Die Zukunft der Artillerietruppe

RCH 155
Foto: KNDS

Im Rahmen der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung gewinnt auch die Artillerie wieder an Bedeutung. Aktuell verfügt die Artillerietruppe über etwas mehr als 5.000 Dienstposten und vier Bataillone. Zukünftig sollen es neun Artilleriebataillone werden. In diesem Video werfen wir einen Blick auf die zukünftige Struktur und Ausrüstung der Artillerietruppe der Bundeswehr.

Struktur

Das Heer wird zukünftig über Korps-, Divisions- und Brigadeatillerie verfügen. Auf Korpsebene ist ein Raketenartilleriebataillon geplant. Dieses soll in der Lage sein, Ziele in bis zu 300 km Entfernung aufzuklären und zu bekämpfen. Da das Heer aktuell noch nicht über diese Fähigkeiten verfügt, laufen dazu aktuell die Planungen, wie man diese realisieren kann. Dazu gleich mehr.

Die beiden mechanisierten Divisionen, die 1. und 10. Panzerdivision, sollen über je ein Divisionsartilleriebataillon verfügen. Die Division Leichte Kräfte wird ohne Artilleriebataillon auskommen müssen. Diese Artilleriebataillone werden sowohl über Raketen- als auch über Rohrartilleriebatterien verfügen und sollen in der Lage sein, Ziele in bis zu 150 km Entfernung aufzuklären und zu bekämpfen.

Auch die sechs mittleren und schweren Brigaden sollen wieder über je ein Artilleriebataillon verfügen. Die Gebirgsjägerbrigade 23 und die Luftlandebrigade 1 sollen hingegen kein Artilleriebataillon erhalten. Die Brigadeartillerie wird lediglich mit Rohrwaffen ausgestattet sein. Als Kampfentfernung werden mindestens 70 km gefordert.

Insgesamt also neun Artilleriebataillone, davon eins auf Korps-, zwei auf Divisions- und sechs auf Brigadebene. Da die verfügbaren Haushaltsmittel und Dienstposten planungsleitend sind, ist ein weiterer Aufwuchs der Artillerietruppe nicht so ohne Weiteres möglich. Daher muss das Heer mit weniger Manpower mehr Feuerkraft erzielen. Um dies zu erreichen, will man sich den technologischen Fortschritt zunutze machen, vor allem die Digitalisierung und Automatisierung.

Mein Videobeitrag zu der Thematik:

Aufklärungsmittel

Und damit kommen wir zur zukünftigen Ausrüstung der Artillerietruppe. Als Ersatz für das Kleinfluggerät für die Zielortung erhält die Truppe das HUSAR Aufklärungssysteme. HUSAR steht für Hocheffizientes Unbemanntes System zur abbildenden Aufklärung mittlerer Reichweite. Insgesamt sollen 13 Systeme, davon 12 Einsatz- und ein Ausbildungssystem, beschafft werden. Ein System besteht aus fünf Aufklärungsdrohnen. Der Zulauf ist im Zeitraum 2025 bis 2028 geplant. Der Gesamtauftragswert beläuft sich auf 290,9 Mio. Euro, welche aus dem Einzelplan 14 finanziert werden.

Als Ersatz für das Artilleriebeobachtungsradar, kurz ABRA, und weitere bodengebundene Radarsysteme des Heeres läuft bereits die Auslieferung des Beobachtungs- und Aufklärungsradars zur Überwachung, kurz BARÜ. Insgesamt 69 dieser mobilen Bodenüberwachungsradare sollen bis Ende dieses Jahres ausgeliefert sein. Der Auftragswert beläuft sich auf 36 Mio. Euro. Bei BARÜ handelt es sich um das ELM-2180 WatchGuard von Israel Aerospace Industries. Es kann bei nahezu allen Wetterbedingungen, bei Tag und Nacht, mit einem reduzierten Personalansatz eingesetzt werden.

Auch im Bereich der Joint Fire Support Teams soll ein neues System zulaufen. Zukünftig soll das Heer neben den leichten Joint Fire Support Teams auf Basis Fennek und den abgesessenen Joint Fire Support Teams noch über schwere Joint Fire Support Teams verfügen. Diese Joint Fire Support Teams schwer sollen den gepanzerten Kampftruppen folgen können und auf Basis des GTK Boxers realisiert werden. Das Heer hat einen strukturellen Bedarf von 28 Teams mit je zwei Fahrzeugen. Die ersten zwei Nachweismuster sind bereits zugelaufen. Die eigentliche Beschaffung wird allerdings wohl erst ab 2027 erfolgen.

