Die Bundeswehr plant die Beschaffung von mehr als 3.000 zusätzlichen GTK Boxer für rund 40 Milliarden Euro. Das Projekt trägt den Titel „Arminius“ und dürfte eines der größten Beschaffungsvorhaben in der Geschichte der Bundeswehr werden.
Arminius
Aktuell verfügt die Bundeswehr über 403 GTK Boxer – darunter 256 Gruppentransportfahrzeuge, 65 Führungsfahrzeuge, 72 schwere geschützte Sanitätskraftfahrzeuge sowie 10 Fahrschulfahrzeuge. Darüber hinaus sind 150 Radschützenpanzer „Schakal“, 123 „Schwere Waffenträger Infanterie“, 19 Skyranger 30, 38 weitere Sanitätskraftfahrzeuge und 10 zusätzliche Fahrschulfahrzeuge bestellt. Nach Auslieferung dieser Bestellungen wird der Gesamtbestand der Bundeswehr auf 743 GTK Boxer anwachsen.
Im Rahmen des Programms „Arminius“ könnten nun zusätzlich mehr als 3.000 weitere Boxer beschafft werden. Das potenzielle Gesamtvolumen des Vorhabens beläuft sich laut Rheinmetall-CEO Armin Papperger auf bis zu 40 Milliarden Euro, wovon rund 22 Milliarden Euro auf Rheinmetall entfallen würden. Die Beschaffung soll über die ARTEC GmbH abgewickelt werden – ein Joint Venture von Rheinmetall und KNDS Deutschland, an dem Rheinmetall direkt und indirekt zu 64 Prozent beteiligt ist.
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Die von Papperger genannte Summe von bis zu 40 Milliarden Euro würde allerdings nur dann erreicht, wenn der vollständige Bedarf der Streitkräfte gedeckt wird. Dieser liegt laut übereinstimmenden Medienberichten bei über 3.000 zusätzlichen Systemen. Mit dieser Menge ließen sich nicht nur die Vollausstattung der Truppe, sondern auch ein signifikanter Aufwuchs sowie eine großzügige Umlaufreserve realisieren. Die Auslieferung einer derart großen Menge an Fahrzeugen würde jedoch deutlich über das Jahr 2035 hinaus andauern.
Obwohl Insider gegenüber Hartpunkt bestätigt haben, dass „Arminius“ tatsächlich das Potenzial für mehrere tausend Fahrzeuge besitzt, plant die Bundeswehr im ersten Schritt „nur“ die Festbeauftragung von rund 1.800 Boxer-Fahrzeugen. Hierfür soll eine Rahmenvereinbarung mit der ARTEC GmbH geschlossen werden, die den Abruf verschiedener Fahrzeugvarianten ermöglicht. Statt für jede Variante einen separaten Vertrag abzuschließen, soll ein umfassender Rahmenvertrag mit einer Festabnahmemenge von etwa 1.800 Fahrzeugen sowie zusätzlichen Optionen vereinbart werden.
Über diesen Rahmenvertrag könnten künftig nahezu alle Boxer-Varianten beschafft werden – ausgenommen der Radschützenpanzer „Schakal“, der weiterhin über die OCCAR beschafft wird. Es gilt zudem als möglich, dass einzelne Projekte, beispielsweise die Variante RCH 155, bereits vor Abschluss des Gesamtvertrages vorab abgerufen werden.
Papperger erklärte in einem Analystengespräch, dass der Vertragsabschluss im ersten oder zweiten Quartal 2026 erfolgen könnte. Sollte dies eintreten, müssten Rheinmetall und KNDS Deutschland ihre Produktionskapazitäten so ausbauen, dass in Spitzenzeiten zwei bis drei Boxer pro Tag gefertigt werden können.
Varianten
Also welche Boxer-Varianten sollen im Rahmen von “Arminius” beschafft werden? Sowohl bereits eingeführte als auch neue!
Gruppentransportfahrzeuge

