Vision 2030 – die Zukunft der Schweizer Armee

Leopard 2
Foto: VBS/DDPS

Als Reaktion auf die veränderte sicherheitspolitische Lage in Europa will auch die Schweiz ihre Armee wieder auf Vordermann bringen. Bis 2030 soll die Schweizer Armee zur Landesverteidigung in allen Dimensionen, ausgenommen der Dimension See, befähigt werden. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf das Modernisierungsprogramm der Schweizer Armee. 

Am Beispiel der Schweizer Armee zeigt sich sehr schön, dass nicht nur die Bundeswehr einen riesigen Modernisierungsstau hat. So bedarf es Schätzungen zufolge über 40 Mrd. Franken, um alle Systeme, die in den kommenden Jahren ihr Nutzungsdauerende erreichen, 1 zu 1 zu ersetzen und gleichzeitig die benötigten neuen Fähigkeiten aufzubauen. Da dies allerdings nicht realistisch ist, soll die Schweizer Armee entlang dreier sogenannter Stoßrichtungen modernisiert werden. Erstens die adaptive Weiterentwicklung der Fähigkeiten, zweitens Nutzung des technologischen Fortschritts und drittens verstärkte internationale Kooperation. Im Zeitraum 2024 bis 2031 werden dafür 13 Mrd. Franken allein für Beschaffungsvorhaben benötigt. Um diese Finanzmittel zur Verfügung zu haben, soll der Verteidigungshaushalt bis 2030 auf 1% des Bruttoinlandsproduktes gesteigert werden. Wobei es aktuell eher danach aussieht, dass man die 1%-Marke erst 2035 erreicht, womit sich auch das Modernisierungsprogramm entsprechend verzögern wird.

Personell ist hingegen keine Aufstockung geplant. Der Sollbestand der Armee soll bei 100 000 und der Effektivbestand bei 140.000 Soldaten bleiben. Wenig verwunderlich angesichts dessen, dass man bei gleichbleibenden Rekrutierungs- und Abgangswerten langfristig nicht mal diese Truppenstärke halten werden kann. Wohlgemerkt trotz Wehrpflicht.

Mein Videobeitrag zu der Thematik:

Heer

Kommen wir zum Heer. Dieses besteht aus drei Brigaden: der ersten, vierten und elften Mechanisierten Brigade.

Aktuell verfügt das Heer über 134 aktive Kampfpanzer 87 Leopard 2 WE, weitere 96 sind eingelagert. Die 134 aktiven Kampfpanzer, welche bereits 2006 einer Modernisierung unterzogen wurden, sollen nochmals modernisiert werden und bis 2035 im Dienst bleiben. Von den 96 eingelagerten Leopard 2 WE wurden 25 an Deutschland verkauft, die restlichen 71 benötigt das Heer. Dazu sollen mindestens 34, maximal jedoch 62 von den 71 ebenfalls einem Werterhalt unterzogen werden. Damit wird das Heer zukünftig über bis zu 205 Kampfpanzer 87 Leopard 2 WE verfügen. Genug, um die zwei Panzerbataillone und Ausbildungseinrichtungen voll auszustatten. Darüber hinaus sollen zwei weitere Panzerkompanien aufgestellt werden, die zwei Infanteriebataillone verstärken sollen. Diese sollen durch diesen Schritt zu mechanisierten Bataillonen umgewandelt werden. Damit würde die Schweizer Armee über insgesamt sechs mechanisierte Bataillone verfügen.

Deren Hauptwaffensystem ist der Schützenpanzer 2000, welcher aktuell einer Nutzungsdauerverlängerung unterzogen wird. Dank dieser sollen die Schützenpanzer 2000 noch bis 2040 im Dienst bleiben. Da aus finanziellen Gründen im Jahr 2002 keine zweite Tranche bestellt wurde, leiden die mechanisierten Bataillone an einer Ausrüstungslücke. Eine Nachbeschaffung ist allerdings keine Option, da die Schützenpanzer 2000 nicht mehr produziert werden und das Nachfolgesystem ein Radschützenpanzer sein soll. Dieser neue Radschützenpanzer soll aber erst ab 2040 als Ersatz für die Schützenpanzer 2000 zulaufen. Somit werden die mechanisierten Bataillone leider mit der Ausrüstungslücke leben müssen.

Zur Unterstützung der mechanisierten Kräfte werden 60 Pionierfahrzeuge des Typs Piranha IV als Ersatz für die veralteten M113 beschafft. Deren Auslieferung soll 2026 beginnen. Das Kostenvolumen beläuft sich auf 217 Mio. Franken.

Im Bereich des indirekten Feuers gibt es aktuell zwei Projekte. Zum einen läuft bereits die Beschaffung von 48 120-mm-Mörsersystemen des Typs Mörser 16. Als Trägerplattform dient der Piranha IV von GDELS. Der Zulauf soll dieses Jahr beginnen. Das zweite Vorhaben im Bereich des indirekten Feuers ist die Beschaffung eines Nachfolgesystems für die Panzerhaubitzen des Typs M-109. Aktuell verfügt die Schweizer Armee noch über 133 dieser Panzerhaubitzen. Diese erreichen 2030 ihr Nutzungsdauerende. Ersetzt werden sollen sie durch ein neues radgestütztes Artilleriesystem. Kandidaten sind die Archer 8×8 von BAE Systems und die RCH 155 von KMW. Aufgrund der besseren Leistungsfähigkeit wird allerdings kein 1 zu 1 Ersatz erwartet. Darüber hinaus wird aktuell auch die Nutzung von Raketenartillerie und Loitering Munitions untersucht. Ergebnisse dazu stehen allerdings noch aus.

