Das Vorhaben Eurofighter EK soll den nahtlosen Übergang der elektronischen Kampffähigkeiten vom veralteten Tornado ECR auf den Eurofighter sicherstellen. Das Projekt ist in zwei Phasen („Steps“) gegliedert und erstreckt sich bis Mitte der 2030er Jahre.
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Step 1: SEAD-Fähigkeit bis 2029
Im sogenannten Step 1 soll der Eurofighter bis 2029 zur Unterdrückung gegnerischer Luftverteidigung – englisch Suppression of Enemy Air Defence (SEAD) – befähigt werden. Diese Fähigkeit wird als Rüstrolle implementiert und mithilfe marktverfügbarer Lösungen mit geringem Integrationsaufwand sowie überschaubarem Realisierungsrisiko umgesetzt. Insgesamt 15 Bestandsmaschinen sollen zu Eurofighter EK umgerüstet werden.
Bei den Bestandsmaschinen handelt es sich um neue Eurofighter der Tranche 4 (auch Quadriga genannt). Diese umfasst insgesamt 38 Flugzeuge, die die älteren Maschinen der ersten Tranche ersetzen sollen. Die Auslieferung erfolgt zwischen 2025 und 2030. Ziel des ersten Projektabschnitts ist ein bruchfreier Übergang der SEAD-Fähigkeit vom Tornado ECR auf den Eurofighter.
Die Umrüstung umfasst die Integration eines Emitter Location Systems (ELS), eines Effektors sowie die Modernisierung des Selbstschutzsystems. Konkret sollen das schwedische Sensorsystem AREXIS und Anti-Radar-Lenkflugkörper des Typs AGM-88E AARGM integriert werden.
Die Firma Saab liefert das AREXIS-System, während die KI-Software Cirra des Unternehmens Helsing die erfassten Sensordaten verarbeitet. Der Lenkflugkörper AARGM stammt von Northrop Grumman, das neben der Unterstützung bei der Integration auch die Entwicklung des erforderlichen Startgeräts übernimmt. Airbus Defence and Space fungiert als Hauptauftragnehmer.
Am 29. November 2023 genehmigte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages die 25-Millionen-Euro-Vorlage mit dem Titel „Eurofighter EK – Programme Support und Risk Mitigation“. Bis September 2026 stehen dafür insgesamt 384 Millionen Euro aus dem Sondervermögen der Bundeswehr zur Verfügung. Bis dahin soll auch die Phase der Risikominimierung abgeschlossen sein.
Der Vertrag umfasst die Systemdefinition, die Risikominderung sowie die Anpassung des AREXIS-Systems und des Startgeräts für die AARGM an den Eurofighter.
Die Gesamtkosten für Step 1 betragen knapp 1,6 Milliarden Euro und gliedern sich wie folgt:
- 384 Millionen Euro für Programme Support und Risk Mitigation
- 1,13 Milliarden Euro für die eigentliche Umrüstung
- 82 Millionen Euro für EloKa-Komponenten für Testanlagen des Systemunterstützungszentrums Eurofighter
Die letzten beiden Posten wurden am 8. Oktober 2025 vom Haushaltsausschuss genehmigt. Die Finanzierung erfolgt aus dem Sondervermögen sowie dem regulären Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14).
Bis 2029 sollen die 15 Eurofighter vollständig für den elektronischen Kampf ausgerüstet sein. Die NATO-Zertifizierung ist bis 2030 vorgesehen – rechtzeitig zur Außerdienststellung der verbleibenden Tornado ECR. Stationiert werden die Eurofighter beim Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ in Jagel (Schleswig-Holstein).

Step 2: Ausbau der EK-Fähigkeiten bis 2035
Im Step 2 sollen bis 2035 weitere 15 bis 20 Eurofighter EK beschafft und zusätzlich mit der Fähigkeit Escort Support Jamming (ESJ) ausgestattet werden. Diese ermöglicht das Erfassen, Identifizieren und Stören gegnerischer Radar- und Kommunikationssysteme, um die Reichweite gegnerischer Luftverteidigung zu reduzieren oder diese vollständig zu unterdrücken.
Für die ESJ-Fähigkeit ist die Integration sogenannter Escort Jammer Pods geplant, die unter beiden Flügeln mitgeführt werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass keine Interferenzen mit der eigenen Avionik und Sensorik entstehen. Zudem ist die Integration weiterreichender Präzisionswaffen vorgesehen.
Die 15 bis 20 zusätzlichen Eurofighter EK werden Maschinen der Tranche 5 sein. Am 8. Oktober 2025 genehmigte der Haushaltsausschuss die Beschaffung von 20 Eurofightern, inklusive 52 Triebwerken und Ersatzteilen, im Wert von rund 3,75 Milliarden Euro (finanziert aus dem regulären Verteidigungshaushalt). Die Auslieferung ist zwischen 2031 und 2034 geplant.