Erstens ist die Beschaffung zusätzlicher Gruppentransportfahrzeuge (GTFz) geplant. Davon verfügt die Bundeswehr bereits, wie gesagt, über 256 Stück. Diese dienen insbesondere als Transportfahrzeuge für die Jägerbataillone. Dass nun weitere Fahrzeuge dieser Variante beschafft werden sollen, deutet zum einen daraufhin, dass nun eine Umlaufreserve etabliert werden soll und zum anderen möglicherweise ein Aufwuchs der Jägertruppe geplant ist. Wie viele Gruppentransportfahrzeuge zusätzliche beschafft werden sollen ist bislang nicht bekannt.
Führungsfahrzeuge

Zweitens ist die Beschaffung weiterer Führungsfahrzeuge geplant. Von dieser Variante hat die Bundeswehr aktuell, wie bereits erwähnt, 65 Fahrzeuge. Auch hier dürfte die Beschaffung zusätzlicher Fahrzeuge der Etablierung einer Umlaufreserve sowie dem Aufwuchs des Heeres dienen. Wie viele Führungsfahrzeuge zusätzlich beschafft werden sollen, ist bislang ebenfalls nicht bekannt.
Sanitätskraftfahrzeuge

Drittens ist die Beschaffung weiterer schwerer geschützter Sanitätskraftfahrzeuge geplant. Aktuell verfügt die Bundeswehr bereits über 72 dieser Fahrzeuge, weitere 38 Stück sind für 351 Millionen Euro bestellt. Nach Zulauf dieser bestellten Fahrzeuge wird die Truppe über 110 Sanitätskraftfahrzeuge auf Basis des GTK Boxer verfügen. Den Gesamtbedarf der Bundeswehr deckt dies jedoch bei Weitem nicht: Allein zur Vollausstattung der 10. Panzerdivision werden rund 200 dieser Sanitätskraftfahrzeuge benötigt. Sollte es tatsächlich auf vier mechanisierte Divisionen in der künftigen Heeresstruktur hinauslaufen, und jede Division rund 200 solcher Sanitätsfahrzeuge benötigen, dürfte der strukturelle Gesamtbedarf bei rund 800 schweren geschützten Sanitätsfahrzeugen liegen.
Fahrschulfahrzeuge

Viertens dürfte es auch zu einer Beschaffung weiterer Fahrschulfahrzeuge kommen. Die Bundeswehr verfügt bereits über 10 dieser Fahrzeuge, weitere 10 Stück sind für 67 Millionen Euro bestellt. Sollte die Bundeswehr tatsächlich tausende zusätzliche GTK Boxer bestellen, dürfte auch der Bedarf nach Fahrschulfahrzeugen steigen.
Schwerer Waffenträger Infanterie

Fünftes dürfte es auch zu einer Beschaffung weiterer Schwerer Waffenträger Infanterie kommen. Bisher sind 123 Stück für rund 1,94 Milliarden Euro bestellt. Diese sollen die Waffenträger Wiesel 1 in den Jägerbataillonen, nicht in den Fallschirmjäger- und Gebirgsjägerverbänden, ablösen. Jedes Jägerbataillon soll über 26 Schwere Waffenträger Infanterie verfügen. Jeweils vier in den schweren Zügen der drei Kampfkompanien als direkte taktische Feuerunterstützung. Und 14 in den schweren Kompanien der Jägerbataillone, die entweder die Kampfkompanien unterstützen oder ein eigenes Manöverelement bilden können. Die 123 bestellten Fahrzeuge reichen also aus um vier Jägerbataillone sowie die Schul- und Übungsorganisation auszustatten. Für die geplante Umlaufreserve von 40 Prozent sowie für einen möglichen Aufwuchs der Jägertruppe müssten weitere Systeme bestellt werden.
Skyranger 30

