Anforderungen an zukünftige Landsysteme

Anforderungen an zukünftige Landsysteme
EAGLE V 6×6 | Foto: GDELS

Dr. Thomas Kauffmann von General Dynamics European Land Systems skizzierte auf der RÜ.NET 2025 die drastisch veränderten Anforderungen an Landfahrzeuge. Der Ukraine-Krieg zeigt neue Herausforderungen für die militärische Mobilität auf und erfordert ein komplettes Umdenken beim Fahrzeugdesign.

Die Rahmenbedingungen für Landes- und Bündnisverteidigung haben sich seit 1989 grundlegend gewandelt. Während damals etwa 100 Kilometer Entfernung und ein Kilometer Gewässer zu überwinden waren, müssen heute 2.500 Kilometer und 12 Kilometer Gewässer bewältigt werden, erläuterte der GDELS-Deutschland-Geschäftsführer in seiner Präsentation „Militärische Mobilität für die Bundeswehr – der GDELS-Beitrag zur Zeitenwende“.

Lehren aus dem Krieg in der Ukraine

Der Ukraine-Krieg verdeutlicht nach Kauffmanns detaillierter Analyse die fundamentalen Schwächen aktueller militärischer Konzepte. Das Kriegsbild sei geprägt von massiv eingeschränkter militärischer Mobilität, unzureichender Berücksichtigung taktisch-operativer Einsatzgrundsätze und problematischer taktischer Beweglichkeit von Kampffahrzeugen aufgrund ungünstiger Bodenbeschaffenheit im Verhältnis zum Fahrzeuggewicht.

Besonders gravierend seien die gezielten Angriffe auf zivile Infrastruktur ohne Schonung der Zivilbevölkerung, der massive Munitionsverbrauch und der massenhafte Einsatz von UAVs, Drohnen und Loitering Munition im taktisch-operativen Raum. Der unzureichende Nächstbereichsschutz gegen Drohnen und die begrenzte Schlagfähigkeit über 200 Kilometer Entfernung verstärkten die Problematik zusätzlich.

Historische Parallelen: Von IEDs zu „Flying IEDs“

Kauffmann zog aufschlussreiche Parallelen zur Entwicklung nach dem Jahr 2000: Damals führten improvisierte Sprengkörper (IEDs) und explosiv geformte Penetratoren (EFPs) – billig, simpel, leicht herzustellen, massenweise verfügbar und hochwirksam – zur Entwicklung einer neuen Fahrzeugkategorie. Die geschützten Führungs- und Funktionsfahrzeuge (GFF/MRAP) waren dagegen teuer, komplex, schwer herzustellen und nur in geringen Stückzahlen verfügbar, boten aber verbesserte Mobilität, Zuladung und adäquaten Minen- sowie ballistischen Schutz.

2025 stellen Drohnen und Loitering-Munition als „Flying IEDs“ eine ähnliche Herausforderung dar: Die Hardware ist billig und simpel, die Software komplex, sie sind leicht herzustellen, massenweise verfügbar und hochwirksam. Dies erfordert Fahrzeuge mit hoher Mobilität, guter Zuladung sowie adäquatem Minen-, ballistischem und insbesondere mehrschichtigem Top-Attack-Schutz.

Dennoch betonte Kauffmann, dass Drohnen zwar eine neue Bedrohungsart darstellen, aber „KEIN Game-Changer der Kriegführung“ seien.

Anforderungen an Landstreitkräfte in Europa

Für Landstreitkräfte in Europa identifizierte der GDELS-Manager sehr spezielle geografische und infrastrukturelle Anforderungen: Erstens die Fähigkeit zur Gewässerüberwindung. Im Falle eines Einsatzes an der NATO-Ostflanke müssten die Truppen 173 Flüsse mit mehr als 20 Metern Breite und 13 Flüsse mit mehr als 100 Metern Breite (insgesamt 13 Kilometer Wasserhindernis) überwinden. Zweitens müssen Fahrzeuge bei Bedarf über mehr als 2.000 Kilometer auf eigener Achse verlegbar sein.