Ursprünglich war vorgesehen, nur 15 Maschinen im Step 2 umzurüsten. Nun sollen offenbar alle 20 Eurofighter der Tranche 5 zum Eurofighter EK ausgebaut werden. Damit wird die Luftwaffe Mitte der 2030er Jahre über 35 Eurofighter EK verfügen und den Tornado ECR vollständig ersetzen.
Die neuen Jets werden mit Triebwerken im Bauzustand P3Ec Step 3 sowie dem E-Scan-Radar Mk1 Step 1ausgestattet. Laut Haushaltsvorlage ist weiterhin das Selbstschutzsystem PRAETORIAN aufgeführt, das bereits in älteren Eurofightern eingesetzt wird – obwohl es inzwischen als technisch überholt gilt.
Nach Angaben von Hartpunkt sei diese Nennung vertraglich bedingt: Innerhalb des Eurofighter-Konsortiums müsse PRAETORIAN formal aufgeführt werden. Tatsächlich ist jedoch geplant, die Tranche-5-Maschinen mit dem modernen AREXIS-System auszustatten. Auch eine Nachrüstung älterer Eurofighter mit AREXIS ist vorgesehen.
Mit der Tranche 5 ist der Gesamtbedarf der Luftwaffe noch nicht gedeckt. Dieser wird weiterhin auf 40 bis 50 zusätzliche Maschinen geschätzt, um die Tornado-Flotte (IDS) vollständig zu ersetzen. Alternativ steht auch die Beschaffung weiterer F-35A Lightning II zur Diskussion. Ob es letztlich zu einem eins-zu-eins-Ersatz der Tornado-Flotte kommt, bleibt abzuwarten.

Technische Daten
Der Eurofighter EK basiert auf drei sich ergänzenden Kernkomponenten: dem Sensorsystem AREXIS (Saab), dem Anti-Radar-Lenkflugkörper AGM-88E AARGM (Northrop Grumman) und der KI-Plattform Cirra des deutschen Start-ups Helsing.
AREXIS (Saab) — Sensorik und Selbstschutz
Im Zentrum steht das schwedische AREXIS-System, das sowohl als Emitter-Location-System (ELS) als auch als Selbstschutzsystem fungiert. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) entschied sich im Juni 2023 für AREXIS. Für den Eurofighter angepasste Varianten erhalten neue Breitband-Antenne(n) sowie austauschbare Module mit digitalen Empfangs- und Sendeeinheiten für elektronische Angriffs- und Verteidigungsaufgaben. Zusätzlich wurde eine Niederfrequenz-Antenne integriert, um die Erfassungsreichweite gegenüber langwelligen Radarsystemen zu erhöhen und damit auch ältere Frühwarnsysteme detektieren zu können.
Saab beschreibt AREXIS als erprobtes, modular aufgebautes System für luftgestützte elektronische Kampfführung, das sich an verschiedene Plattformen anpassen lässt. Die gewählte Lösungsarchitektur erfordert allerdings erhebliche strukturelle Anpassungen am Flugzeug — eine Pod-Lösung wurde bewusst nicht favorisiert.
Funktionen und Merkmale (Auszug):
- Erkennung, Lokalisierung und Identifizierung von Radaremittern in komplexen elektromagnetischen Umgebungen.
- 360-Grad-Abdeckung durch einen digitalen Radar-Warnempfänger mit robuster Positionsbestimmung, auch bei Ausweichmanövern.
- Leistungsstarke AESA-ECM-Sender und moderne DRFM-(Digital Radio Frequency Memory)-Technik für präzises Jamming.
- Breitband-DRFM zur gezielten Störung moderner Abfang- und Frühwarnradare.
- Schwenkbare AESA-ECM-Antennen ermöglichen simultanes Stören mehrerer Bedrohungen.
- Integration von Situationsbewusstsein, Störmaßnahmen und abwerfbaren Täuschkörpern (Düppel, Chaff).
- AESA-Transmit/Receive-Module auf Gallium-Nitride-Basis (GaN) für hohe Ausgangsleistung, Effizienz und Redundanz.
- Vollständige Programmierbarkeit inklusive Support-Tools zur Unabhängigkeit von ausländischen Datenbanken.
AREXIS wurde bereits in anderen Plattformen (z. B. Gripen, Tornado, luftgestützte Frühwarnsysteme von Saab) erprobt.