Sechstens ist die Beschaffung weiterer Flugabwehrkanonenpanzer vom Typ Skyranger 30 A3 geplant. Aktuell sind bereits 19 Stück für rund 650 Millionen Euro bestellt. Den Bedarf der Streitkräfte deckt dies jedoch nicht ansatzweise. Laut übereinstimmenden Medienberichten plant die Bundeswehr die Beschaffung von insgesamt 500 bis 600 Skyranger 30, die Teilstreitkräfte- und Organisationsbereich übergreifend eingesetzt werden sollen. Das potenzielle Gesamtvolumen beläuft sich auf bis zu 9 Milliarden Euro. Kritisch bei der Beschaffung des Skyranger 30 ist jedoch der Zeitplan. Bereits die bestellten 19 Fahrzeuge sind rund 18 Monate verspätet. Trotz beschleunigter Beschaffungsmaßnahmen und vorgezogener Teilprojekte im Bereich Nah- und Nächstbereichsschutz (NNbS) rechnet das Beschaffungsamt BAAINBw nun erst ab 2028 mit der Auslieferung. Angesichts dessen, dass der Skyranger 30 eine der kritischsten Fähigkeitslücken der Bundeswehr, die mobile Flugabwehr im Nah- und Nächstbereich, schließen soll, sind das besonders bittere Nachrichten für die Truppe.
Flugabwehrraketenpanzer

Siebtens ist die Beschaffung neuer Flugabwehrraketenpanzer geplant. Diese ergänzen den Skyranger 30 mit ihrer deutlich weiterreichenden Flugkörperbewaffnung und bilden damit die zweite Säule des Nächstbereichsschutzes im Luftverteidigungssystem Nah- und Nächstbereichsschutz (LVS NNbS). Ihre Hauptaufgabe ist die Bekämpfung von Starr- und Drehflüglern sowie Marschflugkörpern jenseits der Zehn-Kilometer-Marke. Hierfür erhält der Turm einen Werfer mit vier IRIS-T-SLS Flugkörpern. Der Bedarf der Bundeswehr liegt laut Informationen der WELT bei rund 140 Systemen bis 2029 und etwa 170 Systemen bis 2035.
Feuerleitpanzer

Achtens ist die Beschaffung neuer Feuerleitpanzer geplant. Diese sollen ebenfalls im Rahmen des LVS NNbS zum Einsatz kommen und dienen der Koordinierung des Feuerkampfs, vor allem im Nahbereich. Angesichts dessen, dass mindestens zwölf, möglicherweise sogar 24 LVS NNbS Feuereinheiten beschafft werden sollen und pro Staffel drei Feuerleitpanzer benötigt werden, dürfte sich der Gesamtbedarf auf mindestens 36 bis 72 Systeme plus eine mögliche Umlaufreserve belaufen.
RCH 155

Neuntens ist die Beschaffung von Radhaubitzen des Typs RCH 155 geplant. Diese werden unter anderem zur Realisierung der neuen Kräftekategorie des Deutschen Heeres, den Mittleren Kräften, benötigt. Laut dem Zielbild Einsatzkräfte Heer liegt der Bedarf bei 168 Radhaubitzen. Sie sollen in den beiden Divisionsartilleriebataillonen und den drei mittleren Brigadeartilleriebataillonen zum Einsatz kommen. Aufgrund des geplanten Aufwuchses auf vier mechanisierte Divisionen sowie möglicherweise weiterer Brigaden Mittlere Kräfte dürfte sich auch der Bedarf nach Radhaubitzen erhöht haben. Wie viele RCH 155 letztendlich für die Bundeswehr beschafft werden, bleibt noch abzuwarten. Der Zulauf erster Systeme wird ab 2029 erwartet.
Joint Fire Support Teams schwer
Zehntens ist die Beschaffung sogenannter Joint Fire Support Teams schwer auf Basis des GTK Boxer geplant. Diese sollen den gepanzerten Kampftruppen folgen können. Der aktuell bekannte strukturelle Bedarf des Heeres liegt bei 28 Teams mit jeweils zwei Fahrzeugen. Aufgrund des geplanten Aufwuchses und der Umlaufreserve dürfte sich der Bedarf nach Boxer JFSTsw mittlerweile ebenfalls erhöht haben.
Störpanzer
Elftens ist die Beschaffung von Störpanzern in zwei Varianten geplant. Eine Variante für das Jammen im UHF/VHF-Frequenzband und eine Variante für Störmaßnahmen im HF-Frequenzband. Diese sollen einen Teil der veralteten TPz Fuchs EloKa ersetzen, von denen die Bundeswehr derzeit noch über 55 Stück verfügt. Ursprünglich sollte bereits im vierten Quartal 2024 die erforderliche 25-Millionen-Euro-Vorlage beschlossen werden, dazu ist es bisher jedoch nicht gekommen. Die Auslieferung ist ab 2029 geplant, ob dieser Zeitplan jedoch noch eingehalten werden kann, bleibt abzuwarten. Die Beschaffung erfolgt in Kooperation mit den Niederlanden, die bereits zehn Systeme für ihre Streitkräfte bestellt haben. Wie hoch der Bedarf der Bundeswehr ist, ist bislang nicht bekannt.
Brückenlegepanzern (Rad)

