Deutschland rüstet massiv auf – 260.000 aktive Soldaten & rund 10.000 neue Gefechtsfahrzeuge

Verteidigungshaushalt 2025 beschlossen - 86 Milliarden Euro für die Bundeswehr
Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

Die Bundeswehr soll zur konventionell stärksten Streitkraft Europas werden. Dazu plant die neue Bundesregierung die Erhöhung der Truppenstärke auf bis zu 260.000 aktive Soldaten und die Beschaffung einer ganzen Menge neuen Materials, unter anderem bis zu 10.000 neue gepanzerte Fahrzeuge.

Personal

Deutschland plant eine deutliche personelle Aufstockung seiner Streitkräfte. Innerhalb der nächsten zehn Jahre soll die Zahl der aktiven Soldaten von aktuell etwa 180.000 auf rund 260.000 steigen. Zusätzlich sollen etwa 200.000 Reservisten bereitstehen, was insgesamt einen Verteidigungsumfang von 460.000 Soldatinnen und Soldaten bedeuten würde.

Ein zentraler Bestandteil der Personalstrategie ist ein neuer Wehrdienst, der ab 2026 eingeführt werden soll. Dieser sieht zunächst eine freiwillige, mindestens sechsmonatige Ausbildung vor, mit der schnell ausreichend Personal für einfache Aufgaben wie Bewachung und Kontrollen gewonnen werden soll. Wer nach dieser Grundausbildung länger bei der Bundeswehr bleiben möchte, könnte sich weiterqualifizieren und beispielsweise zum Panzerfahrer ausgebildet werden.

Das geplante Wehrdienstgesetz, das Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Ende August im Kabinett beschließen lassen will, setzt primär auf Freiwilligkeit. Sollte sich jedoch zeigen, dass auch mit verbesserten Konditionen und attraktiverer Bezahlung nicht genügend Freiwillige gewonnen werden, könnte eine Wehrpflicht in Kraft treten. Diese Entscheidung müsste dann allerdings erneut durch Kabinett und Bundestag bestätigt werden. Schon jetzt ist im Gesetzentwurf vorgesehen, unter welchen Bedingungen eine Pflicht eingeführt werden könnte, wobei Details zu den Auswahlkriterien und dem Umfang der Wehrpflicht noch zu klären sind.

Obwohl das Ziel der Freiwilligkeit im Vordergrund steht, betrachten Experten eine rein freiwillige Lösung als schwierig. Selbst wenn pro Jahr zwei sechsmonatige Ausbildungsgänge angeboten würden, könnte die Zahl der Freiwilligen nicht ausreichen, um den Personalbedarf langfristig zu decken.

Innerhalb der SPD ist die Wiedereinführung einer möglichen Wehrpflicht sehr umstritten. Verteidigungsminister Pistorius konnte erst kürzlich auf dem SPD-Parteitag einen Antrag der Jusos abwenden, der eine vollständige Ablehnung jeder Form von Wehrpflicht vorsah. Die Union hingegen drängt darauf, eine verpflichtende Komponente klar und verbindlich im Gesetz zu verankern, um zukünftige Unsicherheiten zu vermeiden. Insgesamt zeigt sich, dass die genaue Ausgestaltung der Wehrpflicht und deren Durchsetzung weiterhin kontrovers diskutiert werden.

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Material

Parallel zu dieser personellen Offensive bereitet das Verteidigungsministerium die größte Materialaufstockung seit Ende des Kalten Krieges vor. Übereinstimmende Medienberichte weisen darauf hin, dass das Heer in den kommenden zehn Jahren bis zu 10.000 neue Gefechtsfahrzeuge unterschiedlicher Typen beschaffen will. Bloomberg berichtete als eines der ersten Medien über konkrete Zahlen und gab an, dass das BMVg plane, innerhalb der nächsten zehn Jahre bis zu 2.500 gepanzerte Kampffahrzeuge vom Typ Boxer sowie bis zu 1.000 Kampfpanzer Leopard 2 anzuschaffen. Das Gesamtvolumen dieser Investitionen bezifferte Bloomberg auf rund 25 Milliarden Euro. Zudem sollen laut Insidern die Verträge für diese großen Rüstungsprojekte noch in diesem Jahr unterzeichnet werden.

Kurz darauf berichtete der Blog „Augen geradeaus!“, dass ihm die von Bloomberg berichteten Zahlen aus Industriekreisen bestätigt wurden. Auch „Augen geradeaus!“ berichtete von 1.000 zusätzlichen Leopard-2-Kampfpanzern und rund 2.500 Radpanzern des Typs Boxer, die innerhalb der kommenden Dekade geliefert werden sollen.

