Die Spitzen der deutschen Nachrichtendienste haben bei einer öffentlichen Anhörung vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium am 13. Oktober 2025 eine eindringliche Warnung ausgesprochen: Deutschland befinde sich in einem Zustand zwischen Frieden und Krieg. Die Leiter von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst zeichneten ein Bild zunehmender hybrider Bedrohungen und forderten bessere rechtliche Rahmenbedingungen für ihre Arbeit.
Verwischte Grenzen zwischen Frieden und Krieg
BND-Präsident Martin Jäger stellte fest, dass sich die Zahl der Krisen und Kriege unter Beteiligung staatlicher Akteure seit 2010 verdoppelt habe. Ein wesentliches Merkmal dieser Konflikte sei die zunehmend verwischte Grenze zwischen Frieden und Krieg. Als Beispiel nannte er den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, dem keine völkerrechtliche Kriegserklärung vorausgegangen sei. In Europa herrsche bestenfalls ein eisiger Friede, der jederzeit in eine heiße Konfrontation umschlagen könne.
Jäger beschrieb das russische Vorgehen als gezielten Versuch, die NATO zu unterminieren, europäische Demokratien zu destabilisieren und Gesellschaften zu spalten. Ziel sei es, die eigene Einflusszone nach Westen auszudehnen und Europa in Abhängigkeit zu bringen. Russland werde dabei auch eine direkte militärische Auseinandersetzung mit der NATO nicht scheuen.
Breites Spektrum hybrider Angriffe
BfV-Präsident Sinan Selen charakterisierte das russische Vorgehen als aggressiv, offensiv und zunehmend eskalativ. Allein im September habe es zahlreiche Vorfälle gegeben, die den zivilen Luftverkehr in Europa stark beeinträchtigt hätten, darunter Drohnenflüge, GPS-Störungen und Luftraumverletzungen durch russische Kampfjets. Diese Aktivitäten dienten dem Austesten der gegnerischen Reaktion und der Verunsicherung.
Besonders alarmierend bezeichnete Selen die Sabotageakte. Russland gelte als Hauptverursacher für die Vorbereitung und Umsetzung solcher Angriffe in Deutschland und anderen europäischen Staaten. Das BfV betrachte als zentrale Risiken die Bedrohungen durch fremde Mächte, internationalen Terrorismus und gewaltbereiten Extremismus. Besonders dringlich sei die Handlungsfähigkeit im virtuellen Raum, wo sich Gefahrenpotenziale durch KI-gestützte Cyberangriffe und digitale Radikalisierung verdichteten.
Bedrohung für die Bundeswehr
MAD-Präsidentin Martina Rosenberg warnte vor intensivierten nachrichtendienstlichen Aktivitäten gegnerischer Akteure mit dem Ziel, die Bundeswehr zu unterwandern, kritische militärische Infrastrukturen zu gefährden und die Stabilität der Streitkräfte sowie der NATO-Allianz zu unterminieren. Sabotageakte, Desinformationskampagnen, Brandstiftungen und Drohnenüberflüge über militärische Liegenschaften verursachten Unsicherheit.
Zugleich bleibe die Abwehr extremistischer Bestrebungen innerhalb der Bundeswehr ein zentraler Schwerpunkt des MAD. Rechtsextremistische, islamistische und andere verfassungsfeindliche Ideologien hätten in den Streitkräften keinen Platz, betonte Rosenberg.
Forderung nach besseren Instrumenten
BND-Präsident Jäger widersprach der Einschätzung, ein möglicher russischer Angriff sei frühestens 2029 zu erwarten. Deutschland stehe bereits heute im Feuer, der Gegner kenne keine Ruhezeiten. Der BND werde künftig noch stärker modernste Technologien nutzen und gezielt höhere Risiken eingehen, um ein verlässliches Echtzeit-Lagebild zu gewinnen.
Alle drei Geheimdienstchefs forderten verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeiten und begrüßten die entsprechenden parlamentarischen Aktivitäten. Die Anhörung fand auf Grundlage des Kontrollgremiumgesetzes statt, das eine jährliche öffentliche Befragung der Präsidenten der Nachrichtendienste durch das Parlamentarische Kontrollgremium vorsieht.
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