Mit der Ankündigung, dass Leonardo und Rheinmetall ein Joint Venture gründen würden, um KF41 IFVs (Infantry Fighting Vehicles) und KF51 MBTs (Main Battle Tanks) für das italienische Heer zu produzieren, setzten sie der italienischen Leopard-Beschaffung ein jähes Ende. So gelang es Rheinmetall quasi über Nacht, den lange gesuchten Launch Customer für seinen KF51 “Panther” zu gewinnen. Nun stellt sich die Frage, wie es mit dieser Kooperation weitergeht und ob sich Rheinmetall und Leonardo als Gegengewicht zu KNDS etablieren können. Im folgenden werde ich versuchen, die vier folgenden Fragen zu beantworten:
1. Was ist zwischen KNDS und Leonardo vorgefallen?
2. Worum geht es bei der Kooperation zwischen Rheinmetall und Leonardo?
3. Was kann man zukünftig erwarten?
4. Welche Bedeutung hat das für Deutschland?
5. Fazit
1. Was ist zwischen KNDS und Leonardo vorgefallen?
In 2023 wurde bekannt, dass das italienische Heer an circa 130 Leopard 2A8 und circa 130 auf dem Leopard 2 basierenden Unterstützungsfahrzeugen interessiert ist. Diese sollten in Zusammenarbeit mit Leonardo in Italien produziert werden und in einem Zeitraum von ungefähr 10 Jahren zulaufen. Die Beschaffung diente ursprünglich drei Zwecken:
1. Dem Teilersatz der Ariete-Flotte um den Fortbestand der italienischen Panzerwaffe zu sichern
2. Der Sicherung und dem Ausbau von Kompetenzen der italienischen Rüstungsindustrie im Bereich der Landsysteme
3. Dem Einstieg in das deutsch-französische MGCS-Programm
Dabei wurde mit der Zeit deutlich, dass die deutsche und die italienische Seite unterschiedliche Vorstellungen bezüglich des dritten Punktes hatten. So versuchte Frankreich die deutsche industrielle Übermacht durch einen Beitritt Italiens auszugleichen. Nur war dies nicht mit der Bundesregierung abgestimmt. Auch der Versuch Italiens, sich über eine Beschaffung von Leoparden einzukaufen, schlug letztendlich fehl. Folglich stand es schlecht um die Zukunft der italienischen Panzerindustrie.
In 2024 kam es dann während der Vertragsverhandlungen zwischen KNDS und Leonardo zum Bruch: Während KNDS der Ansicht war, dass der von der italienischen Regierung gewünschte Zeitplan aufgrund von Problemen mit Zulieferern nicht umsetzbar sei, war Leonardo anderer Ansicht und kommunizierte dieses der italienischen Regierung. Da diese auf den gesetzten Rahmenbedingungen bestand, sah sich KNDS gezwungen, von dem Vertrag zurückzutreten. Folglich konnte sich Leonardo nach einem neuen Partner für die italienische Rüstungsindustrie umschauen: Rheinmetall.
Da Rheinmetall allerdings auf die gleichen Zulieferer angewiesen ist und der KF51 aktuell bestenfalls als Prototyp beschrieben werden kann, stellt sich die Frage, wie Rheinmetall die gewünschte Liefergeschwindigkeit garantieren will.
2. Worum geht es bei der Kooperation zwischen Rheinmetall und Leonardo?
Rheinmetall und Leonardo werden voraussichtlich bei zwei Beschaffungen der italienischen Streitkräfte kooperieren: IFVs & MBTs.
Zum einen plant Rheinmetall zusammen mit Italien im Rahmen des AICS/A2CS Programms eine bis zu 4-stellige Anzahl an IFVs zu produzieren. Diese würden auf Rheinmetall’s KF41 aufbauen, der bereits für Ungarn produziert wird. Die Größe der endgültigen Bestellung und Anzahl an verschiedenen Versionen ist aktuell jedoch unklar, da die italienischen Streitkräfte mit einem Zulauf bis Ende der 2030er rechnen. Demnach ist damit zu rechnen, dass Italien regelmäßig kleinere Lose beschaffen wird.
Zum anderen plant Italien, in Zusammenarbeit mit Rheinmetall, den Panther zu entwickeln und zu produzieren. Der finale Bedarf ist hier aktuell noch unklar, da das aktuelle Setup der italienischen Industrie vermutlich darauf hinausläuft, Rheinmetall und den KF51 als Langzeitlösung zu etablieren. Damit dürfte der Bedarf oberhalb von circa 130 MBTs und circa 130 Unterstützungsfahrzeugen liegen.
Gemäß einer gemeinsamen Pressemitteilung von Rheinmetall und Leonardo werden 60% der Arbeitsleistungen in Italien realisiert. Diese Anteile werden auf Rheinmetall Italia und Leonardo verteilt. 40% der Wertschöpfung werden an nicht-italienischen Rheinmetall-Standorten realisiert.