Für die Aufklärungsbataillone werden 100 Aufklärungssysteme TASYS beschafft. Als Trägerplattform dient der Eagle V von GDELS. Die Auslieferung läuft bereits seit Mitte letzten Jahres und soll Ende 2025 abgeschlossen sein. Das Aufklärungssystem TASYS ist mit einem Multisensorsystem auf einem Teleskopmast und einem Datenverarbeitungssystem ausgestattet und soll die Nachrichtenbeschaffung der Schweizer Armee verbessern.

Weitere Beschaffungsvorhaben für das Heer sind die Beschaffung geschützter Führungsfahrzeuge auf Basis des Eagle V, die Beschaffung weiterer geschützter Transportfahrzeuge für eines der beiden neu zu bildenen mechanisierten Bataillone, die Beschaffung von Panzerabwehrlenkflugkörpern des Typs Spike LR2, die Beschaffung von Material für die ABC-Abwehrtruppe, die Nutzungsverlängerung der geschützten Mannschaftstransportfahrzeuge sowie der Werterhalt der Bergepanzer Büffel.

Luftwaffe

Kommen wir zu den Modernisierungsvorhaben der Luftwaffe. Aktuell verfügt die Luftwaffe noch über 55 Kampfflugzeuge, davon 25 F-5 Tiger und 30 F/A-18 Hornet. Die F-5 Tiger erreichen 2025 und die F/A-18 Hornet 2030 ihr Nutzungsdauerende. Ersetzt werden sie durch 36 Mehrzweckkampfflugzeuge des Typs F-35A Lightning II. Das Beschaffungsvolumen beläuft sich auf rund 6 Mrd. Franken. Die Auslieferung ist im Zeitraum von 2027 bis 2030 geplant. Die 27 Schulflugzeuge des Typs Pilatus PC-7 sollen einer Nutzungsdauerverlängerung unterzogen werden.

Die mittleren Transporthubschrauber Super Puma und Cougar erreichen im Zeitraum 2035 bis 2040 ihr Nutzungsdauerende und sollen durch einen Nachfolger ersetzt werden. Die leichten Transport- und Schulungshubschrauber EC-635 sollen einer Nutzungsdauerverlängerung unterzogen werden und bis 2040 im Dienst bleiben. Für beide Vorhaben ist ein Budget von 1,6 Mrd. Franken bis 2031 vorgesehen.

Im Bereich der Luftverteidigung gibt es drei Vorhaben. Für große Reichweiten läuft bereits die Beschaffung von fünf Patriot-Feuereinheiten. Das Beschaffungsvolumen beläuft sich auf rund 2 Mrd. Franken. Die Auslieferung soll im Zeitraum 2026 bis 2028 erfolgen. Damit im Jahr 2029 eine anfängliche und 2031 die volle Einsatzbereitschaft hergestellt werden kann. Neben den PAC-2-GEM-T-Lenkflugkörpern beschafft die Schweiz auch die Variante PAC-3-MSE zur Abwehr ballistischer Kurzstreckenraketen. Insgesamt 300 Mio. Franken sollen für eine ungenannte Anzahl an PAC-3-MSE-Lenkflugkörpern ausgegeben werden. Die Auslieferung soll in den Jahren 2028 und 2029 erfolgen.

Neben der Beschaffung von Patriot ist auch die Beschaffung eines Flugabwehrsystems mittlerer Reichweite geplant. Dazu soll eine Abteilung Bodluv mittlerer Reichweite aufgestellt werden. Da die Schweiz Mitglied der European Sky Shield Initiative ist, läge hier die Beschaffung des IRIS-T SLM-Systems nahe.

In einem zweiten Schritt sollen auch die Fähigkeiten zur Flugabwehr im Nächstbereich verbessert werden. Dazu soll eine Abteilung Bodluv kurzer Reichweite aufgestellt werden. Welches System hier beschafft werden soll, ist bisher nicht bekannt. Auch hier wäre, aufgrund der ESSI-Mitgliedschaft, eine Beschaffung von IRIS-T SLS oder des Skyranger 30 Systems denkbar. Für die beiden letztgenannten Vorhaben ist ein Budget von 1,4 Mrd. Franken bis 2031 vorgesehen.

Zur Verbesserung der Aufklärungsfähigkeiten ist die Beschaffung teilmobiler Radare und passiver Sensoren sowie der Aufbau eigener satellitengestützter Aufklärungsfähigkeiten geplant. Dafür stehen bis 2031 rund 1,5 Mrd. Franken zur Verfügung.

Kommando Cyber

Im Bereich Führung und Vernetzung will man die eigene IT-Infrastruktur ausbauen. So ist beispielsweise ein drittes Rechenzentrum, neue Kommunikationsmittel für die Truppe und sogar der Aufbau eigener satellitengestützter Kommunikationsfähigkeiten geplant. In diesen Fähigkeitsbereich sollen bis 2031 ca. 2,4 Mrd. Franken investiert werden.

Im Fähigkeitsbereich Wirkung im Cyber- und elektromagnetischen Raum will man Wirkmittel zur Aufklärung und Störung von Signalübertragungen beschaffen und den Eigenschutz im Cyber- und elektromagnetischen Raum verbessern. Budget: ca. 500 Mio. Franken bis 2031.

Logistikbasis

Im Fähigkeitsbereich Logistik sollen rund 200 Mio. Franken in dezentrale und gehärtete Infrastrukturen investiert werden. Dadurch sollen die Logistikeinrichtungen besser geschützt und die Durchhaltefähigkeit der Truppe erhöht werden.

Im Fähigkeitsbereich Sanität sollen die Sanitätseinrichtungen und -Fahrzeuge erneuert werden. Budget: ca. 100 Mio. Franken bis 2031.

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