Darüber hinaus soll die Artillerietruppe auch in Zukunft über Fähigkeiten im Bereich der Wetterkunde und Schallmessung verfügen. Diese beiden Fähigkeiten sollen auf Divisionsebene abgebildet werden.

Eine aktuell noch offene Frage ist, wie man die Zielaufklärung auf Korpsebene darstellen kann. Dazu wird ein System benötigt, welches in der Lage ist, bis zu 300 km tief in feindliches Gelände einzudringen und von dort aus Zieldaten an die Korpsartillerie zu übermitteln. Die Planungen diesbezüglich laufen zwar bereits, stecken allerdings wohl noch in den Kinderschuhen.

Wirkmittel

Kommen wir zu den zukünftigen Wirkmitteln der Artillerie. Die wichtigsten Projekte dazu laufen im Rahmen des Vorhabens „Zukünftiges System Indirektes Feuer“. Dieses besteht aus vier Teilprojekten. Das Zukünftige System Indirektes Feuer kurzer Reichweite zielt darauf ab, die aktuell in Nutzung befindlichen 120 mm R-Rohr-Mörser zu ersetzen. Diese erreichen 2030 ihr geplantes Nutzungsdauerende. Das neue Mörsersystem soll in der Lage sein, gegen alle Zielarten und Kategorien auf eine Entfernung von 300 bis mindestens 8.000 Metern zu wirken. Je nach Truppengattung soll die Fahrzeugplattform angepasst werden können. So favorisiert das Heer für die Jägertruppe wohl den NEMO-Turmmörser auf Basis des TPz Fuchs Nachfolgers. Für die Gebirgsjägertruppe würde sich als Fahrzeugplattform der neue BvS10 Mk2b anbieten und für die Fallschirmjägertruppe der Caracal oder LuWa. Der Bedarf des Heeres wird auf circa 100 bis 120 Stück geschätzt. Der Zulauf ist ab 2027 geplant, wobei dies angesichts dessen, dass bisher noch keine Entscheidung geschweige den Bestellungen erfolgt sind, eng werden dürfte.

Das zweite Teilprojekt trägt den Titel „Zukünftiges System Indirektes Feuer mittlerer Reichweite – Panzerhaubitze 2000 NDV“. Dabei geht es, wie der Name schon erahnen lässt, um die Nutzungsdauerverlängerung der Panzerhaubitze 2000. Im Rahmen dieser Nutzungsdauerverlängerung sollen Obsoleszenzen beseitigt, die Besatzung durch Automatisierung reduziert, der Schutz, die Sekundärbewaffnung sowie Funk- und Bediengeräte verbessert und die maximale Kampfentfernung auf 75 km erhöht werden. Letzteres soll vor allem durch verbesserte Munitionsarten sowie Treibladungen mit höherem Gasdruck realisiert werden. Die Umsetzung ist bis 2031 geplant. Aktuell verfügt das Heer noch über 98 PzH2000. Darüber hinaus wurden 22 neue Panzerhaubitzen als Ersatz für an die Ukraine abgegebenes Material bestellt. Die Auslieferung ist im Zeitraum 2025 bis 2026 geplant. Der Rahmenvertrag, der noch eine Option auf sechs weitere PzH2000 enthält, hat einen Gesamtauftragswert von 470 Mio. Euro, welche über den Einzelplan 60 finanziert werden. Zukünftig sollen die Artilleriebataillone der schweren Brigaden mit der Panzerhaubitze 2000 ausgerüstet werden. Nach abgeschlossener Modernisierung soll die PzH2000 noch mindestens bis 2040 im Dienst der Bundeswehr bleiben.