AGM-88E AARGM (Northrop Grumman) — Effektor
Als Effektoren sind Anti-Radar-Lenkflugkörper des Typs AGM-88E AARGM vorgesehen — der Nachfolger des AGM-88B HARM. Deutschland hatte bereits 2019 ein erstes Los geordert; nach weiteren Beschaffungen und Umrüstungen bestehen verschiedene Produktionslose und Kooperationsvereinbarungen.
Technische Eckdaten (angegebenes Maß):
- Gewicht: ca. 361 kg
- Länge: ca. 4,1 m
- Antrieb: Feststoff-Raketenmotor
- Geschwindigkeit: > 2.200 km/h (≈ Mach 1,84)
- Gefechtskopf: Spreng-Splitter-Typ mit 68 kg Explosivmasse
Die AGM-88E vereint verbesserte Software mit einem zusätzlichen aktiven Millimeterwellen-Sucher, wodurch Radaranlagen effizienter erkannt und bekämpft werden können. Für Produktion und Service in Deutschland arbeitet Diehl Defence eng mit dem US-Partner (heute Teil von Northrop Grumman) zusammen und übernimmt wesentliche Fertigungs- und Wartungsanteile.

Cirra (Helsing) — KI-Plattform
Die KI-Plattform Cirra von Helsing ergänzt AREXIS und AARGM durch automatisierte, lernbasierte Analysefunktionen. Cirra wurde entwickelt, um insbesondere die Herausforderung softwaredefinierter und adaptiver Flugabwehrradare zu adressieren, bei denen klassische Signaturabgleiche an ihre Grenzen stoßen.
Kernfunktionen:
- Deep-Learning-basierte Klassifikation unbekannter Emittersignale und Absichtserkennung.
- Laufende, missionstaktische Echtzeitanalysen direkt an Bord (dedizierter Rechnerstack) zur unmittelbaren Unterstützung des Piloten.
- Modularer Integrationspfad: vollständige oder partielle Kopplung mit bestehenden elektronischen Kampfmitteln möglich.
- Bodenstation für Offline-Analyse, Datenmanagement und kontinuierliche Verbesserung (Training/Validierung) anhand historischer realer und synthetischer Einsatzdaten.
- Fokus auf Datensicherheit, Skalierbarkeit und Automation der taktischen Prozesskette.
Cirra verfolgt nicht vorrangig den Abgleich bekannter Signaturmuster, sondern „lernt die Sprache“ der Radar-Emitter, wodurch auch neuartige oder adaptive Systeme erkannt und bewertet werden können.
Fazit
Das Eurofighter EK-Programm markiert einen entscheidenden Schritt zur Schließung einer der größten Fähigkeitslücken europäischer Luftstreitkräfte. Die Fähigkeit zur Unterdrückung und Zerstörung gegnerischer Luftverteidigungssysteme (SEAD/DEAD) ist für moderne Luftoperationen unverzichtbar – doch nur wenige europäische Nationen verfügen bislang über diese Kapazitäten. Mit dem Eurofighter EK übernimmt Deutschland eine Vorreiterrolle und leistet einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit.
Die Kombination aus dem bewährten AREXIS-Sensorsystem, modernen Anti-Radar-Lenkflugkörpern und der KI-Plattform Cirra verspricht eine hochleistungsfähige Plattform, die den Anforderungen moderner elektronischer Kampfführung voll gerecht wird.
Mit den geplanten 35 Eurofighter EK gelingt der eins-zu-eins-Ersatz der veralteten Tornado-ECR-Flotte – ein wesentlicher Erfolg, da dadurch keine Fähigkeitslücke entsteht. Die Bundeswehr erhält nicht nur ihre bisherigen SEAD- und DEAD-Kapazitäten, sondern steigert diese durch den Einsatz neuester Technologie deutlich. Die gestaffelte Einführung bis Mitte der 2030er Jahre in zwei Ausbaustufen gewährleistet zudem einen bruchlosen Übergang ohne Unterbrechung der Einsatzbereitschaft.
Dennoch bleibt eine zentrale Herausforderung bestehen: Der vollständige Ersatz der Tornado-Flotte ist noch nicht gesichert. Die bislang beschafften 35 F-35A Lightning II decken lediglich einen Teil des Gesamtbedarfs ab. Zur vollständigen Ablösung der Tornado-IDS-Maschinen fehlen nach aktuellem Stand mindestens 20 bis 30 zusätzliche Kampfflugzeuge.
Hier besteht dringender Handlungsbedarf – unabhängig davon, ob sich die künftige Beschaffung zugunsten weiterer F-35A oder zusätzlicher Eurofighter entwickelt. Nur mit einer ausreichenden Flottenstärke kann die Luftwaffe ihre Einsatzfähigkeit langfristig sichern und den wachsenden Anforderungen in der Landes- und Bündnisverteidigung gerecht werden.