Im Handelsblatt gab der CEO von Renk, Alexander Sagel, an, dass die Bundeswehr bis 2035 voraussichtlich rund 1.000 neue Radpanzer benötigen werde. Hinzu kämen möglicherweise bis zu 600 Kampf- und 600 Schützenpanzer. Diese Schätzungen basieren auf eigenen Simulationen des Unternehmens.

Deutlich höhere Zahlen nennt das Fachportal „Hartpunkt“: Insider gehen sogar von einem Gesamtbedarf von rund 10.000 gepanzerten Fahrzeugen auf Ketten- und Radbasis aus. Neben den bereits genannten 1.000 Leopard 2 und 2.500 Boxern werden zusätzlich 400 Schützenpanzer Puma, 500 Unterstützungspanzer, über 1.000 Radpanzer vom Typ Piranha sowie bis zu 4.000 Patria 6×6-Fahrzeuge als Ersatz für den TPz Fuchs erwähnt. Laut Hartpunkt plant das Heer zudem erstmals mit einer sogenannten Umlaufreserve von etwa 40 Prozent, um jederzeit einen ausreichenden Bestand einsatzfähiger Fahrzeuge zur Verfügung zu haben.

Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild: Der Bestand an Kampfpanzern soll von derzeit rund 300 Leopard 2 (plus bereits bestellte 123 Leopard 2A8) auf insgesamt 1.000 bis 1.400 Kampfpanzer anwachsen. Damit ließen sich 14 bis 19 Panzerbataillone ausrüsten, zuzüglich einer Umlaufreserve von 40 Prozent. Sofern an dem ursprünglichen Ziel „zwei Panzerbataillone pro schwerer Brigade“ festgehalten wird, könnten mit 14 bis 19 Panzerbataillonen sieben bis neuneinhalb Panzerbrigaden ausgestattet werden. Aktuell verfügt das Heer über vier schwere Brigaden. Es sieht also danach aus, dass Deutschland allein drei bis fünf neue Panzerbrigaden aufstellen wird. Eine solch gewaltige Bestellung neuer Leopard 2 stellt gleichzeitig die deutsche Beteiligung am deutsch‑französischen MGCS-Projekt in Frage, zumindest was dessen klassische Kampfpanzerplattform angeht.

Panzerbrigade 45 offiziell in Dienst gestellt
Foto: Bundeswehr / Mario Bähr

Parallel soll die Panzergrenadiertruppe zwischen 400 und 600 zusätzliche Schützenpanzer erhalten. Offiziell setzt das Verteidigungsministerium weiter auf den Puma, doch wird laut Defence-Network auch die Beschaffung des KF41 Lynx von Rheinmetall geprüft, um Synergien mit Partnern wie Ungarn oder Italien zu nutzen. Rechnet man die 400 bereits vorhandenen beziehungsweise bestellten Puma hinzu, könnte die Bundeswehr künftig über 800 bis 1.000 moderne Schützenpanzer verfügen – genug für bis zu 14 Panzergrenadierbataillone zuzüglich einer Umlaufreserve von 40 Prozent.

Neben Kampf- und Schützenpanzern sollen auch bis zu 500 neue Unterstützungspanzer beschafft werden. Dabei dürfte es sich vor allem um Pionier-, Berge-, Minenräum- und Brückenlegepanzer handeln.

Noch umfangreicher sind die Pläne im Bereich der Radpanzer. Allein vom GTK Boxer sollen 1.000 bis 2.500 weitere bestellt werden. Damit würde sich der Gesamtbestand auf knapp 3.000 Fahrzeuge erhöhen. Geplant ist unter anderem die Beschaffung von 148 Radschützenpanzern, 168 Radhaubitzen, 500 bis 600 Skyranger 30 Flugabwehrkanonenpanzern, rund 100 Flugabwehrraketenpanzer und mindestens 200 schweren Sanitätskraftfahrzeugen. Allein die genannten Bedarfe machen 1.110 bis 1.200 neue GTK Boxer erforderlich. Darüber hinaus sind Bergpanzer- und Brückenlegepanzerversionen uvm. für die Brigaden Mittlere Kräfte geplant.

