HK416 A8 – das neue Sturmgewehr der Bundeswehr

HK416 A8
Foto: Moritz Riffel

Am 14. Dezember 2022 hat der Haushaltsausschuss des Bundestages den Weg zur Beschaffung der „Basiswaffe zum System Sturmgewehr“ freigemacht. Dabei handelt es sich um das HK416 A8 von Heckler & Koch. Dieses soll das bisherige Standardgewehr G36 aufgrund von angeblichen Präzisionsmängeln dazu später mehr ablösen. Insgesamt ist die Beschaffung von bis zu 118.718 Sturmgewehren in zwei Varianten inklusive Zubehör geplant. Die Mindestbestellmenge beläuft sich auf 13.929 Sturmgewehre in der Langrohrvariante und 3.104 Sturmgewehre in der Kurzrohrvariante für die spezialisierten Kräfte. Das gerade erwähnte Zubehör umfasst unter anderem Magazine, Picatinny-Schienen zur seitlichen Montage von Aufsätzen, Zweibeine, Trageriemen, angewinkelte Strumgriffe, Signaturdämpfer, Transporttaschen und vieles mehr. Das HK416 A8 wird in der Bundeswehr als G95A1 bzw. G95KA1 für die Kurzrohrvariante bezeichnet. Diese Katalogisierung folgt der Benennung des HK416 A7, welches bereits 2017 als G95K bei den Spezialkräften der Bundeswehr eingeführt wurde. 

Und was kostet den Steuerzahler der ganze Spaß? Nun, alleine die Beschaffung der rund 118.000 Sturmgewehre inklusive Zubehör schlägt mit 273,3 Mio. Euro zu Buche. Hinzu kommen Materialerhaltungskosten in Höhe von rund 171 Mio. Euro für die geplante Nutzungsdauer bis 2051. Und Kosten in Höhe von ca. 80,5 Mio. Euro für die Anpassungen der Ausbildungssimulatoren und gegebenenfalls notwendige Änderungen an Waffenhalterungen in Fahrzeugen. Die Kosten für die Beschaffung der neuen Hauptkampfvisiere und Laser-Licht-Module für das neue Sturmgewehr kommen noch oben drauf. Insgesamt veranschlagt das Bundesverteidigungsministerium rund 656,5 Mio. Euro für die Beschaffung des „Systems Sturmgewehr Bundeswehr“.

Kommen wir zum Auslieferungszeitplan. Bereits ausgeliefert sind 390 Sturmgewehre für die integrierte Nachweisführung. Davon gingen 40 Exemplare an die Wehrtechnische Dienststelle 91 für die Qualifizierung und 350 Gewehre an die Truppe zur Einsatzprüfung. Sofern die integrierte Nachweisführung erfolgreich abgeschlossen wird, erfolgt die Serienfertigung. Erfahrungsgemäß kommt es jedoch im Zuge der integrierten Nachweisführung meist noch zu Erkenntnissen, die zu Veränderungen des Konstruktionsstandes führen können. Sprich, der aktuelle Konstruktionsstand muss noch nicht dem Finalen entsprechen. Im Zeitraum von 2026 bis 2031 soll dann die Auslieferung des G95A1 und KA1 erfolgen. Also rund 20.000 Stück pro Jahr. 

Das neue Sturmgewehr soll dann künftig auch in das System „Infanterist der Zukunft – Erweitertes System“ integriert werden. In dem ja aktuell noch das G36 genutzt wird. Auch das G36 soll übrigens weiter genutzt werden, und zwar zur Ausstattung der Reserve.

Mein Videobeitrag zu der Thematik:

G95A1

Das G95A1 ist eine weiterentwickelte Variante des ursprünglichen HK416, dessen Entwicklung bereits 2002 begann. Das HK416 kombiniert dabei die weit verbreitete AR-15-Architektur mit dem zuverlässigen Kurzhub-Gaskolbensystem des G36. 2005 begann die Serienproduktion und seitdem gab es einige Weiterentwicklungen. Die aktuell modernste Variante ist das HK416 A8, Bundeswehr-Bezeichnung G95A1. Beim HK416 handelt es sich dabei um ein weit verbreitetes und kampferprobtes Strumgewehr. In Deutschland ist das HK416 wie bereits erwähnt schon in der A7-Variante bei den Spezialkräften der Bundeswehr im Einsatz und auch verschiedene Polizeibehörden nutzen das Gewehr. Frankreich und Norwegen nutzen das HK416 bereits als Standardsturmgewehr für ihre Streitkräfte. Und auch die US-Streitkräfte setzen es in verschiedenen Versionen bei Spezialkräften und dem U.S. Marine Corps ein. 