3. Was kann man zukünftig erwarten?
Trotz des unstrittigen Potentials, gibt es einige Stolpersteine, die noch überwunden werden müssen. So ist es aktuell fraglich, ob Rheinmetall auch in dem geforderten Zeitrahmen liefern kann. Auf der anderen Seite ist es aktuell ungeklärt, ob Italien genug Finanzmittel bereitstellen kann, um beide Projekte vollumfänglich umsetzen zu können. Des Weiteren müssen sich Rheinmetall und Leonardo auch noch einig werden, welche italienischen Subsysteme integriert werden. So wäre es beispielsweise fraglich, wer Kanone, das RWS (Remote Weapon System) oder das BMS (Battle Managment System) zuliefert.
Falls man sich hier einig werden kann, hat diese Kooperation großes industrielles Potential: Rheinmetall gewinnt einen großen Auftrag und hat endlich einen Ankerkunden für beide Waffensysteme gefunden. Die italienische Regierung könnte dann auch bei der weiteren Vermarktung und der Erschließung neuer Märkte unterstützen. Damit könnte es Rheinmetall gelingen, einen Teil des IFV & MBT Marktes zu übernehmen. Das würde wiederum KNDS beziehungsweise KMW schaden. Italien könnte durch diese Kooperation seine Panzerindustrie absichern und gleichzeitig zukunftssicher aufstellen. Auch das italienische Heer dürfte sich über den industriellen Mehrwert freuen.
Neben der Beschaffung von Schützenpanzern und Kampfpanzern plant Italien anscheinend auch die Beschaffung von Skynex-Flugabwehrsystemen, die von der italienischen Rheinmetalltochter produziert werden.
4. Welche Bedeutung hat das für Deutschland?
Für Deutschland sind drei Aspekte dieser Kooperation interessant: So verfügt Rheinmetall jetzt über die finanziellen Mittel, um die Entwicklung des Panthers zu beenden. Damit sinken auch die Entwicklungskosten für die Bundeswehr, falls L2AX auf dem KF51 aufbauen soll. Falls die Bundeswehr allerdings weiterhin am Leopard 2 festhalten sollte und sich beispielsweise für die Entwicklung des Leopard 2A-RC3.0. entscheidet, wäre der deutsch-italienische Panther ein zukünftiger Konkurrent auf dem Exportmarkt. Das würde wiederum die economy of scale eines Leopard 2AX/Leopard 3 einschränken und würde somit KMW massiv schaden.
Auf der anderen Seite steht das deutsch-französische MGCS (Main Ground Combat System): Wenn es Rheinmetall durch den italienischen Auftrag gelingt, die Entwicklung des FGS (Future Gun Systems) zu beenden, könnte man seine Position gegenüber KNDS France verbessern. Diese bewerben ASCALON (Autoloaded and SCALable Outperforming guN) als zukünftige Hauptbewaffnung des MGCS. Wenn Deutschland zu diesem Zeitpunkt allerdings über eine fertig entwickelte und erprobte 130mm Glattrohrkanone samt Autoloader verfügt, würde das Rheinmetall’s Position gegenüber KNDS stärken und gleichzeitig die Chance, dass deutsche nationale Schlüsseltechnologie langfristig gesichert ist, erhöhen.
Die vorliegende Situation ist aber auch aus einer industriellen Perspektive interessant. So hat diese Kooperation massiven Einfluss auf das nationale Machtgefüge des deutschen Panzerbaus. Durch den italienischen Auftrag wird es Rheinmetall voraussichtlich gelingen, sich als ebenbürtiger Konkurrent zu KNDS beziehungsweise KMW zu etablieren. Damit verfügt Deutschland zukünftig über zwei Rüstungskonzerne, die Landsysteme entwickeln und produzieren können. Damit steigt der innderdeutsche Wettbewerb, was letztendlich das Niveau der angebotenen Lösungen steigern dürfte. Das ist nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für den Exportmarkt interessant, wo Deutschland zukünftig zwei verschiedene Kampfpanzer anbieten kann.
5. Fazit
Wenn es den Beteiligten gelingt, alle Probleme zu beseitigen, kann sich Rheinmetall in Zusammenarbeit mit Leonardo zu einem ernstzunehmenden Konkurrent für KNDS entwickeln. Falls die Kooperation zwischen Rheinmetall und Leonardo allerdings fehlschlägt, wäre das ein herber Schlag für die Reputation aller Beteiligten. Wenn man bedenkt, dass das italienische Heer eine Beschaffung des Leopard 2A8 gefordert hat und diese letztendlich durch das Handeln der Rüstungsindustrie gestoppt wurde, muss die Alternative in allen Gesichtspunkten überzeugen. Hier gilt es noch abzuwarten, wie die italienischen Streitkräfte und die italienische Regierung zu den einzelnen Detailfragen stehen und wann mit einer Auftragsvergabe gerechnet werden kann.