So funktioniert Israels integriertes Luftverteidigungssystem

So funktioniert Israels integriertes Luftverteidigungssystem
Foto: Wikimedia Commons / Lencer / IDF Spokesperson’s Unit / US Navy News Service

Wie leistungsfähig das israelische Luftverteidigungssystem ist, konnte man dieses Jahr bereits zweimal beobachten. Im April griff der Iran Israel erstmals direkt mit ballistischen Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen an, unterstützt durch die Hisbollah im Libanon und die Huthis im Jemen. Insgesamt wurden bei diesem Angriff 170 Drohnen, 120 ballistische Raketen und 30 Marschflugkörper auf Israel abgefeuert. 99 % wurden durch Israel und seine Verbündeten bekämpft. Am 1. Oktober dann der zweite iranische Raketenangriff auf Israel mit insgesamt 180 ballistischen Raketen unterschiedlicher Typen. Der Iran behauptet, 90 % der Raketen haben ihr Ziel getroffen. Israel dementiert und behauptet, die meisten Projektile wurden erfolgreich bekämpft. Angesichts dessen, dass bei diesem Angriff nur ein palästinensischer Zivilist ums Leben gekommen ist, ist davon auszugehen, dass in der Tat erneut der Großteil der anfliegenden Projektile abgewehrt wurde. In den Medien hört man in diesen Zusammenhängen immer wieder den Begriff Iron Dome, der Israel schützt oder angeblich versagt hat, je nachdem, welches Medium man liest. Dabei ist der Iron Dome nur ein Bestandteil des integrierten Luftverteidigungssystems, das Israel schützt. Dieses Luftverteidigungssystem besteht aus drei bodengebundenen Flugabwehrsystemen Iron Dome, David Sling und Arrow und wird durch Einheiten der israelischen Luftwaffe und Marine ergänzt.

Iron Dome

Iron Dome wurde nach dem Sommerkrieg im Jahr 2006 zwischen Israel und der Hisbollah entwickelt. Im Laufe dieses Krieges feuerte die Hisbollah fast 4.000 Raketen auf Israel ab, die großen Schaden anrichteten und Dutzende von zivilen Opfern forderten. Entwickelt wurde das Iron Dome System von den beiden israelischen Rüstungsunternehmen Rafael Advanced Defense Systems und Israel Aerospace Industries mit Unterstützung der USA. Im Jahr 2011 wurde das System in Betrieb genommen und auch erstmals im Kampf eingesetzt, als eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete abfing. Seitdem hat der Iron Dome laut Angaben des Herstellers bereits über 5.000 Ziele erfolgreich bekämpft. Aufgrund dieser beeindruckenden Zahl gilt das System auch als das am besten erprobte Flugabwehrsystem der Welt. Eine Iron Dome Batterie besteht dabei aus einem EL/M-2084 AESA Multi-Mission Radar, einem Kontrollzentrum und bis zu vier Startgeräten mit jeweils 20 Flugabwehrraketen vom Typ Tamir. Das Radar erkennt und verfolgt ankommende Raketen. Das Kontrollzentrum berechnet, basierend auf den Radardaten, welche Raketen wahrscheinlich auf bewohnte Gebiete treffen und welche nicht. Anschließend werden nur die Raketen abgeschossen, die tatsächlich eine Bedrohung für bewohnte Gebiete darstellen. Eine Iron Dome Batterie kostet wohl zwischen 37 – 50 Millionen US-Dollar, so ganz genau weiß man das nicht. Und eine Tamir-Flugabwehrrakete schlägt mit 50.000 US-Dollar zu Buche. Aktuell sind mindestens zehn Iron Dome Batterien über ganz Israel verteilt. Insgesamt plant die IDF wohl die Beschaffung von 15 Batterien. Die Kampfentfernung des Systems liegt bei bis zu 70 km und die Höhenabdeckung bei bis zu 10 km. Allerdings wird derzeit daran gearbeitet, die Kampfentfernung auf über 200 km zu erhöhen. Bekämpfbare Ziele sind Marschflugkörper, Kurzstreckenraketen, Drohnen, Artillerie und Mörsergeschosse sowie Präzisionsmunition. Laut der IDF liegt die Trefferquote bei 90 %, wobei sich um diese Zahl kontroversen ranken.

Foto: Israel Defense Forces

David Sling

Bei David Sling handelt es sich um ein Flugabwehrsystem mittlerer bis großer Reichweite. Es wurde von Rafael Advanced Defense Systems und Raytheon entwickelt und 2017 in Betrieb genommen. Bei der IDF hat es die Flugabwehrsysteme Hawk und Patriot ersetzt. David Sling ist in der Lage, ballistische Kurz-, Mittel- und Langstreckenraketen in geringer Höhe abzuschießen. Darüber hinaus kann das System auch Flugzeuge, Drohnen und Marschflugkörper bekämpfen. Genauso wie Iron Dome bekämpft auch David Sling nur Luftziele, die eine konkrete Gefahr für bewohnte Gebiete darstellen. Israel verfügt über mindestens zwei einsatzbereite David Sling Batterien. Eine Batterie besteht aus einem EL/M-2084 AESA multi-mission radar, einem Battle Management Center und einer unbekannten Anzahl von Startgeräten, die jeweils bis zu 12 Flugabwehrraketen vom Typ „Stunner“ mitführen können. Die maximale Kampfentfernung beträgt 300 km und die Höhenabdeckung 15 km. Die Kosten für einen Stunner-Lenkflugkörper belaufen sich auf etwa eine Million US-Dollar. Laut der IDF liegt die Trefferquote bei 96 %.