Sicherheits- und Verteidigungsindustrie
Skyranger 30 A3 / Foto: Rheinmetall AG

Neben dem GTK Boxer sollen auch mehr als 1.000 Piranha Radpanzer, in den Versionen 8×8 und 6×6, für die Truppe beschafft werden. Die 8×8 Piranha V sollen als Fahrzeugplattform für die kleinen Richtfunksysteme im Rahmen des Vorhabens „Tactical Wide Area Network for Land Based Operations (TaWAN LBO)“ dienen. Der Bedarf zur Vollausstattung des Heeres lag bisher bei 256 dieser Systeme. Aufgrund der geplanten Neuaufstellung von zwei mechanisierten Divisionen dürfte sich der Bedarf entsprechend erhöhen. Die 6×6 Version des Piranha soll als Basis für das Spähfahrzeug Next Generation, auch Korsak genannt, dienen. Bisher wurde der Bedarf mit 252 Fahrzeugen angegeben. Auch hier dürfte sich der Bedarf entsprechend erhöhen.

Zu guter Letzt sollen 1.000 bis 4.000 Patria 6×6 als Ersatz für die veralteten TPz Fuchs beschafft werden. Rund 90 % der Produktion sollen in Deutschland erfolgen, in Kooperation mit KNDS und FFG.

Patria 6x6 für Schweden
Patria 6×6 / Foto: Patria

Ein großer Teil dieser Fahrzeuge soll bereits bis 2029 ausgeliefert werden. Um diesen enormen Bedarf zu decken, wird die deutsche Industrie – insbesondere Rheinmetall und KNDS – ihre Produktionskapazitäten deutlich erhöhen müssen.

Anhand genannter Stückzahlen und Berichterstattungen diverser Medienhäuser lässt sich die zukünftige Heeresstruktur grob skizzieren. So sieht es danach aus, dass sich die Anzahl mechanisierter Divisionen von zwei auf vier verdoppeln wird. Hinzu kommen die Division Schnelle Kräfte und die Heimatschutzdivision. Insgesamt also sechs Divisionen. Die Anzahl der Kampfbrigaden dürfte sich von derzeit neun auf 12 bis 14 erhöhen. Davon sieben bis neun schwere Brigaden, drei mittlere Brigaden und zwei leichte Brigaden. Ob darüber hinaus weitere mittlere und leichte Brigaden geplant sind, ist derzeit nicht bekannt. Darüber hinaus wird Deutschland vermutlich Korpstruppen für zwei multinationale Korps stellen.

Auch die Luftwaffe plant umfassende Beschaffungen, um ihre Fähigkeiten deutlich auszubauen. Nach aktuellen Plänen sollen kurzfristig 20 weitere Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter angeschafft werden. Die entsprechende Vorlage über 25 Millionen Euro soll nach der parlamentarischen Sommerpause an die zuständigen Ausschüsse des Bundestages übermittelt werden. Diese neuen Maschinen erhalten voraussichtlich das fortschrittliche Selbstschutzsystem Arexis des schwedischen Herstellers Saab, das bereits für die 15 Eurofighter EK bestellt ist. Insgesamt plant die Luftwaffe, die Flotte an Eurofightern EK auf 30 Stück aufzustocken.

Eurofighter EK / Foto: Airbus

Zur Ergänzung dieser spezialisierten Eurofighter-Variante plant die Luftwaffe außerdem die Beschaffung von bis zu 16 sogenannten Stand-Off-Jammern, die im Rahmen des Projekts „Luftgestützte Wirkung im Elektromagnetischen Spektrum“ (LuWES) angeschafft werden sollen.

Darüber hinaus strebt die Luftwaffe an, die Zahl ihrer modernen Tarnkappenjets des Typs F-35A um mindestens 35 weitere Maschinen aufzustocken, womit der Bestand auf rund 70 Flugzeuge steigen würde.

Im Bereich der bodengestützten Luftverteidigung wird ebenfalls erheblich investiert. Mindestens sechs weitere Systeme des Typs IRIS-T SLM sollen beschafft werden, wodurch die Luftwaffe insgesamt mindestens 12 solcher Systeme besitzen würde. Die vorhandene Flotte von aktuell neun Patriot-Systemen wird um acht weitere Systeme ergänzt, womit zukünftig insgesamt 17 Patriot-Batterien zur Verfügung stehen werden.

Zusätzlich sollen drei hochmoderne Raketenabwehrsysteme des Typs Arrow 3 angeschafft werden. Perspektivisch plant die Luftwaffe, auch den neueren Lenkflugkörper Arrow 4 als Ergänzung zu integrieren. Somit dürfte die Luftwaffe künftig über 32 bodengebundene Luftverteidigungssysteme mittlerer und großer Reichweite verfügen.