Beim G95A1 handelt es sich um die Langrohrvariante des HK416 A8 mit einer Rohrlänge von 16,5 Zoll. Das Gewicht beträgt 4,6 kg inklusive Hauptkampfvisier. Das G95 ist ein indirekter Gasdrucklader mit dem aus dem G36 bekannten Kurzhub-Gaskolbensystem und einem Drehverschluss. Zu den wichtigsten Konstruktionsmerkmalen zählen die Unterbringung der Schließfeder in der Schulterstütze und der zentrale Ladehebel. Sicherungs- und Feuerwahlhebel sowie Magazininhaltehebel und Kammerfang sind beidseitig bedienbar. Die Schulterstütze ist sowohl in der Länge als auch in der Höhe verstellbar dank integrierter Schaftbacke. Das Gewehr verfügt über das Kaliber 5,56 × 45 mm NATO und ist in der Lage, verschiedenste Munitionssorten zu verschießen. Unter anderem Hartkern-, Doppelkern-, Weichkern- und Übungsmunition. Die effektive Hauptkampfentfernung beträgt bis zu 450 Meter und bis auf 650 Meter kann man mit dem Gewehr noch präzises Unterdrückungsfeuer leisten. Diese Werte sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, da sie je nachdem, welche Munition und Optik verwendet werden, abweichen können. Die maximale Feuerrate beträgt bis zu 850 Schuss pro Minute bei Verwendung der DM11-Munition. Die Munition wird mittels AR-15-kompatiblen Kunststoffmagazinen des Typs HK-GEN3 mit 30 Patronen zugeführt. Welche bereits durch die Beschaffung des G95K für die Spezialkräfte in die Truppe eingeführt wurden. Es können allerdings auch andere Magazine verwendet werden. Dank sogenannter Fluid-Öffnungen und weiterer patentierter Merkmale verfügt das G95 auch über die Over-the-Beach-Fähigkeit. Das bedeutet, dass die Gewehre auch für amphibische Einsätze geeignet sind, da eingedrungenes Wasser nach dem Auftauchen schnell aus der Waffe gelangen kann und diese dadurch zügig wieder einsatzbereit ist. Ein weiteres Merkmal des G95 ist die verstellbare Gasabnahme für den Schalldämpferbetrieb. Das hat den Vorteil, dass bei der Verwendung eines Schalldämpfers weniger Gas in die Richtung des Schützen geblasen wird. Und sollte es mal hart auf hart kommen, besteht auch noch die Möglichkeit, ein Bajonett zu montieren.

G95A1 / Foto: Moritz Riffel

G95KA1

Beim G95KA1 handelt es sich um die Kurzrohrvariante des HK416 A8 mit einer Rohrlänge von 14 Zoll. Folglich ist es kompakter als das Standard G95A1 und insbesondere für den Einsatz im urbanen Raum oder für den Grabenkampf geeignet. Es ist vor allem für die Nutzung bei den spezialisierten Kräften der Bundeswehr vorgesehen. Im Vergleich zum G95A1 wiegt es mit ca. 3,5 kg ungefähr 100 g weniger, was der kompakteren Bauweise zu verdanken ist. 

G95KA1 / Foto: Moritz Riffel

Zubehör

Kommen wir zum Zubehör für das neue Sturmgewehr. Als neues Hauptkampfvisier wird das ELCAN Specter DR 1-4x von Raytheon dienen. Das Visier ist 153 mm lang, 75 mm hoch, 67 mm breit und wiegt rund 630 Gramm. Es lässt sich auf allen Handwaffen anbringen, die über eine Picatinny-Schiene verfügen. Das Visier verfügt über eine Ein- bis Vierfachvergrößerung und ist mit Wärmebildgeräten und Nachtsichtvorsätzen kompatibel. 

Des Weiteren werden die neuen Sturmgewehre auch mit einem neuen Laser-Licht-Modul von Rheinmetall Soldier Electronics ausgestattet. Dabei handelt es sich um das LLM-VarioRay mit einem Gewicht von 250 Gramm. Auch das Laser-Licht-Modul lässt sich mittels Picatinny-Schiene an jede Handwaffe montieren. Es verfügt über eine leistungsstarke einstellbare Weißlichtlampe sowie zwei Zielmarkierungslaser. Ein sichtbarer roter Laser und ein unsichtbarer Infrarot-Lasermarkierer. Dank dieser Eigenschaften erhöht das LLM-VarioRay die Nachtkampffähigkeit der damit ausgestatteten Soldaten signifikant. 

Neben den beiden gerade genannten Aufsetzen kann das G95 auch noch mit Signaturdämpfern, Sturmgriffen, einem Zweibein, Trommelmagazin oder einem Unterlaufgranatwerfer ausgerüstet werden.

