Die Luftverteidigung steht vor einem Paradigmenwechsel. Maurice Lewalter von Airbus Defence and Space zeichnete auf der RÜ.NET 2025 ein dramatisches Bild der neuen Bedrohungslage: Bis zu 1.000 Drohnen pro Angriffswelle, Hyperschallwaffen und ein extremes Kostenungleichgewicht zwischen Angriff und Abwehr zwingen zu grundlegend neuen Konzepten.
Der Head of Sales Defence Digital Germany & International machte deutlich, dass sich die Anforderungen an moderne Luftverteidigungssysteme fundamental gewandelt haben. In seiner Präsentation „Künftige Anforderungen an die Luftverteidigung – Airbus‘ Beitrag zur Kriegstüchtigkeit & NATO Fähigkeitszielen“ skizzierte er drei zentrale Veränderungen: die Qualität der Bedrohung, deren Quantität und das dramatische Kostenungleichgewicht zwischen Angriff und Abwehr.
Die Bedrohungslage
Die Qualität der Bedrohungen hat sich fundamental gewandelt. Der moderne Bedrohungsmix umfasst Hyperschallwaffen, Gleitbomben, taktische ballistische Raketen mit Mehrfachsprengköpfen und Drohnen – oft in Kombination. Diese Vielfalt erfordert völlig neue Ansätze in der Luftverteidigung.
Noch dramatischer ist die quantitative Entwicklung: Bis zu 1.000 und mehr Drohnen pro Tag oder pro Angriffswelle (ohne FPV-Drohnen) müssen abgewehrt werden. Zusätzlich erschweren Täuschkörper die Abwehr: Auf jede reale Bedrohung kommen drei bis fünf Täuschkörper.
Das Kostenungleichgewicht zwischen Angriff und Verteidigung stellt ein weiteres fundamentales Problem dar. Massenproduktion billiger Drohnen steht einer begrenzten Anzahl teurer Abwehreffektoren gegenüber. Für die Überlegenheit in der Luftverteidigung sind daher zwei Kriterien entscheidend: entweder die Übersättigung des Gegners oder eine kosteneffiziente Bekämpfung unter Berücksichtigung der verfügbaren Effektorenbestände.
Weitere Erfolgsfaktoren sind eine hohe Luftraumabdeckung und schnelle Anpassungszyklen an veränderte Bedrohungslagen.
Entscheidende Fähigkeiten für die Zukunft
Lewalter identifizierte drei entscheidende Fähigkeiten für moderne Luftverteidigung: das Erkennen und Klassifizieren von Bedrohungen, die Festlegung der Einsatzreihenfolge und die Zielzuweisung an die jeweils „beste“ Feuereinheit.
Die damit verbundenen Herausforderungen sind vielfältig: Effizienzsteigerung und höhere Effektivität müssen mit offenen Systemarchitekturen und „Adaptability by Design“ erreicht werden. Künstliche Intelligenz, Automatisierung und ein digitales Backbone sind dabei unverzichtbare Komponenten.
Integrierte Lösungsansätze gefordert
Als Lösungsansätze schlägt Airbus die Integration aller Luftverteidigungssysteme in einen Gesamtverbund vor. Eine kohärente Luftlageerkennung in Echtzeit soll mit zentraler Bedrohungsanalyse und Zielzuweisung bei dezentraler Ausführung – auch unter Einbeziehung der Alliierten – kombiniert werden.
Das Prinzip „Beste Waffe für jeweilige Bedrohung“ erfordert ein interoperables, echtzeitfähiges Netzwerk über alle Waffensysteme hinweg. Nur so kann die richtige Balance zwischen Effektivität und Kosteneffizienz erreicht werden.
Vier Säulen für die Zukunft
Der „Weg in die Zukunft“ ruht nach Lewalters Darstellung auf vier Säulen:
Architektur: Kontinuierlicher Ausbau von Bedrohungsanalyse und Simulationskapazitäten sowie einer resilienten Gesamtarchitektur, die gegen Cyberangriffe und elektronische Kampfführung gehärtet ist. Dazu gehört die Definition relevanter Schlüsseltechnologien wie Feuerleitketten.
Interoperabilität: Sicherstellung uneingeschränkter Interoperabilität und kontinuierliche Weiterentwicklung der NATO-Standards sind fundamental für den Erfolg multinationaler Luftverteidigung.
Training: Harmonisiertes Training über alle Waffensysteme hinweg schafft Skalierbarkeit im Landes- und Bündnisverteidigungsfall. Die Intensivierung multinationaler Trainings und Übungen ist dabei essentiell.
Anlehnungspartnerschaft: Deutschland soll seine Rolle als Anlehnungspartner für EU-Partner fördern, um die kollektive Verteidigungsfähigkeit zu verbessern. Eine existierende deutsche Referenzarchitektur würde Partnernationen strategische Vorteile bieten.
Paradigmenwechsel notwendig
Lewalters Präsentation macht deutlich, dass die Luftverteidigung vor einem Paradigmenwechsel steht. Die Zeiten isolierter Systeme sind vorbei – nur durch intelligente Vernetzung, automatisierte Prozesse und internationale Kooperation können die massiven neuen Bedrohungen erfolgreich abgewehrt werden. Deutschland kommt dabei als technologischer Vorreiter und Integrator eine Schlüsselrolle zu.
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