Das dritte Teilprojekt trägt den Titel „Zukünftiges System Indirektes Feuer mittlerer Reichweite – Radhaubitze“. Dabei geht es, wie der Name schon erahnen lässt, um die Beschaffung einer Radhaubitze. Aller Voraussicht nach wird es sich dabei um die RCH 155 von KNDS handeln. Ein entsprechender Vertrag wird noch vor Ende dieses Jahres erwartet. Der Bedarf des Heeres liegt bei 168 Radhaubitzen. Aufgrund knapper Haushaltsmittel wird man vorerst allerdings wohl nur rund die Hälfte beschaffen können. Die Kosten dafür werden auf 1,3 bis 1,4 Mrd. Euro geschätzt. Der Zulauf ist im Zeitraum von 2026 bis 2031 geplant. Die Radhaubitzen werden in den Artilleriebataillonen auf Divisionsebene und bei den Brigaden der Mittleren Kräfte zum Einsatz kommen. Sie sollen in der Lage sein, gegen alle Zielarten und Kategorien auf eine Entfernung von mindestens 75 km, besser 100 km, zu wirken. Ihre Hauptaufgaben werden die direkte Feuerunterstützung und der Kampf mit Feuer sein.

Das vierte und letzte Vorhaben trägt den Titel „Zukünftiges System Indirektes Feuer große Reichweite – Raketenwaffensystem“. Dabei geht es um die Beschaffung eines radbasierten Raketenartilleriesystems. Aktuell verfügt das Heer noch über 35 MARS II Mehrfachraketenwerfer. Als Ersatz für die fünf an die Ukraine abgegebenen MARS II soll das Heer fünf PULS erhalten. PULS steht für „Precise Universal Launching System“ und wird vom israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems hergestellt. Eine parlamentarische Befassung soll im zweiten Quartal dieses Jahres erfolgen, sodass, sofern alles glatt läuft, noch vor Ende des Jahres der erste PULS-Werfer auf dem Hof der Bundeswehr stehen könnte. Allerdings sollen die PULS nicht an die Truppe gehen, sondern für den Ausbildungsbetrieb genutzt werden. Und die Bundesregierung weist ferner darauf hin, dass die Beschaffung nicht als Vorentscheidung für das zukünftige Raketenartilleriesystem zu werten sei. Jedoch dürfte dies dennoch relativ wahrscheinlich sein, da PULS marktverfügbar ist und darüber hinaus auch bereits von einigen unserer europäischen Verbündeten genutzt oder eher gesagt bestellt wurde. Der Bedarf des Heeres liegt übrigens bei rund 80 bis 90 Raketenartilleriesystemen. Diese sollen in der Lage sein, auf bis zu 300 km Entfernung gegen alle Zielarten und Kategorien zu wirken. Dazu sollen sie wohl Raketen als auch Flugkörpersysteme einsetzen. Denkbar wären beispielsweise die Joint Fire Support Missile von MBDA, der RBS15 Mk3 oder Mk4 von Saab oder die Precision Strike Missile von Lockheed Martin. Hauptaufgaben sind ebenfalls die direkte Feuerunterstützung und der Kampf mit Feuer.

Fazit

Zum Schluss noch ein kurzes Fazit meinerseits. Der Ukrainekrieg führt uns tagtäglich vor Augen, wie wichtig eine leistungsstarke Artillerie ist. Umso verwunderlicher ist es, dass die Vorhaben im Bereich der Artillerie bisher nicht sonderlich weit oben auf der Prioritätenliste standen. Die meisten Vorhaben sind nur teilweise oder gar nicht mit Haushaltsmitteln unterlegt. Meiner Meinung nach ein Fehler. Die Vorhaben im Bereich der indirekten Feuerunterstützung sollten für die Bundeswehr und Politik Priorität haben. Darüber hinaus zeigt der Ukraine-Krieg noch eine weitere Sache. Die Bundeswehr hat im Bereich der indirekten Feuerunterstützung keine qualitative, sondern eine gewaltige quantitative Lücke. Sowohl die Panzerhaubitze 2000 als auch MARS II haben sich in der Ukraine bewährt. Und auch die kommenden Systeme werden zu den besten der Welt gehören. Nur müssen sie auch in den benötigten Stückzahlen beschafft werden. Wenn man den Bedarfen der Truppe entsprechen möchte, muss man schnellstmöglich die Beschaffung von bis zu 120 Panzermörsern, 168 Radhaubitzen und 90 Raketenartilleriesystemen einleiten. Damit diese bis spätestens 2032 zur Verfügung stehen. Dafür bedarf es jedoch Milliarden, die aktuell leider trotz Zeitenwende nicht zur Verfügung stehen.

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