Drittens erfordert die Bodenbeschaffenheit Fahrzeuge mit geringerem Bodendruck, da massive Einschränkungen der taktischen Mobilität aufgrund von Gelände- und Bodenverhältnissen zu erwarten sind. Viertens werden stationäre und mobile Flugabwehrsysteme auf allen Ebenen benötigt: auf taktischer Ebene gegen Drohnen und Loitering Munition, auf operativer Ebene gegen Drohnen, Flugkörper und Flugzeuge, auf strategischer Ebene gegen Flugkörper, Raketen und Flugzeuge.

Fünftens müssen Fahrzeuge kompakter werden, da das Straßen- und Wegenetz Beschränkungen durch Serpentinen, Pässe, Engstellen, Tunnel und Kurven aufweist. Sechstens müssen sie auch leichter werden, da zwar 90 Prozent der Autobahnen und 75 Prozent der Bundesstraßen, aber nur 40 Prozent der Landstraßen und Brücken für Fahrzeuge über MLC 50 (Military Load Class) befahrbar sind. Siebtens ist mehr Bahntransportkapazität erforderlich, die wiederum kompaktere Fahrzeuge mit weniger Zusatzausstattung und Ersatzteilen erfordert.

Take-aways für Landsysteme

Aus diesen vielschichtigen Erkenntnissen leitet GDELS einen umfassenden Katalog neuer Design-Prinzipien für Landsysteme ab, der sich in mehrere Kernbereiche gliedert:

Gewichts- und Größenoptimierung: Fahrzeuggewichte und -ausmaße müssen konsequent reduziert werden, um den infrastrukturellen Beschränkungen in Europa gerecht zu werden. Nur so können die Mobilitätsanforderungen bei gleichzeitiger Nutzbarkeit des bestehenden Straßen- und Brückennetzes erfüllt werden.

Kosteneffizienz: Sowohl Beschaffungs- als auch Unterhaltskosten müssen deutlich gesenkt werden. Dies erfordert einen grundlegenden Wandel hin zu „Design-to-Cost“-Prinzipien, bei denen Kostenaspekte bereits in der Entwicklungsphase mitgedacht werden.

Erhöhte Mobilität: Die Transportierbarkeit und Verlegefähigkeit der Fahrzeuge muss signifikant gesteigert werden. Dazu gehören auch erweiterte Kapazitäten für mobile Brückensysteme, um die zahlreichen Gewässerhindernisse in Europa überwinden zu können.

Verbesserte taktische Eigenschaften: Geländegängigkeit, Wendigkeit und Agilität sind entscheidende Faktoren für das Überleben auf dem modernen Gefechtsfeld. Die Fahrzeuge müssen in der Lage sein, schnell und flexibel auf veränderte Bedrohungslagen zu reagieren.

Integration neuer Technologien: Das Teaming zwischen unbemannten Boden- und Luftfahrzeugen (UGV/UAV) wird zu einem integralen Bestandteil zukünftiger Landsysteme. Diese Vernetzung ermöglicht erweiterte Aufklärungs- und Wirkungsmöglichkeiten.

Mehrschichtiger Schutz: Adäquater Schutz gegen Minen, ballistische Bedrohungen und Top-Attack-Munition bleibt unverzichtbar, muss aber intelligent und gewichtsoptimiert implementiert werden.

Produktionsoptimierung: Einfachheit im Design und großserientaugliche Konzeption sind Voraussetzungen für erfolgreiche Industrialisierung und Skalierung. Nur so können die benötigten Stückzahlen in angemessener Zeit produziert werden.

Technologieparadoxon meistern: Die größte Herausforderung liegt im technologischen Fortschritt selbst: Fähigkeitserhalt oder sogar -steigerung bei gleichzeitiger Reduzierung der technischen Komplexität. Dieses scheinbare Paradoxon soll durch intelligentere Systemintegration und bewährte, robuste Technologien gelöst werden.

Die Strategie „24-500“

Die neue Strategie „24-500“ von GDELS sieht vor, dass bereits 24 Monate nach Vertragsabschluss die Serienauslieferung beginnt. Jährlich sollen dann jeweils 500 Piranha- und Eagle-Fahrzeuge an die Bundeswehr geliefert werden können. Diese ambitionierte Timeline unterstreicht die Dringlichkeit, mit der GDELS auf die veränderten Bedrohungslagen reagieren will.

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