralteten Wiesel MK & MELLS in den Jägerbataillonen ersetzen. In einem ersten Schritt soll jedes Jägerbataillon 12 Boxer CRV erhalten. In der Zielstruktur soll jedes Jägerbataillon über 26 Schwere Waffenträger Infanterie verfügen. Jeweils vier in den schweren Zügen der drei Kampfkompanien als direkte taktische Feuerunterstützung. Und 14 in den schweren Kompanien der Jägerbataillone, die entweder die Kampfkompanien unterstützen oder ein eigenes Manöverelement bilden können. Der Schwere Waffenträger Infanterie soll sowohl zur begleitenden als auch zur direkten taktischen Feuerunterstützung genutzt werden können.

Mein YouTube-Video zu der Thematik:

Fahrmodul – GTK Boxer

Bevor wir zum eigentlichen Schweren Waffenträger Infanterie kommen, noch kurz ein paar Informationen zum GTK Boxer als solches, damit wir alle auf dem gleichen Stand sind. Der GTK Boxer ist ein 8×8-Radfahrzeug welches in der Bundeswehr für Führungs-, Unterstützungs- und Transportaufgaben genutzt wird. Aktuell verfügt die Truppe über 405 Boxer in vier verschiedenen Varianten. Aufgrund der Trennung zwischen Fahr- und Missionsmodul wird ein höchstmögliches Maß an Modularität erreicht. Der GTK Boxer verfügt über einen 720 PS starken Motor, der das Fahrzeug auf maximal 103 km/h beschleunigt. Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 36,5 Tonnen. Der Boxer ist gegen direkten Beschuss, Panzerabwehrminen und Artilleriesplitter geschützt. Neben dem ballistischen Schutz verfügt der GTK Boxer noch über eine Nebelmittelwurfanlage, mit deren Hilfe sich das Fahrzeug der gegnerischen Sicht entziehen kann. Die Bewaffnung besteht aus einer fernbedienbaren leichten Waffenstation FLW 200, die wahlweise mit einer 40-mm-Granatmaschinenwaffe oder einem schweren Maschinengewehr im Kaliber 12,7 mm ausgerüstet werden kann. Der GTK Boxer ist bereits als Führungsfahrzeug und Gruppentransportfahrzeug in den Jägerbataillonen eingeführt und ist somit der zentrale Mobilitätsträger der Jägertruppe. Somit lag die Entscheidung nahe, auch den Schweren Waffenträger Infanterie auf Basis des GTK Boxer zu realisieren.

Missionsmodul – Schwerer Waffenträger Infanterie

Der Schwere Waffenträger Infanterie basiert wie gesagt auf dem GTK Boxer, genauer gesagt auf dem australischen Boxer CRV Block II. Dieser verfügt über ein neues Fahrmodul, welches bisher noch nicht in der Bundeswehr eingeführt ist. Dieses verstärkte Fahrmodul ist notwendig, um das erhöhte Gefechtsgewicht aufgrund des Kampfturmes zu händigen. So wurde das zulässige Gesamtgewicht der australischen Boxer CRV auf 38,5 Tonnen erhöht. Die Besatzung des zukünftigen Schweren Waffenträger Infanterie wird auf einem Kommandanten, einem Richtschützen und einem Fahrer bestehen. Kommandant und Richtschütze finden im bemannten Lance-2-Block II-Turm von Rheinmetall Platz. Die Truppe hat sich für einen bemannten Turm entschieden, da nur so ein direkter Sichtkontakt und eine direkte Absprache mit der abgesessen kämpfenden Infanterie sichergestellt werden. Die Bewaffnung besteht aus einer 30-mm-Maschinenkanone MK 30-2/ABM, welche sich bereits im Schützenpanzer Puma bewährt hat. Die maximale Kampfentfernung der Maschinenkanone liegt bei 3.000 Metern. Daneben wird der Schwere Waffenträger Infanterie auch noch über ein koaxiales Maschinengewehr im Kaliber 7,62 mm verfügen. Sowie über einen integrierten Werfer für das Mehrrollenfähige leichte Lenkflugkörper System, sehr wahrscheinlich in der Version LR2 mit einer maximalen Kampfentfernung von 5.000 Metern. Technisch möglich wäre auch noch die Installation einer fernbedienbaren Waffenstation auf dem Turmdach mit einem 40 mm-Granatenwerfer oder einem schweren Maschinengewehr. Allerdings ist dies wohl von der Bundeswehr bisher nicht vorgesehen. Der Schwere Waffenträger Infanterie soll über störresiliente Funk- und Führungsausrüstung verfügen, welche den Anforderungen des Heeres im Rahmen des Vorhabens Digitalisierung landbasierter Operationen entsprechen. Im Gegensatz zum australischen Boxer CRV wird der Schwere Waffenträger Infanterie nicht über eine eigene Absitzkomponente verfügen, sondern den hinteren Kampfraum vorerst zur Mitnahme von mehr Munition verwenden. Die strategische Verlegbarkeit soll auf dem See-, Schienen- und Luftweg möglich sein. Dafür sollen die Fahrzeuge beispielsweise mit einem A400M transportiert werden können.

