Deutschland steht vor einer wichtigen Entscheidung bei der Schließung einer sich abzeichnenden Fähigkeitslücke im Bereich der luftgestützten Frühwarnung (airborne early warning and control). Verteidigungsminister Boris Pistorius bezeichnete das schwedische AWACS-Flugzeug GlobalEye von Saab als den aktuellen Favoriten für die Schließung dieser Fähigkeitslücke, betonte jedoch, dass noch keine endgültige Entscheidung getroffen wurde.
Hintergrund der AWACS-Nachfolge
Die Diskussion um einen Nachfolger entsteht, weil die NATO plant, ihre Flotte von Boeing E-3A AWACS-Flugzeugen außer Dienst zu stellen, die jahrzehntelang vom Stützpunkt Geilenkirchen aus operiert haben. Diese in die Jahre gekommenen Maschinen, die auf der Boeing 707 basieren, haben dem Bündnis strategische luftgestützte Überwachung ermöglicht, aber ihr Alter und steigende Wartungskosten zwingen zu einer Außerdienststellung bis 2035.
Die NATO hat die Boeing E-7A Wedgetail bereits als offiziellen Nachfolger für ihre gemeinsame AWACS-Flotte ausgewählt und plant die Beschaffung von sechs Maschinen. Die erste E-7A soll 2031 einsatzbereit sein. Allerdings reichen sechs AWACS zum einen nicht aus, um die gesamte E-3A-Flotte vollständig zu ersetzen, und zum anderen ist das E-7A-Wedgetail-Programm mit Rückschlägen konfrontiert. So haben sich die USA kürzlich aus dem Vorhaben zurückgezogen und wollen die kleinere E-2D Hawkeyes beschaffen.
Deutsche nationale Überlegungen
Deutschland erwägt jedoch zusätzlich zur NATO-Lösung eine eigene nationale Fähigkeit. Ohne einen Ersatz würde das Land über keine nationale airborne early warning and control-Fähigkeiten verfügen und wäre vollständig auf Verbündete angewiesen. Die Beschaffung einer eigenen Plattform würde nicht nur zur NATO-Bereitschaft beitragen, sondern auch ein stärkeres nationales Engagement für die kollektive Verteidigung signalisieren.
Technische Eigenschaften der GlobalEye
Das GlobalEye-System basiert auf dem Geschäftsflugzeug Bombardier Global 6000/6500 und ist mit dem fortschrittlichen Erieye-ER-Radar ausgestattet. Es kann zur Überwachung des Luftraums, des Seeraums und des Bodens eingesetzt werden. GlobalEye ist bereits in Schweden sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Einsatz und wurde zudem von weiteren Kunden bestellt.
Frankreich hat bereits im Juni 2025 eine Absichtserklärung für zwei GlobalEye-Flugzeuge unterzeichnet, mit der Option auf zwei weitere. Das Flugzeug kann ohne Luftbetankung elf Stunden lang operieren und verfügt über eine Aufklärungsreichweite von mehr als 650 km.
Aktuelle Entwicklungen
Pistorius‘ Äußerungen fielen zeitlich mit einem Treffen der Verteidigungsminister zusammen, bei dem der schwedische Verteidigungsminister Pål Jonson die Notwendigkeit von Solidarität und praktischen Maßnahmen zur Stärkung der Ostflanke des Bündnisses betonte. Die öffentliche Bestätigung durch Pistorius stellt die bisher deutlichste Indikation dar, dass Saabs Angebot die Oberhand hat.
Die endgültige Entscheidung Deutschlands wird von Haushaltsprioritäten und möglicher Koordination mit schwedischen Partnern abhängen. Als ausgereiftes, sofort verfügbares System erscheint die GlobalEye für Deutschland als attraktive Lösung zur Schließung der Fähigkeitslücke.
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