Abstandswaffen und Luftverteidigungssysteme für die Ukraine
IRIS-T SLM | Foto: Diehl Defence / PIZ Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung

Und auch die Deutsche Marine soll aufgerüstet werden. Gemäß den neuen NATO-Fähigkeitszielen soll die Anzahl der Fregatten von 15 auf 18 steigen. Dazu ist die Beschaffung von acht F127 als Ersatz für die drei Fregatten der Sachsen-Klasse und sechs F126 als Ersatz für die vier Fregatten der Klasse F123 geplant. Hinzu kommen vier Fregatten der Baden-Württemberg-Klasse.

Die U-Boot-Flotte soll von aktuell sechs auf zwölf sogar verdoppelt werden. Dazu sollen die sechs U-Boote der Klasse U212A für rund 800 Millionen Euro umfassend modernisiert werden. Hinzu kommen sechs neue U-Boote des Typs U212CD, wodurch die Marine sowohl qualitativ als auch quantitativ deutlich gestärkt wird.

Marine erhält möglicherweise 8 F127
F127 | Foto: thyssenkrupp Marine Systems

Finanzierung

Finanzierbar ist diese Aufrüstung dank der Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse. Nach dieser neuen Regelung können Verteidigungsausgaben, die oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, künftig mittels neuer Schulden finanziert werden. Diese Regelung erlaubt es der neuen Bundesregierung unter anderem, den regulären Verteidigungshaushalt massiv zu erhöhen. Von 62,4 Milliarden Euro im Jahr 2025 steigt er auf 82,7 Milliarden Euro im Jahr 2026, 93,3 Milliarden Euro im Jahr 2027, 136,5 Milliarden Euro im Jahr 2028 und schließlich 152,8 Milliarden Euro im Jahr 2029.

Parallel dazu wird bis einschließlich 2027 das Sondervermögen Bundeswehr ausgeschöpft. Es stellt zusätzlich 24 Milliarden Euro im Jahr 2025, 26 Milliarden Euro im Jahr 2026 und 27 Milliarden Euro im Jahr 2027 bereit. Die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten hinzugenommen, steigt die Ausgabenquote von 2,4 % des BIPs in diesem Jahr auf 3,5 % im Jahr 2029 an.

Verteidigungshaushalt | Grafik: Moritz Riffel

Fazit

Trotz der ambitionierten Pläne und der massiven Aufstockung der Verteidigungsausgaben ist die Umsetzung der geplanten Materialbeschaffungen kurzfristig kaum realistisch. Die derzeitigen Kapazitäten der Industrie reichen bei weitem nicht aus, um innerhalb weniger Jahre größere Mengen an Kampffahrzeugen bereitzustellen. Hinzu kommt, dass auch die Bundeswehr selbst nicht in der Lage wäre, derartige Mengen an neuem Material kurzfristig aufzunehmen und effektiv zu betreiben – es fehlt schlicht an ausreichend qualifiziertem Personal.

Die Finanzierung der Maßnahmen scheint hingegen durch die erfolgte Lockerung der Schuldenbremse weniger problematisch. Dennoch sind die berichteten 25 Milliarden Euro bei genauer Betrachtung nicht annähernd ausreichend, um tatsächlich 2.500 Boxer, 1.000 Leopard-2-Panzer sowie 1.000 CAVS-Radpanzer zu beschaffen. Realistischerweise wären hierfür Mittel in Höhe von mindestens 50 Milliarden Euro nötig.

Zudem zeichnet sich bei den Kampfpanzern bereits jetzt ab, dass die Bundeswehr keine 1.000 Leopard 2 A8 bestellen wird, da man in den nächsten Jahren den Leopard 2 AX bzw. Leopard 3 beschaffen will, der derzeit jedoch noch nicht bestellbar ist. Insofern bleiben erhebliche Fragezeichen hinsichtlich der konkreten Umsetzung bestehen.

Nicht zuletzt steht das Signal, das mit der Planung eines solchen Umfangs an schwerem Material ausgesendet wird, teilweise im Widerspruch zu den von der Bundesregierung ausgerufenen strategischen Schwerpunkten wie Cyber, Digitalisierung, Luftverteidigung und Drohnentechnologie. Es bleibt also abzuwarten, was von dem genannten Material tatsächlich bestellt wird und in welcher Stückzahl.

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