ELCAN Specter DR 1-4x / Foto: Moritz Riffel

G95A1 vs. G36

Kommen wir zu der Frage, inwieweit sich das neue G95 vom bisherigen Standardgewehr G36 unterscheidet. Erstens, es verfügt über einen geringeren Kunststoffanteil als das G36 und besteht größtenteils aus Metallteilen. Der Vorteil dieser Konstruktion ist, dass das G95 auch bei extremen thermischen Bedingungen eine bessere Präzision aufweist. Es ist also im Vergleich zum G36 robuster und belastbarer. Der Nachteil dieser Konstruktion ist das Gewicht. Zum Vergleich: Das G95A1 mit Hauptkampfvisier wiegt rund 4,6 Kilogramm. Das G36 in der gleichen Konfiguration hingegen nur 3,8 kg. Es ist also knapp einen Kilo schwerer als das G36. Hört sich erstmal nicht viel an, macht aber durchaus einen Unterschied für den einzelnen Soldaten. 

Zweitens: Das G95 verfügt über eine serienmäßig verbaute und verstellbare Gasabnahme für den Schalldämpferbetrieb, das G36 nicht. Eine klare Verbesserung im Vergleich zum Vorgänger. Warum habe ich eben beschrieben. 

Drittens: Das G95A1 verfügt im Gegensatz zum G36 über eine lange durchgehende Picatinny-Schiene auf dem Gehäuseoberteil, was mehr Flexibilität beim Zubehör bietet.

Viertens, und das ist leider ein Nachteil: Das G95 ist weniger kompakt als das G36. Das liegt an dem langen Pufferrohr, aufgrund dessen das Gewehr nicht zusammengeklappt werden kann. Die Schulterstütze wird beim G95 also für das Funktionieren der Waffe benötigt. Das G36 hingegen ist auch mit eingeklappter Schulterstütze funktionsfähig.

G95A1 vs. G36 / Foto: Moritz Riffel

Fazit

Zum Schluss ein kurzes Fazit meinerseits. Wie eingangs bereits erwähnt, soll das G36 aufgrund angeblicher Präzisionsmängel ersetzt werden. Warum angeblich? Nun, da die allermeisten Vorwürfe gegen das G36 in der Zwischenzeit wieder ausgeräumt wurden. Die Waffe wurde mit folgenden Anforderungen entwickelt: Präzises Einzelfeuer, so leicht wie möglich, und Einsatz in Mitteleuropa. Und genau diese ursprünglichen Anforderungen erfüllt das G36 auch. Die Präzisionsprobleme rührten schlicht und ergreifend daher, dass das G36 für die Einsatzrealitäten, wie sie in Afghanistan vorherrschten, nicht konzipiert war. Das G36 ist also nicht von mangelnder Qualität oder hat eine schlechte Präzision. Vielmehr haben Politik und Bundeswehr es versäumt, die in den Auslandseinsatz gehenden Soldaten mit Waffen auszurüsten, die für diese Einsätze auch geeignet sind. Das wird jetzt nach über zehn Jahren nach Bekanntwerden der Probleme des G36 bei hohen Temperaturen und langanhaltendem Dauerfeuer geändert. Nun bekommt die Truppe ein robustes und weltweit einsetzbares Sturmgewehr. Bei dem es sich, da sind sich die meisten Waffenexperten einig, es um das beste AR-System der Welt handelt. Aber handelt es sich auch um das beste Sturmgewehr für die Bundeswehr? Da gibt es durchaus verschiedene Meinungen. Kritisiert werden unter anderem das zu schwache Kaliber oder zumindest die fehlende Multikailberfähigkeit, die teure und schwere Schnittstellenlösung, die zu geringe Vergrößerung des neuen Hauptkampfvisiers und der unnütze Forward Assist. Zur Schnittstellen-Thematik: Die Bundeswehr hat zum Anbringen von Zubehör Picatinny-Schienen gefordert, jedoch nicht definiert, auf welcher Basis dieser angebracht werden sollen. Aktuell wird dafür noch HKey genutzt. Eine Alternative wäre bspw. MLOCK. Heckler & Koch geht davon aus, dass man sich im Rahmen der aktuell stattfindenden Integrierten Nachweisführung auf eine direkte Schnittstelle einigen wird. Auch der Forward Assist wird teilweise kritisiert, da er zur Funktionsfähigkeit der Waffe nicht benötigt wird. Allerdings kann der Forward Assist zum leiseren Schließen oder Verriegeln der Waffe genutzt werden. Die Befürworter der HK416 halten dagegen, dass es sich um ein weit verbreitetes und kampferprobtes Sturmgewehr handelt. Wer hat Recht? Das vermag ich nicht zu beurteilen. Sicher ist nur eines: Das neue G95A1 bzw. KA1 erfüllt die von der Bundeswehr gestellten Anforderungen. Stellt sich nur die Frage, ob die richtigen Anforderungen gestellt wurden. Aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag. Zusammenfassend kann man, denke ich, sagen, dass das G95 ein gutes Sturmgewehr ist und auch im Vergleich zum G36 einen Fortschritt darstellt. 

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