Die Bundeswehr soll langfristig auf bis zu 270.000 aktive Soldaten und 200.000 Reservisten anwachsen – doch dieses Ziel wird nach aktuellen Planungen der schwarz-roten Koalition frühestens im Jahr 2035 erreicht. Das geht aus Unterlagen hervor, die im Zusammenhang mit dem Wehrdienstmodernisierungsgesetz stehen, auf das sich CDU/CSU und SPD kürzlich geeinigt haben.
Kaum Zuwachs in den kommenden Jahren
Für das Jahr 2026 ist lediglich ein Personalzuwachs von 1.753 Soldaten vorgesehen. 2027 soll die Truppe um weitere mindestens 4.000 Soldaten wachsen. Damit bleibt der Ausbau der Streitkräfte zunächst sehr begrenzt – obwohl die Bundesregierung die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands angesichts aktueller Bedrohungslagen als deutlich steigerungsbedürftig einstuft.
Bereits 2020 hatte das Verteidigungsministerium, noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, eine Zielgröße von 203.000 Soldaten bis 2027 formuliert. In der aktuellen Planung liegt die Zielmarke für dieses Jahr hingegen bei nur 190.000 bis 193.000 Soldaten.
Aufwuchspfad als Prüfstein für Wehrpflicht
Die Union setzte durch, dass der sogenannte „Aufwuchspfad“ Teil der Gesetzesgrundlage wird. Er soll zeigen, ob eine Rückkehr zur Wehrpflicht notwendig ist. Sollte die Bundeswehr ein Wachstum von etwa einem Prozent pro Jahr schaffen, will die Koalition auf einen solchen Schritt verzichten. Der Fokus liegt damit zunächst auf Freiwilligkeit.
Ein Interventionsmechanismus wurde ebenfalls vereinbart: Sollte sich zeigen, dass der Personalaufwuchs nicht reicht, könnte die Einführung einer sogenannten „Bedarfswehrpflicht“ wieder auf die politische Tagesordnung kommen. Innerhalb der SPD gilt diese allerdings als letztes Mittel.
Substanzieller Ausbau erst nach der Bundestagswahl
Der Hauptteil des geplanten Personalzuwachses soll erst nach der nächsten Bundestagswahl umgesetzt werden. Bis 2029 – einem Jahr, das laut NATO-Analysen sicherheitspolitisch als kritisch gilt – sollen es nach derzeitigem Stand lediglich rund 198.000 aktive Soldaten sein. Das wäre deutlich unter dem, was laut früheren Einschätzungen für eine glaubwürdige Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit nötig wäre.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat seine Staatssekretäre sowie den Generalinspekteur der Bundeswehr mit der Ausarbeitung eines detaillierten Aufwuchsplans beauftragt. Dieser soll bis Ostern 2026 vorliegen und konkrete Meilensteine für den Personalaufbau enthalten. Bis dahin bleibt offen, wie genau die Bundeswehr die Lücke zwischen Anspruch und Realität schließen will.
Politischer Kompromiss mit Schieflage
Der vereinbarte Aufwuchsplan macht deutlich, dass sich die CDU/CSU zwar mit ihrem Anliegen nach klaren Aufwuchszielen durchsetzen konnte. Diese wurden jedoch für die laufende Legislaturperiode so niedrig angesetzt, dass ein Umschalten auf einen verpflichtenden Wehrdienst de facto ausgeschlossen ist. In der Realität hat sich die SPD durchgesetzt: Die politisch heikle Entscheidung über die Rückkehr zur Wehrpflicht wurde auf die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl vertagt.
Diese Verschiebung erfolgt auf Kosten der kurzfristigen Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands – in einem sicherheitspolitisch angespannten Umfeld. Die strukturellen Probleme beim Personalaufwuchs bleiben bestehen, ohne dass in dieser Legislaturperiode mit einer grundlegenden Kurskorrektur zu rechnen ist.
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