Zwölftens ist die Beschaffung von Brückenlegepanzern auf Radfahrzeugbasis geplant. Diese sind zur Realisierung der Mittleren Kräfte dringend erforderlich und sollen die Aufgaben des GFB Leguan in den Brigaden Mittlere Kräfte übernehmen. Auch wenn die Zeit drängt, ist die Beschaffung bisher noch nicht genehmigt worden. Kosten- und Zeitplan sind folglich noch nicht bekannt. Mögliche Kandidaten für das Vorhaben sind das Leguan-Brückensystem von KNDS Deutschland und das Cobra-Brückensystem von Rheinmetall. Der Bedarf wird auf eine mittlere zweistellige Stückzahl geschätzt.
Bergepanzer (Rad)
Dreizehntens ist die Beschaffung von Bergepanzern geplant. Diese sind ebenfalls zur Realisierung der Mittleren Kräfte dringend erforderlich und sollen die Aufgaben des Bergepanzer 3 Büffel in den Brigaden Mittlere Kräfte übernehmen. Auch hier wird der Bedarf auf eine mittlere zweistellige Stückzahl geschätzt.
Fazit
Das Projekt „Arminius“ zeigt, dass die Bundesregierung es ernst meint mit der Aufrüstung der Bundeswehr. Sollte es tatsächlich zur Beschaffung von mehr als 3.000 zusätzlichen GTK Boxern in den genannten Varianten kommen, würde das Deutsche Heer zweifellos zu einer der schlagkräftigsten Landstreitkräfte in Europa werden. Allerdings deutet eine solch massive Beschaffung zusätzlicher Radpanzer auch darauf hin, dass das Heer vor allem in der Kräftekategorie Mittlere Kräfte wachsen dürfte. Das wäre in meinen Augen die falsche Schwerpunktsetzung.
Den europäischen Landstreitkräften mangelt es nicht an leichten und mittleren Kräften, sondern an durchhalte- und durchsetzungsfähigen schweren Kräften. Deutschland wäre im Ernstfall zusammen mit Polen dafür verantwortlich, den Großteil der Landstreitkräfte für die Verteidigung der NATO-Ostflanke zu stellen. Hierzu bedarf es aber vor allem schwerer Kräfte und nicht weiterer mittlerer Kräfte. Daher sollte Deutschland lieber ein paar zusätzliche Panzerbrigaden aufstellen als weitere Brigaden Mittlere Kräfte.
Ohne Zweifel besteht ein Bedarf nach zusätzlichen Radpanzern, aber die Beschaffung weiterer Kettenfahrzeuge wie Kampf- und Schützenpanzer sollte nicht vernachlässigt werden. Darüber hinaus ist es fraglich, wie sinnvoll es ist, beispielsweise im Bereich der Flugabwehr nur auf Radfahrzeuge zu setzen. Diese sind nicht in der Lage, Kettenfahrzeugen überallhin zu folgen. Daher sollte man in meinen Augen zumindest einmal darüber nachdenken, einen Teil der Flugabwehrkanonen- und Flugabwehrraketenpanzer auf Basis eines Kettenfahrzeugs zu realisieren.