Foto: IDF Spokesperson’s Unit

Arrow

Zur Abwehr ballistischer Raketen in der oberen Abfangschicht kommen die Raketenabwehrsysteme Arrow 2 und 3 zum Einsatz. Arrow 2 wurde nach dem Ersten Golfkrieg 1991 entwickelt, in dem der Irak dutzende Scud-Raketen aus sowjetischer Produktion auf Israel abfeuerte. Im Jahr 2000 wurde Arrow 2 dann in Dienst gestellt. Es ist in der Lage, ballistische Kurz- und Mittelstreckenraketen auf Entfernungen von bis zu 500 km aufzuklären und in bis zu 100 km Entfernung und 50 km Höhe zu bekämpfen. Zeitgleich können bis zu 14 Ziele verfolgt und bekämpft werden. Berichten zufolge wurde Arrow 2 erstmals 2017 im Kampf eingesetzt, als es eine syrische Boden-Luft-Rakete bekämpfte.

Arrow 3 ist der modernste Flugkörper des Arrow-Waffensystems. Entwickelt wurde die Flugabwehrrakete von Israel Aerospace Industries und Boeing. Seit 2017 ist Arrow 3 im Dienst der IDF und soll ballistische Raketen mittlerer und großer Reichweite außerhalb der Erdatmosphäre bekämpfen. 2023 wurde das System erstmals im Kampf eingesetzt, als eine von den Huthi-Rebellen im Jemen abgefeuerte ballistische Rakete abfing. Die maximale Kampfentfernung wird mit 2.400 km und die Höhenabdeckung mit 100 km angegeben. Eine Arrow-Batterie besteht aus einem EL/M-2080S Green Pine Block C Weitbereichradar, einem Fire Control Center, einem Launcher Control Center und vier Startgeräten mit je sechs Flugabwehrraketen. Neben Israel wird auch Deutschland das Arrow-Waffensystem ab nächstem Jahr nutzen.

Israel entwickelt derweil mit Arrow 4 bereits die nächste Generation. Arrow 4 soll in der Lage sein, Hyperschallwaffen zu bekämpfen und Arrow 2 langfristig ersetzen.

Foto: US Navy News Service

Ergänzungen

Ergänzt werden die drei bodengebundenen Flugabwehrsysteme durch Einheiten der israelischen Luftwaffe und Marine. Die israelische Luftwaffe verfügt über rund 280 Mehrzweckkampfflugzeuge der Typen F-16, F-15 und F-35I. Bewaffnet mit Luft-Luft-Lenkflugkörpern der Typen AIM-9 Sidewinder und AIM-120 AMRAAM eignen sich diese hervorragend für die Luftraumverteidigung. Wie man unter anderem während des iranischen Angriffs im April beobachten konnte, wo ein Großteil der israelischen Kampfflugzeugflotte in der Luft war und beim Abwehr des Angriffs geholfen hat.

Auch die israelische Marine trägt mit ihren Korvetten der Sa’ar 6 und Sa’ar 5 Klasse zur Luftverteidigung bei. Die vier Korvetten der Sa’ar 6  Klasse sind mit 32 Barak 8 und 40 C-Dome Flugabwehrraketen bewaffnet. Und auch die älteren Korvetten der Sa’ar 5 Klasse können mit ihren 32 Barak 8 Flugabwehrraketen einen Beitrag zur Luftverteidigung leisten. Bei der Barak 8 handelt es sich um eine seegestützte Flugabwehrrakete mit einer Reichweite von bis zu 100 km. Die ER-Variante hat sogar eine Reichweite von bis zu 150 km. Die Flugabwehrrakete ist in der Lage, Flugzeuge, Hubschrauber und Lenkflugkörper zu bekämpfen. Neben Israel nutzen auch Indien und Azerbaijan das Waffensystem. Bei C-Dome wiederum handelt es sich um die Marineversion des Iron Dome, weshalb ich an dieser Stelle nicht weiter auf das System eingehe.

Insgesamt kann man, denke ich, festhalten, dass Israels Luftverteidigung zu einer der, wenn nicht sogar die beste der Welt ist. Allerdings stößt selbst die beste Luftverteidigung bei geringen Vorwarnzeiten und Übersättigung an ihre Grenzen. Und so war Israel bei beiden iranischen Raketenangriffen auch auf die Unterstützung seiner Verbündeten angewiesen. Vor allem auf die der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Aber erstmals haben auch arabische Länder wie Saudi-Arabien und Jordanien geholfen.

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