Ausblick

Bei der Planung des Schweren Waffenträgers wurde auch darauf geachtet, dass das System zukünftig noch Aufwuchspotenzial hat. Insbesondere in den Bereichen Schutz, Bewaffnung, Sensoren sowie die Nutzung des hinteren Kampfraums. Der Ukrainekrieg verdeutlicht, wie wichtig eine hochmobile Gefechtsführung mit hoher Abstandsfähigkeit ist, insbesondere gegen mechanisierte Feinde. Diese Lehre wird bereits jetzt durch die Forderung nach einem modularen hinteren Kampfraum in der Planung berücksichtigt. Die Idee des Heeres ist es beispielsweise, den Schweren Waffenträger Infanterie zukünftig als Trägerplattform für Unmanned Aerial Vehicles, kurz UAVs, und Unmanned Ground Vehicles, kurz UGVs, zu nutzen. So sollen die UAVs beispielsweise die Zielaufklärung verbessern und in Kombination mit weitreichenden Panzerabwehrlenkflugkörpern die Abstandsfähigkeit erhöhen. Die Unmanned Ground Vehicles sollen im hinteren Kampfraum mitgeführt werden können. Hier sind vor allem Combat-UGVs, als UGVs, die beispielsweise mit einer Maschinenkanonen bewaffnet sind, im Fokus des Heeres. Diese sollen aus dem Fahrzeug heraus bedient werden können und so beispielsweise direkte Feuerunterstützung für abgesessene Kräfte liefern, welche in durchschnittenen, infanteriegünstigen Gelände operieren. Auch über die Mitnahme von Loitering Munitions wird nachgedacht.

Fazit

Der Schwere Waffenträger Infanterie ist eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das wichtigste Vorhaben zur Realisierung der Mittleren Kräfte im Deutschen Heer. Aufgrund des höheren Schutzniveaus und der leistungsstärkeren Bewaffnung des Schwere Waffenträger Infanterie im Vergleich zu den aktuell in Nutzung befindlichen Waffenträgern Wiesel MK&MELLS wird die Durchsetzungs- und Durchhaltefähigkeit der Jägertruppe deutlich erhöht. Gleichzeitig bleibt der logistische Mehraufwand überschaubar, da der Schwere Waffenträger Infanterie auf dem bereits in den Jägerbataillonen eingeführten GTK Boxer basiert. Ausnahmsweise ist auch mal die Finanzierung dieses Vorhabens dank des Sondervermögens gesichert. Und da man auf eine teure und langwierige Eigenentwicklung zugunsten einer military-off-the-shelf-Lösung verzichtet, dürfte es auch nicht zu erheblichen Verzögerungen oder Mehrkosten bei dem Vorhaben kommen.

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